Drei Tage vor Studienbeginn zu erfahren, dass die Bildungseinrichtung kurz vor der Schließung steht, ist sicherlich nicht optimal. Genau das ist Erstsemestrigen der Wiener Kunstschule im letzten Jahr passiert. Studierende und Lehrende rufen zum Protest auf.
60 Jahre nach ihrer Gründung durch Gerda Matejka-Felden steht die Wiener Kunstschule vor den Scherben ihres Schaffens und stellt ihren Betrieb ein. Dies geschieht jedoch keineswegs aus freien Stücken. Es geht, wie so oft bei unseren lieben Kunstis, ums Budget. Dies sei ohne Ankündigung gekürzt worden, die Stadt Wien habe angekündigt, „kurzfristig gänzlich“ den Subventions-Hahn abzudrehen. Sinnvoller Unterricht sei so nicht mehr durchführbar. Dort weist man selbstverständlich jegliche Schuld von sich, der Beschluss zur Schließung sei von der Kunstschule selbst gekommen. Na, wer hat dann nun angefangen?
Die Kunstschule wurde wohl von der Stadt Wien aufgefordert, ihren Schultyp abzuwandeln, beispielsweise in eine FH oder ein Kolleg. Dadurch könnte man noch mal richtig viel Förderung von den Ministerien abgreifen, und schließlich muss man ja nehmen, was man kriegen kann. So wäre ein weiteres Bestehen gesichert, allerdings finden die Lehrenden und Schüler diese Idee nicht ganz so super. Wozu auch ein neues Modell entwickeln, wenn man ja eigentlich schon ein neues Modell ist? Und dazu noch eines, das angeblich seit 60 Jahren wunderbar funktioniert. Gespart wurde bereits an allen Ecken, es wurde angepasst, verändert, ausprobiert und umgekrempelt. Ein Studienplatz wird mit 3000 Euro subventioniert, was ungefähr die Hälfte eines Fachhochschülers ausmacht. Dürfte doch nicht so schwer sein.
Eine etwas andere Schule
Zugegebenermaßen ziemlich lässig ist die Tatsache, dass die Wiener Kunstschule als einzige Institution Comic-Zeichnen als Ausbildungsgang anbietet. Das Prinzip von Anti-Selektion liest sich auch recht erfrischend, eine Aufteilung in „talentiert“ und „sollte-eher-was-anderes-machen“ findet hier nicht statt. Matura? Braucht man nicht. Nur 17 sollte man mindestens sein. Als Abschluss gibt es ein Diplom.
Klingt alles schön und funky fresh, aber was macht man damit? Bei einem Pressegespräch gegen die androhende Schließung schmückte man sich mit ehemaligen Schülern wie Stefan Sagmeister, der jetzt zwar megaerfolgreich in New York eine Grafik-Agentur leitet, aber die Ausbildung an der Kunstschule nach nur einem Jahr abbrach. Er hatte im zweiten Anlauf die Aufnahmeprüfung an der Universität für angewandte Kunst gepackt. Das war nicht ideal gewählt. Spricht das nicht wiederum für eine Abwandlung des Schultyps, inklusive qualifizierterem Abschluss? Oder würde dann ein uniformierender Prozess eintreten, der Uni-Benennungen à la Bachelor und Master auf Kunstschulen einführen und somit Künstler in ziemliche enge Korsetts zwängen würde?
Unbekannte Zukunft
Als man zur Protest-Pressekonferenz lud, sah man den Vertretern ihre Leidenschaft förmlich an. Immer schön zu beobachten, wenn jemand für etwas brennt. Da wurde viel erklärt, was man im Vorfeld bereits wusste. Wie einzigartig die Schule doch sei, und wie wichtig ihr Erhalt. 140 Schüler und 60 Lehrpersonen stehen bald auf der Straße, nur ein Jahrgang kann die Schule noch standesgemäß absolvieren. Für den Rest sieht es schlecht aus, zu wünschen wäre ihnen ein Fortbestand allemal, bei der Hingabe, die sie für die Einrichtung an den Tag legen.
Dafür müssen aber laut der Stadt Wien mehr Erfolgsergebnisse her. Doch wie kann so eine Evaluierung überhaupt von statten gehen, wenn gar nicht klar ist, nach welchen Parametern Erfolg im Kunstbereich bemessen werden kann? Gute Denkanstöße eigentlich.
Nicht nur die Kunstschule, auch andere Kunstinstitutionen stehen aufgrund von Sparmaßnahmen auf dünnem Eis und werden nach und nach homogenisiert. Und so entwickelt sich schnell eine Diskussion über Kunst im Allgemeinen, und über eine Zukunft, die getötet wird. Und ehe man sich versieht, ist die böse profitgeile EU und die stetig steigende Dummheit der Gesellschaft Zentrum der Gesprächsrunde. Als gefragt wird, wie es denn jetzt eigentlich weitergehen solle, weiß man es nicht. Gespräche mit der Stadt Wien haben noch nicht stattgefunden. Ein Zuhörer empfindet das alles als eine „sehr kafkaeske Situation“ und bringt es auf den Punkt: „Es wird viel geredet, aber niemand weiß was Genaues.“