Wie viele Gedanken passen in einen Raum? Antworten und Bilder zu solchen und wirklich deepen Fragen gibt es in unserer Fotostrecke zur Ausstellung des Künstlers Nikolaus Gansterer.
"Ideenspiess" von Nikolaus Gansterer (© TimTom)
Der "Ideenspiess" ist ein perfektes Beispiel dafür, wie viele Gansterers Arbeiten funktioneren: Ideen-Sampling, Gedanken-Strickerei, Weiterspinnen. Vor Sudoku gab es ein beliebtes Bilderrätsel in den Tageszeitungen, das sich Rebus nennt. "Rebus" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet "durch Dinge": Der Wortlaut einer Reihe von Bildern und Zeichen, durch Abstraktion zusammen gefügt, ergibt das Lösungswort; wie hier der "Ideenspiess". Das war einfach, oder? Bilderkunsträtsel gelöst.
"Denkfigur" von Nikolaus Gansterer (© TimTom)
Bilderrätsel Nr. 2: das Kippbild. Grafitstift auf einer klassischen Schiefertafel hat einen leichten Spiegel-Effekt - er blendet oder wird halb unsichtbar aus bestimmten Perspektiven. Dieser Effekt mit den Zeichen und Symbolen auf der Tafel deutet hier die Unsicherheit und Fragilität geistiger Prozesse an sowie die Prozesshaftigkeit und Abhängigkeit einer bestimmten ideellen Perspektive an. Korrekte Antwort ...
"Between the Lines of Thought" von Nikolaus Gansterer (© TimTom)
So könnte man sich auch ein Rätsel erschließen. Beschreibung; Kontext; dann alles hinein interpretieren: Beschreibung: Hier stehen Schiefertafeln wie in der Kammer des Schulhausmeisters ungeordnet an der Wand abgestellt. Es wird hierauf eine Projektion eines Schreibprozesses zu sehen sein, allerdings nur halb sichtbar auf dem schwarzen Untergrund. Kontext: Die Tafel ist historisch betrachtet ein alt-ehrwürdiges, pädagogisches Instrument. Die Projektion oder PC-Präsentation ist die zeitgenössische Methode der (schnellen) Wissensvermittlung. Interpretation: Ein Spannungsfeld zwischen Alt und Neu. Die feste Schiefertafel vermittelt eine Vorstellung von Wissen als etwas fest-Stehendes, Sicheres; die Projektion als etwas Flüchtiges. Die nur halb sichtbare Projektion auf schwarzem Untergrund deutet die uns nur abstrakt bewussten Prozesse der Gedankenbildung, Erinnerung und Wissensbildung an.
"Zeicheninstrument I" von Nikolaus Gansterer (© TimTom)
Dieses "Zeicheninstrument" - das an eine Maschine aus dem frühen 19. Jahrhundert erinnert, kann innerhalb der Ausstellung als ein Kompass funktionieren. Es ist eine "poetische Maschine", so Gansterer, die die Bewegungen (der Gedanken) der Besucher von einem zum anderen Werk metaphorisch nachzeichnet. Der Besucher bringt es durch die Bewegungen der Luftmassen zum Rotieren, wie ein Mobile. Seine Bewegung verdinglicht, dass wir immer und überall durch Materie umgeben sind.
"Theoriegehäuse I: Memoirs of the Blind" von Nikolaus Gansterer (© TimTom)
Nikolaus Gansterer dazu: eine "Raumzeichnung", "wo die Linie Material annimmt", "ein Seh- oder Wahrnehmungsfeld, Außen- und Innenraum fallen zusammen", Erinnerung und Wahrnehmung des Ortes", die "3-dimensionale Zeichnung, worin sich das Bild ergehen kann", "Denkbahnen", "Wissensformation", "Speicher", "Stapeln" ... Diese Installation zeigt, wie sich Gansterer Gedanken, Erinnerung, Vorstellung oder auch Theoriebildung visuell-materiell vorstellt – wie sie sich im Gehirn abspielen und materiell werden. Oder auch, wie sie sich imaginativ durch den Außenraum "ziehen" und "bewegen"; immerhin kommt es uns so vor, als seien unsere Gedanken nicht in unserem Kopf gefangen, sondern als bewegten sie sich mit unserem Sichtfeld durch den Außenraum zu den Dingen hin, die wir betrachten. Auch diese Installation wird sich während der Ausstellung noch verändern – wie das menschliche Gehirn das auch permanent tut.
"Theoriegehaeuse III" von Nikolaus Gansterer (© TimTom)
Dieses "Theoriegehäuse" zeigt Gedanken- und Sprachbildung auf Molekularebene. Die Bälle mit Buchstaben stehen für Atome oder auch Zellen, die an einer Gedankenbildung beteiligt sind. Die Glasplatten erzeugen kleinere, abgeschlossene, aber noch durchsichtige Räume, die einzelne "Mikrokosmen" im Gehirn darstellen.
"Theoriegehäuse IV" von Nikolaus Gansterer (© TimTom)
Und noch ein "Theoriegehäuse". Siehe die Erklärungen zu Bild 5 und 6. Man denke auch an Körperwelten, den Kindertrickfilm "Es war einmal das Leben", Avatar, Quantenphysik, LSD, EKG ... Schön, wenn Kunst so einfach zu entschlüsseln ist. Aber das ist sie eben nie. Dass damit Kunst, Werkgruppen und einzelne Werke als ästhetische Erfahrung gerade einmal angekratzt werden, sollte ja doch selbstverständlich sein.
Schon mal in der Ausstellung eines gefeierten Künstlers gestanden und nichts kapiert? Keine Ahnung, was an dem Strich, Quadrat oder Farbensalat so spannend sein soll? Hier werden Sie geholfen! Wir treffen die Künstler und fragen: Warum jetzt? Was willst du uns damit sagen? Künstler und seine Werke samt (Be-)Deutung mit O-Tönen vom Maestro höchstpersönlich werden hier vorgestellt.
Nikolaus Gansterer hat mich zu einem Gang durch seine kommende Ausstellung im Kunstraum Niederösterreich eingeladen, den Gedanken wurde freier Lauf gelassen, von den Synapsen unserer Gehirne über Telone und Photonen, Sience Fiction und Avatar; oder die Frage: Wie viele Gedanken passen in einen Raum?
Gedanken <> Materie
Wir steigen also direkt ein mit einem ziemlich wissenschaftlichen und scheinbar komplizierten Thema: „When thought becomes matter and matter turns into thought.“, so der Titel der Ausstellung des Zeichners und Objekt-Künstlers. Und obwohl der Arbeitstitel abschreckend nach Quantenphysik klingt; es ist gar nicht so schlimm… Im Prinzip steckt dahinter folgendes: jeder Gedanke entspringt einer realen Materie in unserem Gehirn und umgekehrt, einem Botenstoff, einer Verschaltung von Synapsen, einer bio-chemischen Reaktion. Was die Neurobiologen und Bewusstseinsforscher also mit EKG und EEG machen, macht Gansterer mit seinem eigenen Gehirn via Zeichnen, durch das er sich selber „beim Denken zuschauen“ kann, wie er sagt.
Er ist eher der Philosoph unter den Künstlern, also ein geduldiger Zeitgenosse, der sich um eine einzige Idee, manchmal auch nur ein Wort oder gar eine Silbe nur erst dann anfängt ernsthaft Gedanken zu machen, wo es anderen schon lange fad wird. Oft ist er aber auch einfach ein „Gedanken-DJ“, der wissenschaftliche Texte über Postmoderne, Mathe, Physik und Biologie aus dem Netz in seiner Kunst frei sampled. Er ist kreativ auf der Mikroebene, er fragt sich, warum wir so denken, wie wir denken, wie Erinnern funktioniert und warum wir ohne die Sprache auch keinen klaren Gedanken fassen könnten.
Für Gansterer steht also nichts, das Menschen seit Angedenken machen, fest; alles ist nur eine Möglichkeit, wie man leben kann. Die Wirklichkeit ist nur eine „Hilfskonstruktion“, aber tatsächlich gibt es nur „Chaos, in dem wir uns eigentlich da befinden“, so der Künstler. Auf die Frage, ob man nicht daran wahnsinnig werde, wenn man permanent das eigene Gehirn so radikal in Frage stellt, antwortete er: „In meiner Wahrnehmung ist es eigentlich total verrückt, was wir die ganze Zeit machen; gesellschaftlich gelernt, macht es Sinn, aber von innen betrachtet ist es eine permanente Verschaltung von irgendwelchen Synapsen. Wenn man sich mit diesem Bewustseinsstrom selbst einmal beschäftigt, merkt man, wie wahnsinnig das ist.“ Frage beantwortet?
Nikolaus Gansterer: „When thought becomes matter and matter turns into thought“ Vernissage am 06. Juni um 19 Uhr im Kunstraum Niederösterreich
Ausstellungsdauer: 07. Juni bis 27. Juli