Google dreht Wave zu. Zeit in Depressionen zu versinken, den Kopf in die Hände zu legen und "… Warum? Warum bloss? … so jung… noch viel zu jung. " zu schluchzen. Oder auch nicht und stattdessen folgende Sinnlosigkeiten zu lesen.
Eine Welle bricht zusammen
Google hat kürzlich verlautbart, dass sie ihr ambitioniertes Wave Projekt zur Seite legen werden. Im Gefüge des Grossen und Ganzen keine dramatische Angelegenheit, aber zwischen den Zeilen werdet ihr eine gewisse Wehmut herauslesen können. Es hätte so schön sein können, Google wäre der Weltherrschaft noch ein bisschen näher gerückt und alle wären wir glücklich gewesen. Aber wir scheinen versagt zu haben.
Die kleine Internetwelt
Mit "wir" mein ich im speziellen Fall die gesamte Weltbevölkerung. Und mit "gesamte Weltbevölkerung" meine ich eigentlich den Teil der Weltbevölkerung, welcher im Internet unterwegs ist. [1] Auch wenn es uns manchmal vorkommt, als ob wirklich, wirklich alle am Internet partizipieren, tja, dem ist nicht so. Zum Beispiel aggregiert Google aus öffentlichen Daten die Information, dass 2008 nur 23,9% der Weltbevölkerung Internet User waren. In Österreich waren es 2008 schon 71,2% laut derselben Statistik. Dazu gibt es dann von der International Telecommunications Union einen genauen Bericht aus dem Jahr 2009. Auch mit hübschen Diagrammen. Und ich bin mir sicher, dass UNdata sicher auch was dazu beizutragen hat. Und aus diesem runden Viertel der Weltbevölkerung meine ich genau genommen auch nur die Erst- und Frühbegeisterten. [2]
Hello, I’m an early adopter.
Früher nannte man solche Personen auch Trendsetter, aber Early Adopter ist wahrscheinlich die besser Wortwahl. Denn nicht alles was Trendsetter machen und sagen löst auch wirklich einen Trend aus. Wie unlängst bei Google Wave erlebt. Tolle Idee, nur verstanden hat es kaum jemand. Dabei war es nicht so kompliziert: ein kollaborativer Echtzeit-Kommunikations-Raum mit vielen Werkzeugen und offenen Stellen für die Entwicklung eigener Werkzeuge. Sprich, als ob man gemeinsam am gleichen Tisch sitzt und an einer Sache arbeitet, nur sitzt man vor PCs. Nicht am gleichen Tisch. Möglicherweise sogar an verschiedenen Ecken und Enden der Welt.
Den Kleinkram hab ich dann auch nicht mehr verstanden, aber insgesamt war es easy. Schon ein wenig überwältigend, da hat das Video von Stephanie und Greg auch keine Abhilfe gebracht. Zurück zu den Early Adopters, zu denen ich, Dank einer damals heiß begehrten Invitation, die mich durch einen Freund erreichte, auch gehören durfte. Unsere Aufgabe wäre es gewesen Google Wave sofort zu nutzen, zu testen und tausend tolle Ideen zu haben, was man damit alles anstellen könnte. Besser, effizienter und mit mehr Sex Appeal, als man es mit anderen Tools kann und diese genialitätsbeladenen Ideen dann all unseren Freunden und Bekannten zu erzählen, die noch nicht in den Genuss der Welle gekommen waren. Spätestens hier hätte dann ein Dominoeffekt eintreten sollen. Ja, klingt gar nicht komisch und war auch nicht so. Ich mein, der Dominoeffekt. Der war nicht, nämlich gar nicht. Wir Early Adopters haben schon viel früher versagt, bereits an den guten Ideen sind wir gescheitert.
Analyse: unschlüssig
Es gab schon einige Ideen, auch sicherlich gute. Auf lifehacker gab es ein paar Vorschläge, mashable hat sich Gedanken dazu gemacht und webworkerdaily hat sogar einen Mini-Guide zur Erstellung einer effektiven Wave veröffentlicht. Fällt euch was auf? Hm, ja, die meisten hier gesammelten Propositionen sind sehr genau umrissen und können bereits auf ein oder mehrere kollaborative Werkzeuge zugreifen, die schon "gelernt", will sagen, herkömmlicher sind, als es Google Wave war. Was konnte Wave also, was die anderen Lösungen nicht konnten? Es konnte alles in Echtzeit. Aha. Und wieso hat es sich dann nicht durchgesetzt und gibt jetzt mit Millionen User an, die hyperaktiv in Waves herumwerkeln? Gute Frage.
Vielleicht lag es daran, dass die Arbeitsinfrastrukturen vieler Firmen echte Realtime Kollaboration über verschiedene Arbeitsplätze hinweg nicht in ihrem Arbeitsfluss unterstützen konnten? Oder vielleicht hatten die meisten potentiellen User zu viel Scheu und zogen es dann doch vor ein Dokument mehrmals per Email auszutauschen und zu ergänzen oder über einen gewöhnlichen, gemeinsamen Webspace abzurufen, weil sie sich dabei sicherer fühlten? Mag gar sein, dass die Implentierung der Werkzeuge für freies Arbeiten nicht so reibungslos funktionierte, wie Google es sich gewünscht hätte? Banalerweise kann es auch daran gelegen haben, dass Goolge in ihrere Freude über die Begeisterung der Early Adopters, vergessen haben, dass sie Google Wave auch an andere User herantragen sollten, die wohl nicht von Anfang an mit dabei sein wollten?
Warum also darüber nachdenken?
Ich weiss es nicht, aber es lohnt sich ein paar Minuten darüber zu grübeln, weil Google Wave ein gutes Beispiel für ein hervorragendes Konzept ist, dessen Funke leider erlosch, noch bevor das Feuer lodern konnte. Ach, wie poetisch. Will hoffen, dass sich andere Menschen mit vergleichbar grandiosen Plänen etwas dazu überlegen und nicht ebenso scheitern. I’m talking to you, Daniel, Maxwell, Raphael and Ilya. I’ve signed up and I want to use it, too. Whenever it’s finished, that is.
[noch immer kein guter neuer Abschiedstext gefunden, kommt aber noch]
Nuri "werwolf" Nurbachsch
[1] Und hier wiederum eigentlich auch nur diejenigen, die uneingeschränkten Zugang zu Google und den verschiedenen Google-Produkten haben, was zum Beispiel schon mal China mit seinen geschätzten 1,3 Billionen Einwohnern, von denen 384 Millionen laut China Internet Network Information Center Erhebung vom Jänner 2010 (auf Seite 11 des 111 Seiten langen Reports zu lesen) Internetzugang haben, ausschliesst.
[2] Hab mir diese Begriffe gerade ausgedacht. Toll, nicht? Definitionen braucht es aber schon, muss alles % wissenschaftlich korrekt % abgehen. So, ähm, gut… dann sind Erstbegeisterte jene, die ihre Informationen direkt oder eine Kommunikationsgeneration entfernt von der Quelle beziehen und Neuheiten sofort adaptieren. Und Frühbegeisterte sind jene, welche ihre Informationen von Erstbegeisterten und der zweiten oder dritten Kommunikationsgeneration beziehen und dann adaptieren. Ja, diese Definitionen haben viele Löcher und sagen wenig aus, aber sie gefallen mir trotzdem, also bleibt es dabei.