assbiting toiletpaper 014

Beim Buzzattack 2010 wurde das Stichwort "social media" für Marketingmenschen noch mal aufgerollt. Prinzipiell hervorragende Idee, aber noch nicht 100%ig überzeugend durchgeführt.

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Bingo!

Bullshit Bingo. Kennt ihr das Spiel? Am besten bei "wichtigen" Besprechungen spielen: Wer zuerst eine Reihe mit den zufällig zusammengewürfelten Marketingschlagwörtern hat, steht auf und schreit "Bullshit!". Passiert öfter als man glauben würde. Und meistens ist es dann auch wirklich unverständliche Scheisse. Das war schon immer mein grösstes Problem mit sogenannten Marketingexperten. Wobei, ich verstehe, was gesagt wird, aber die Syntax und das Vokabular mit dem es gesagt wird machen mich manchmal, na, sagen wir mal, reizbar. Bei genauerer Betrachtung ist das allerdings nicht speziell auf Marketingexperten, sondern alle Fachidioten [1] bezogen. Tolle Einleitung, nicht wahr? Worauf ich hinaus will, zusammengefasst: buzzattack war eine fachlich fundierte Veranstaltung, aber ihr fehlte Vision, denke ich. Dafür hatte sie eben einen Tick zu viel Expertentum. % Was nicht verwunderlich ist, wenn man davon ausgeht, dass es eher ein Kongress von Experten für Experten war. % Wie dem auch sei, mein persönlicher Tick zuerst zu bashen und dann zu loben ist hiermit besänftigt. Eigentlich hoffe ich nämlich, dass buzzattack bestehen bleibt und wächst und gedeiht. So viele positive vibes von mir überraschen mich selbst, daher gleich weiter im Text. Es folgt ein kurzer Überblick über das buzzattack 2010.

Ich habe ohnehin schon einen schlechten Ruf

Ambuzzador heisst die Agentur, die zum Buzzattack lud. Ihrerseits spezialisiert auf sogenanntes "Buzz marketing", auch bekannt als (Teilmenge von) "word of mouth marketing". Oder Mundpropaganda. Selbsterklärenderweise stellt für eine solche Agentur die Kommunikationstechnologie und -morphologie der sogenannten "social media" ein besonders fruchtbares Investitionsfeld dar. Nicht verwunderlich also, dass Ambuzzador Kunden und Interessierte zum Palaver unter dem Banner "Digitale Reputation – die neue Währung in der Markenführung" auf den Kahlenberg bat. [2] Bereits am Untertitel erkennbar: von Vermarktern für Vermarkter. Ich will mich gar nicht besonders lange damit aufhalten en detail zu besprechen, welche Themen präsentiert wurden. Ambuzzador stellen ja alle Materialien zum download zur Verfügung. Optimale Nachlese. Ein paar fail/ win Highlights sollen genügen.

Wie ein Waldbrand

Angefangen hat es mit einer etwas enttäuschenden Darbietung von Dr. Harald Katzmair (FAS). Zwar waren die Ausführungen über Schwellenwerte bei viraler Verbreitung von Kommunikation in Netzwerken von der unleugbaren Kompetenz des Herrn Katzmair getragen, was nicht anders zu erwarten war. Als sich für mich aber abzeichnete, dass aus den Statistiken, Slides und der niedlichen, allegorischen Software-Simulation eines Waldbrands [3] nur eine Bestandsaufnahme hervorgehen würde und keinerlei Zukunftsprojektion, war ich etwas irritiert. Andererseits sollte ich im Verlauf des Tages noch feststellen, dass Vieles, das selbstverständlich scheint, es nicht für jedermann ist. Zusammen mit den Vorträgen von Mag. Charlotte Hager (comrecon°) und Loic Moisand (synthesio) war der Start der Buzzattack 10 aber ein guter. Fazit des ersten Blocks: Anscheinend müssen viele Vermarkter noch lernen, was ein soziales Netzwerk eigentlich ist und wie sie sich darin bewegen können/ sollen/ müssen.

Esoterik?

Im zweiten Block konnte Michael Fleischhacker (Die Presse) nicht erscheinen, wurde dankenswerterweise vom viel sympathischeren (und auch geistreicherem) Rainer Nowak (Die Presse) vertreten – Ein Einblick in das Verhältnis von Journalisten zu Blogs. Ihm folgte Niko Alm (Super-Fi) – gewohnt ironisch und gar nicht besonders politically correct. Viele Lacher, einige verdutzte Gesichter im Publikum. Inhaltlich der einzige Vortrag, der sich von Theorie und Case Study stark abhob und einen Versuch in Richtung Kommunikationshypothese wagte. Seine "esoterischer" (Zitat Niko Alm) E³SP Ansatz war schamlos präsentiert (der Vortrag hieß ja auch "Shameless Self Promotion"), eingängig. Nicht unbedingt neu, aber das war beim Buzzattack keine zwingende Voraussetzung. Grosses Mitleid für Mag. Wolfgang Renzl, der Juristisches durchwälzen musste. Spannendes, aber undankbares Thema, zumindest was spritzige Vorträge angeht. Besonders, wenn man nach Rainer Nowak und Niko Alm auf das Podium gebeten wird.

byline: Twitter

Zwischendurch noch ein Hinweis: Viel vom Geschehen wurde aktiv mitgezwitschert, mit dem hashtag #buzzattack10. Ganz besonders empfehlenswert war, was Ali Mahlodji in seine Timeline gestellt hat. Ein paar Auszüge: "Philippe’s learning->er ist DER PopUp-handler Nr.1 & das mit einem Netbook & 3 Turnschuhen im gefährlichen Österreich", "Gerade T-Mobile on stage / nach 3 Minuten Vortrag schon 11x das Wort #buzz verwendet – guter Vortrag" oder "Trottel ist eine Wertung". Ach, was haben wir gelacht.

Premiere: Facebook in Österreich

Dann kam F. Scott Woods von Facebook Germany. Großer, offizieller, erster Auftritt von Facebook in Österreich. War aber nur der dünn verhüllte Versuch die Anwesenden dicken Geldbeutel von Werbung auf Facebook zu überzeugen. Meh, wie es im Internet so schön heisst. Muss aber Mr. Woods anrechnen, dass er auf meinen unbeeindruckten Tweet gleich antwortete und nach Verbesserungsvorschlägen fragte. Der absolute Fugenquetscher der Veranstaltungen allerdings war Thomas Mayer von T-Mobile Austria. Sehr erpicht darauf T-Mobile heldenhaft anhand des Beispiels "Philippes Projekt" wirken zu lassen, verursachte sein Vortrag in mir merkliches Unwohlsein (vergleiche dazu: Bullshit Bingo und Ali Mahlodjis Tweets). Andererseits glaube ich Einblicke in die interne Markenkommunikationsstrategie von T-Mobile gewonnen zu haben, die wiederum sehr interessant waren. Stellt sich die Frage ob ich das so genau wissen wollte oder nicht.

Die Deutsche Bahn weiss, wann sie Scheisse ist

Eingeleitet wurde der letzte Teil der Konferenz mit einem hieb- und stichfesten Vortrag von Bob Pearson (WCG), in dem der für mich wichtigste Satz der Veranstaltung enthalten war: "We’re becoming conversation architects." Den Abschluss machte Robindro Ullah (Deutsche Bahn) mit einer leichtfüssigen und charmanten Darstellung der best practice am Beispiel Twitter bei der Deutschen Bahn. (Ups, jetzt bin ich selber ein wenig ins bullshit-bingoisieren gestolpert. Bitte um Verzeihung.) Herr Ullah hat auch in einfachen Worten festgehalten, was "Social Media" nicht nur als Kommunikationsplatform sondern auch als Kontrollinstanz für Unternehmen so wertvoll macht: "Social Media ist beinhart – die Leute sagen einem gleich, wenn man Scheisse ist.", sagte er, nicht wortwörtlich, aber sinngemäss. Schöner Schlusssatz. (War er nicht, aber sinngemäss.)

Mein "learning"/ "debriefing"/ "finding" zu Buzzattack ’10

Sehr schön zu beobachten, wie ein wenig Bewegung ausserhalb der eigenbrötlerischen Techgeek und Mediabobo in die ganze Thematik "Social Media" kommt. Buzzattack war relativ gut organisiert, brachte interessante Sprecher zu interessanten Themen mit. Was ich mir aber wünschen würde wäre ein offenerer Ansatz. Weniger Vertretertum – "Was kann ich tun um mein Produkt über Facebook/ Twitter/ Blogs/ etc. zu verkaufen?" – und mehr systemische Ansätze – "Was verändert sich an meinem Unternehmen wegen Facebook/ Twitter/ Blogs/ etc.?". Und auch weniger Fokus auf gegenwärtiges und dafür mehr Ausblick auf kommendes. Kommunikation ist eine der fundamentalen Technologien der Menschheit. Insofern wäre es nicht nur gesamtheitlich, sondern wohl auch für den Unternehmer (jeglicher Art) von grossem Wert zu verstehen wie diese Technologie mit dem Menschen interagiert. Das geht aber sicherlich nicht so gut, wenn man sich Momentaufnahmen ansieht. So oder so, ich bin gespannt auf das nächste Buzzattack.

Letzte Anmerkung noch (Niko Alm dürfte da auch meiner Meinung sein, wenn ich vom Gespräch am Abend des Buzzattack ausgehen darf): Macht euch mit Atemporalität vertraut, ihr werdet es nicht bereuen.

breeding secrets [4]

Nuri "werwolf" Nurbachsch

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[1] Der fachidiotische Aspekt meiner eigenen Person echauffiert sich gerade darüber, wie ich es mir erlauben kann so abschätzig über die Notwendigkeit der Abbreviatur des Dialogs zwischen Fachkollegen per Expertenvokabular zu schreiben. Leider fällt mir keine bessere Retourkutsche als ein Achselzucken ein. (ablegen unter: Nuri spricht mit sich selbst, Paranoia, Dissoziative Identitätsstörung)

[2] Der Ausblick vom Veranstaltungsort über Wien war famos. Mobile Netzanbindung: "no network". WLAN: mehr oder weniger.

[3] Die Software, die Dr. Katzmair dabei benutzte war eher einfach gehalten. Eine kurze Internetrecherche hat die weite Welt der professionellen Feuersimulationssoftware für mich eröffnet. Gefahrlose Feuerspielchen. Das wollte ich nur mal eben mit euch teilen.

[4] Ich teste jetzt ein paar verschiedene neue Abschiedsformeln. Kann euch leider nicht sagen, was die diesmalige zu bedeuten hat. % Es ist ein Geheimnis. %

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