WikiLeaks ist nicht so wichtig, wie manchmal getan wird. Aber worum es bei WikiLeaks geht, was gerade mit WikiLeaks und Julian Assange passiert und wie damit umgegangen wird… Leute, das ist verdammt, verdammt wichtig.
PayPal lässt mich Rot sehen
Thomas Weber ist ein äusserst vernunftbegabter, intelligenter und sozial aufmerksamer Mensch. Daher solltet ihr zu allererst mal das hier lesen. In diesen Zeilen bespricht Thomas (auf den Punkt und beeindruckend gelassen) einen der wichtigsten Aspekte, nämlich Transparenz. Ach so, in meiner Aufregung hab ich ganz vergessen euch zu sagen, worum es mir diesmal eigentlich geht: WikiLeaks, #Cablegate und die unendliche Rückgratlosigkeit von Amazon, Every DNS, aber allen voran, Paypal. Im Vergleich zu Thomas bin ich nämlich nicht annähernd so vernunftbegabt oder sozial aufmerksam oder intelligent. Und manchmal seh‘ ich einfach nur Rot. Wie in dem Augenblick, als ich lesen musste, dass Paypal sich auch von den USA einschüchtern lässt. Mittlerweile hab ich mich schon wieder etwas beruhigt, daher kann ich das hier schreiben. Bin aber immer noch wütend.
Unterstützer einer Informationsdiktatur
Es war schon herb genug, dass Amazon und Every DNS aufgaben. Vor allem, wenn man bedenkt, dass WikiLeaks ziemlich sicher nicht gegen das Gesetz verstossen hat, so wie jene Service Provider als Grund zur Auflösung des Vertragsverhältnisses vorgaben. In den USA ist zwar die unauthorisierte Ausgabe geheimer Informationen illegal, nicht jedoch die Veröffentlichung solcher durch Dritte. Sonst müssten sämtliche Medien, die investigativen Journalismus betreiben, dicht machen. Und die ACLU sieht das ähnlich (wie ich es mir nicht verkneifen konnte auch zu tweeten). Aber was Paypal da abzieht ist Diktaturopportunismus! Da vergeht mir jeglicher Humor. [1] Wo sich Amazon und Every DNS zumindest noch hinter den fadenscheinigen, grauen Nebelschwaden juristischer Paragraphenwinderei zu verstecken versuchen, hat Paypal keine solche Ausrede. Sie sammelten bis vor kurzem die Spenden für WikiLeaks. Und jetzt nicht mehr. Wieso? Sind sie etwa auch der Meinung, wie Abgeordneter King, dass WikiLeaks eine terroristische Organisation sei? Während WikiLeaks jetzt darauf angewiesen ist, dass freundliche Helfer auf der ganzen Welt die Website spiegeln (weil sie nicht mehr direkt abrufbar ist), geht PayPal einen Schritt weiter als Amazon und EveryDNS: Sie verhindern bewusst, dass WikiLeaks an die Ressourcen gelangt, die von freiwilligen Spendern zur Verfügung gestellt wird. Damit unterstützen sie still Verschleierungspolitik und Undurchsichtigkeit. Womit wir wieder bei Thomas Weber wären.
Meine Fragen
Wenn ich seinen Leitartikel mal plump interpretieren darf: Es geht nämlich gar nicht darum, was WikiLeaks veröffentlicht hat oder was damit bezweckt wurde; es geht viel eher darum, dass den Mächtigen durch uns Macht gegeben wurde und dass wir darauf bestehen müssten, dass diese Macht und ihre Ausübung für uns transparent ist. Es geht darum, dass unser Vertrauen in Politiker gewährleistet sein muss. Es geht darum, dass wenn eine Organisation wie WikiLeaks aufzeigt, dass dem nicht der Fall ist, sich die Politiker nicht darauf berufen dürfen, dass gegen Gesetze verstossen wurde oder Menschenleben in Gefahr gebracht worden sind.
Gut, lasst uns mal annehmen, dass das stimmt und tatsächlich Menschen durch die Veröffentlichung dieser Informationen gefährdet sind. Warum? Wer hat die Anweisungen gegeben, die diese Personen überhaupt erst in Gefahr gebracht haben? War das notwendig? Warum war es notwendig? Ich glaube, es sollte darum gehen eine Diskussion über Informationen, Machtstrukturen und Transparenz aufrecht zu erhalten und nicht zuzulassen, dass sie wieder verschüttet wird. WikiLeaks, SchmickiLeaks.
Es wird andere Organisationen geben, andere Aufdecker. Es gibt sie jetzt bereits. Aber wollen wir bitte nicht mal ganz öffentlich von allen "Mächtigen" verlangen, dass sie uns erklären warum irgendetwas vor uns geheim gehalten werden muss? Und uns selbst sollten wir auch mal fragen, warum wir diesen Leuten überhaupt erst Macht gegeben haben. Und ausserdem sollten wir uns auch fragen wofür diese Distinktion zwischen "die Mächtigen" und "wir", "uns" gut sein soll. Es wird eh nix bringen, aber ich fänd’s trotzdem gut mal wieder darüber zu reden.
Manchmal werd ich müde und bin diese ganzen Kindergartensandkastenrangeleien, die sich Politik nennt, wirklich satt. Aber fragt mich nicht nach einer besseren Lösung, sonst muss ich in die ideologische Fantasykiste greifen.
Immer noch wütend,
Nuri "werwolf" Nurbachsch
[1] Habt ihr sicher schon bemerkt: Diesmal ist das Posting nicht so humorig getönt, wie es sonst für assbiting toiletpaper üblich ist. Nehmt es mir nicht übel, aber ich mag gerade nicht witzig sein. Nächstes mal wieder, o.k.?
Update 2010-12-07 / 12:13: Mittlerweile hat auch Mastercard einen Rückzieher gemacht.