assbiting toiletpaper #018

Einmal tief durchatmen, denn der assbiting toiletpaper Blog ist aus dem Winterschlaf erwacht. Und für den Start ins Kalenderjahr 2011 nehm ich mir zwei Sachen vor: einen Leserbrief und die aktuelle twentytwenty Blogparade.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

twentytwenty Blogparade? Bin SO dabei!

Am 23. Februar trifft man sich im Wiener Hub zum nächsten twentytwenty Event. Diesmal heisst das Thema "Open Data. Open rules?". Die Kernfragestellung der Veranstalter lautet in etwa: "Bürger 2020: Wie werde ich 2020 mit Politik und Verwaltung interagieren werde und welche Daten werden mir dafür zur Verfügung stehen?" [0]

Zukunftspost

Wie es der Zufall so will hat mich zu diesem Thema eine Leser-Email erreicht [1]. Nicht irgendeine Email, sondern eine aus der Zukunft, genauer gesagt aus dem Jahr 2028. Ein/e historisch interessierte/r Leser/in, der/die mir unter dem Alias "Praisegod Satansbane" schreibt, berichtet da von gewissen Veränderungen in Österreich [2], die Dank einer Datennovelle aus dem Jahr 2020 zu Tage treten. Einige Auszüge daraus will ich hier zitieren und kommentieren. [3]

Voraussetzungen aus dem Jahr 2020

Praisegod Satansbane beginnt die Email mit einer Beschreibung der politischen Ereignisse der (aus ihrer/seiner Sicht) vergangenen 10 Jahre. 2020 ist dabei anscheinend folgendes passiert (wird passieren?):

"Der Druck aus den Aktivitäten der Leaker (Anm.: Damit sind Whistleblower Organisationen wie i>WikiLeaks, i>OpenLeaks und so weiter, gemeint.), den neuen Regulationen benachbarter Länder und vor allem auch aus der Bevölkerung zwang die damalige Regierung die "Neue Datenoffenlegungsinitiative 2020" zu veröffentlichen, gesetzlich zu verankern und tatsächlich auch durchzuführen."

Man sieht schon. Von selber hat die Regierung nix gemacht. Da musste erst mal Druck ausgeübt werden. "Vor allem auch aus der Bevölkerung", wird da geschrieben. Weiter geht es damit:

"Die Verwaltungsnetzwerke sind nun verpflichtet sämtliche Informationen und Daten, die sie aus dem öffentlichen Bereich entnehmen bzw. die den öffentlichen Bereich betreffen, sowie alle Informationen zur Handhabe jeglicher Agenda, die einen Bürger betrifft (Anm.: Im Prinzip also eh alles.) in anonymer Form on- und offline zur Verfügung zu stellen."

Weiters:

"Jeder Netzwerkbürger hat auch die Möglichkeit sich für einen privaten Zugang anzumelden, durch den er oder sie neben den anonymen Daten auch Zugang zu seinen eigenen, erhobenen sensiblen Daten bekommt."

So weit so gut, damit wurden (werden?) die Voraussetzungen für Open Government Data geschaffen. Auf die Quellen dieser Daten kann ich hier nicht näher eingehen, da Praisegod dazu nichts geschrieben hat. Ich spekuliere daher mal, dass diese Frage auch 2028 noch nicht zufriedenstellend geklärt ist. Welche Quellen sind zuverlässig und vertrauenswürdig? Welche bieten Daten, die auch relevant sind und nicht nur einer weiteren Filterung bedürfen?

Ein gutes Beispiel

Dann wird es richtig spannend, weil Praisegod Satansbane mir zwei Beispiele der Anwendungen dieser Erneuerungen gibt, die in ihrer Zeit (2028) erst so wirklich sichtbar wurden (werden?).

"Bald schon wurde anhand der Verteilungscharts, Budgetpläne und Verwaltungsstatistiken klar, dass entweder irgendetwas bei der Budgetierung, bei der Datensammlung oder aber bei der Budgetverwaltung schief läuft. Bisher gibt es noch keine offizielle Stellungnahme der Verwaltung zu den fehlenden Beträgen."

Ui, scheint so als wurde eine Schlamperei nicht richtig unter den Teppich gekehrt. Sicher, Open Government Data und der dafür notwendige mindset [4] tragen sicherlich zu einer transparenten Verwaltung bei, die in jedem Schritt nicht nur den Schein von Verantwortung vorgeben, sondern diese auch erfüllen muss. Also, im günstigsten Fall: Open Data kann zu einer stärkeren Demokratisierung von Regierungs- und Verwaltungsfunktionen beitragen. Ist ja an und für sich keine schlechte Sache. Das zweite Beispiel fällt allerdings ganz anders aus.

Ein schlechtes Beispiel

Es beginnt so:

"Die Flut an Informationen kann von den meisten Bürgern gar nicht richtig erfasst werden. Die Verwaltung schüttet die Daten beinahe ungefiltert aus. Es gibt zwar Tools, die zur grafischen Veranschaulichung dienen und auch sehr solide sind, aber wenn man nicht schon weiss, wonach man Ausschau hält, dann nutzen sie auch nichts."

Gut, das kennen wir ja auch schon aus unserem Alltag. Rohe Informationsberge existieren, aber semantische Aufarbeitung ist rar und oft nicht auf Menschen abgestimmt. "Futureshock" setzt sich hier fort und anstatt Energie zu investieren um mit der Informationsflut fertig zu werden, muss man damit rechnen, dass sich etliche Menschen in eine Art "Schutzkonservatismus" flüchten werden. Was 2028 fehlt, ist das gleiche, das uns auch schon seit mindestens 1950 (und schon viel früher) fehlt: Einblick in und Erkenntnis von den Systemen unseres Lebens.

Herr Inspektor, meine Daten werden vergewaltigt, bitte.

Praisegod fährt fort:

"Mittlerweile haben sich einige sehr zwielichtige Organisationen gebildet, die Informationsaufbereitung als Dienstleistung anbieten. Es gibt zwar einige seriöse Dienstleister, die meisten sind aber Gaunerschuppen, die mit den verarbeiteten Daten mehr als nur fraglich umgehen."

Mit den Daten wird Schindluder betrieben und anscheinend sind die Bürger machtlos. Legislative Graubereiche und Schlupflöcher, mangelnder Aktivismus und Aufklärung. Klar, ab jetzt 9 Jahre bis zur Einführung der Änderungen und dann ungefähr 8 Jahre die Anwendung dieser Änderungen – das sind gerade mal 17 Jahre, noch nicht mal eine Generation, in der eine drastische Änderung der Macht- und Informationskultur etabliert werden soll. Da müssen wir uns an der Nase nehmen, denn solche Eingriffe in den allgemeinen Zustand müssen an jeder Seite gut vorbereitet werden, damit auch möglichst viele Menschen in möglichst kurzer Zeit Nutzen daraus ziehen können. Oder aber man hat den Atem um die kurz- und mittelfristigen Dramen und Konflikte auszustehen. Aber können wir das überhaupt?

Fazit

Praisegod Satansbane schrieb mir noch viele interessante Sachen (wird mir noch viele interessante Sachen schreiben?). Nur mal ein paar Stichwörter, die alle in der einen oder anderen Form mit Open Data zu tun haben: Datenverantwortlichkeit, atemporale Datenbanken, semantisch optimierte User Interfaces, Suchmaschinen-KI, de-/regulierende Netzwerke, Krise des Nationalstaats, et cetera, et cetera.

Der Platz reicht nicht um das alles zu besprechen. Festhalten will ich daher nur: Open Data, vor allem Open Government Data, ist eine fruchtbare und sinnvolle Entwicklung, allerdings müssen wir uns gemeinschaftlich noch sehr, sehr viele Gedanken über die Praxis (und Theorie) machen. Sogar pessimistische und destruktive Meinungen sind in diesem Fall ausnahmsweise bereits in der Brainstorming Phase sinnvoll, denn die Handhabe muss solchen Attacken standhalten können. Und das am besten schon in der Konzeptionierung, um Missbrauch und Kontraproduktivität zu vermeiden.

Vielleicht sehen wir uns beim twentytwenty und ich kann euch noch mehr aus der Email von Praisegod Satansbane erzählen.

Frivole Verabschiedung.

Nuri "werwolf" Nurbachsch

[0] Völlig ungebeten und auch mit dem entsprechenden Mangel an Respekt werfe ich daher diese Zeilen in den Ring des öffentlichen Aufrufs zur neuerlichen twentytwenty Blogparade. Ach, ich mach doch nur Scherze. In Wirklichkeit ist das mein verzweifelter Versuch ernst genommen und eventuell sogar zur Partizipation an der Diskussion geladen zu werden. *daumengedrückthalt*

[1] Richtig, ich krieg keine Leserbriefe. Oder Leser-Emails. Oder Leserkommentare. Eine überschaubare Menge an Leser-likes. Praisegod Satansbanes Email musste ich erfinden. Und woran liegt das wohl? Klar, eventuell an der geringen Popularität dieser Kolumne, aber dieser (möglichen) Realität verschliesse ich mich. Stattdessen suche ich die Ursache viel lieber in Eurer unendlichen Faulheit und Interaktionsverweigerung! Pfui! Buh! Schreibt mir doch endlich was nettes/gemeines/schönes/schirches, ihr Schweinepriester!

[2] Wobei er/sie eigentlich vom "Neu-Christlichen Deutsch-Österreichischen Starkbund" und dessen Konflikt mit dem "Progressiven Keynes-Jacob Johansen-Malthus Netzwerk in Mitteleuropa" berichtet, aber diesen Teil der Email behandle ich hier nicht.

[3] Die logische Zirkularität, die daraus entsteht – Analyse einer Nachricht, die erst geschrieben werden muss und deren Autor aller Wahrscheinlichkeit nach Zugriff auf diese Analyse haben wird, die ich hier verfasse – ist mir bewusst, vielen Dank. Spielt einfach mit, ok? Bruce Sterling hat sogar einen ganzen Vortrag gehalten, als ob er ein Besucher aus der Zukunft wäre. Da werde ich doch wohl noch Auszüge aus einem fiktiven Schrieb aus der Zukunft benutzen dürfen, oder?

[4] Ich geh hier stillschweigend davon aus, dass alle Menschen vernunftbegabt sind. Leider muss ich hier auch den bewussten Trugschluss machen, dass irgendwann die Menschheit diese Vernunftbegabung auch mit Mass und Ziel einsetzen wird. Ja, ich weiss, mich beutelt’s auch vor Lachen. (Und Weinen. Zugleich.)

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