twenty.twenty steht mal wieder an. Ein exzellenter Grund um assbiting toiletpaper abzustauben und bei der Blogparade mitzumachen. Thema: "Social Information Management".
Während ich diese Zeilen schreibe liegt nicht weit weg von mir ein Exemplar von James Gleicks "The Information". In einem recht hohen Stapel anderer Bücher. Dieser Stapel ist mein "read soon" Vorrat. Jetzt in diesem Moment ärgere ich mich, dass ich das Buch nicht schon gelesen habe. Hätte mir sicher guten Input für dieses posting gegeben. Wie ich Gleick einschätze wird er die Rolle von Information in beinahe mythische Ebenen heben. Das hab ich allerdings nicht vor. Daher back to square one und eine Frage mit einer Vielzahl unangenehm komplexer Antworten: Was ist Information?
f(Information)
Dazu gibt’s tausend Theorien und tausend mal mehr Meinungen. Persönlich halte ich es eher mit Claude Shannon und betrachte eigentlich alles als Information, unabhängig von Inhalt oder Bedeutung. Bedingt brauchbar wenn man sich mit "Social Information Management" im Jahr 2020 auseinandersetzen will. Also benutzen wir eine andere Definition, mit der ich auch gerne arbeite: für Menschen bedeutungsvolle Information [1], unabhängig von Kontext (was wohl auch Übertragbarkeit impliziert) [2].
So gesehen scheint es, als ob sich die meisten Menschen über Information beschweren. Von (gefühlt) allen Seiten schallen Klagerufe über die "unbewältigbare Informationsflut", "unüberschaubare Informationsexplosion" oder "unnützes Inselwissen". Sehr defizitär, finde ich. 9 Jahre in die Zukunft gedacht fallen mir dazu folgende Stichworte ein: Linked Data, Atemporalität, verbesserte Semantik und Semiotik, kooperatives Wissen und Informationsökonomie.
Zwei Wege, Teil 1
Im Jahr 2020 benutzen die Menschen, so hoffe ich, effizientere Werkzeuge um mit der Menge an verfügbaren Informationen umzugehen. Zwei Trends sind bereits jetzt sichtbar. Auf der technologischen Seite ist das die unterstützende künstliche Intelligenz.
Semantik und Semiotik
Bereist jetzt mühen sich Coder, Hacker, Designer, Entwickler aller Gangarten ab um diversesten Systemen mehr "Menschlichkeit" beizubringen. Das ist keine leichte Aufgabe. Wie soll ein Programm entscheiden können, was für mich relevant ist und was nicht? Schlaue Köpfe setzen sich daher damit auseinander, wo Bedeutung für Menschen anfängt, wie sie in Sprache oder anderen digitalisierbaren Inhalten enthalten ist und, vor allem, wie ein Programm lernen kann diese Bedeutung zu erkennen. Dann muss das nur noch jemand coden. % Leichteste Angelegenheit von überhaupt. %
Linked Data und Atemporalität
Diesen Bemühungen kommen zwei weitere Entwicklungen entgegen: unmanipulierte, verbundene Daten und eine Datensphäre mit mehr Koordinaten [3]. Je mehr unmanipulierte Daten verfügbar sind und aus je mehr Vektoren diese Daten kommen, desto mehr Informationen können desto besser (sprich: empfängerrelevant) verarbeitet werden. Um mich an Sterling anzulehnen: Wenn geographische Datenbanken offen sind und die Weinflasche, die ich vom Wein-Importeur kaufen will, eine Datengeschichte hat, tja, dann muss ich nicht umständlich recherchieren, dann kann mir mein Smartphone mit einem Scan (des QR-Codes oder so) gleich sagen, dass ich diesen Wein nicht mag, weil ich abergläubisch bin und nichts esse oder trinke, in das der Blitz eingeschlagen hat. Und auf dem Weinfeld des Herstellers hat kurz vor dieser Ernte der Blitz eingeschlagen. [4]
Zwei Wege, Teil 2
Schön und gut, aber was bringt mir das in meiner Interaktion mit anderen Menschen? Optimale Überleitung zu Trend Nummer 2: Der soziale Filter.
Nun, den gab es eigentlich immer schon. Meine Umgebung beeinflusst meinen Input zu einem hohen Grad, egal ob ich das will oder nicht. So ist das nun mal, Freunde. Wir sind Herdentiere. Get over it. Allerdings erfährt der soziale Filter Dank moderner Kommunikationstechnologien einerseits eine Ausdehnung der Grenzen, andererseits auch eine Verstärkung.
Mehr ist nicht gleich zu viel
Mein Netzwerk beschränkt sich nicht mehr nur auf meinen Wohnort. Meine Umgebung kann (fast) die ganze Welt sein, wenn ich es möchte. Das heisst aber auch, dass aus der ganzen Welt Informationen auf mich einströmen. Übel, übel. Aha! Not so, good people!
Denn, wie schon gesagt, es verstärken sich auch die Filterfunktion meiner sozialen Interaktionen. Zwar werde ich weiterhin Sachen posten und tweeten und droppen, die ausser mir niemanden interessieren, aber nur dort wo Interaktion entsteht, wo mein soziales Netzwerk mein Bits und Bytes liked oder +1-ed oder kommentiert, nur dort entsteht auch ein fortführender Prozess. Im Jahr 2020 kann ich dabei schon so fluent mit meiner Technologie umgehen, dass meine sozialen Interaktionen dieser Art zunehmen und die Informationen für mich dadurch zusehends relevanter werden.
Zwei Wege werden zu einem Weg
Führt man also Trend 1 und Trend 2 zusammen – und hier nehme ich zumindest mal an, dass es in 9 Jahren zu weiterer Annäherung kommt – dann sieht man schon, dass "Social Information Management" ein Klacks wird… äh, werden kann… öhm, werden könnte.
Ich kann mich 2020 auf mein soziales Netzwerk konzentrieren, während hilfreiche künstliche (Proto-)Intelligenzen dessen Output für mich verdaulich macht. Zwischenmenschliches muss nicht von Information erschlagen werden, auch muss ich mich davon nicht abwenden. Stattdessen kann ich Werkzeuge benutzen, die es mir erlauben eine tiefgehendere oder wenigstens für mich relevantere Art der Kommunikation zu anderen Menschen aufzubauen. Den schwarzmalerischen Unkenrufen über die Verrohung des Menschen durch Internet und Social Media kann ich nicht das geringste abgewinnen. Auch sehe ich keine zunehmende Komplexität, nur zunehmende Mengen. Und damit kann man umgehen.
Wieder mal konnte ich nur an der Oberfläche kratzen und im konzeptionalen Raum spazieren, wie ich es so oft tue. Zu diesem Thema müsste ich etliche (Web)Seiten füllen um auch nur ansatzweise meine Gedanken niederschreiben zu können. % Das liegt an der Informationsflut, mit der komm ich nicht klar. %
Nuri "werwolf" Nurbachsch
[1] Oh, ich könnte jetzt ganz ich selbst sein und gleich mal fragen was denn die Menschheit schon an "bedeutungsvollem" hervorgebracht haben soll?! Hehehe… hehe… he… aber dann schau mich mir meine Tonnen an Musik und Comics und Büchern und Filmen an und kann mich nur selbst verarschen…
[2] Bedeutung ist hier als Interpretation in Relation zu sehen und um eine Relation herstellen zu können muss ja irgendeine Art von Übertragung existieren, oder nicht?
[3] Das ist keine vollständige Definition von Atemporalität, eher ein Teilaspekt eines Symptoms von Atemporalität. Das Konzept ist, meiner Meinung nach, zur Zeit noch sehr schwer in gut verständliche Worte zu fassen. Für mich jedenfalls. Sterling und Gibson sehen das sicher anders.
[4] Sagt mir mein Smartphone. Aber vertrau ich meinem Smartphone? In letzter Zeit hat es immer wieder versucht mir Sachen einzureden, die eigentlich gar nicht wollte.