Wenn ich mir vorsätzlich einige Tage frei nehme um diese dann so gut wie ausschliesslich im Kino zu verbringen, dann kann das nur eines heissen: /slash Filmfestival! Ein Nachbericht.
Eine Woche nach Ende des /slash Filmfestival komm ich daher. Warum erst so spät? Eigentlich hätte es fast noch viel länger gedauert, doch ich liess vom Irrsinn [1] ab, besann mich eines Besseren und schrieb dies hier – einen all-in-one Lobgesang. 10 Tage verbrachte ich im Filmcasino und bereue keine Sekunde.
Schmetterling(smonster) im (aufgeschlitzten) Bauch
Bereits zum dritten Mal fand das /slash Filmfestival in Wien statt. Das grossartigste Filmfestival, bei dem ich je war. Ich war noch nicht bei vielen Filmfestivals, muss ich gestehen, aber kann mir einfach nicht vorstellen, wie man das wohlige Gefühl, das ich bei jedem /slash habe, toppen kann. Geht nicht. Kann gar nicht gehen. Ein bunter Haufen – vom Weirdo bis zum Normalo – trifft sich hier jährlich, friedlich, zu gutem Film in familiärem Rahmen. Dann wird gemeinsam für eine Zeit lang gejubelt, erschrocken, nachgedacht, gefachsimpelt und geträumt, bis man nach Hause gehen muss. Egal wie widerlich gutmenschig sich das liest, Tatsache bleibt, dass ich so meinen Spass viel mehr geniessen kann, als mit den Ellbogen und verächtlichen Schnaufern hipsteriger vermeintlicher Filmkenner bei, oh, eben bei anderen Filmfestivals. [2] Fuck, I’m in love with /slash!
Gute Investition
Diesmal gab es im Vorfeld ausserdem eine crowdfunding Aktion für’s /slash. Da hab ich selbstverständlich mitgemacht. Was mir das Festival noch schöner gestaltet hat, denn immerhin konnte ich voller Stolz behaupten zumindest eine Kleinigkeit dazu beigetragen zu haben, dass es dieses Filmfestival in der von mir erlebten Form überhaupt geben konnte. Hey, das mag kleinlich sein, jeder Ticketkäufer hat schliesslich auch was beigetragen – ein "Bravo!" an dieser Stelle an die /slasher und /slasherinnen – aber das hat "mein /slash" noch mehr zu "meinem /slash" gemacht. Geb ich ganz unverfroren zu.
Rote Augen
Von meinem so erworbenen Festivalpass hab ich auch unverschämt Gebrauch gemacht und mir fast alle Filme reingezogen. Ultrakurzer Überblick über alles von mir gesehene, in chronologischer Reihenfolge:
20. + 21. September, Opening
Eröffnungsfilm: Escape. Kurzatmiges Kinderabenteuer in wunderschönen Landschaftsbildern. Bonus: Kristian "Gaahl" Espedal als bogenschiessender, schweigsamer Räuber. Am Tag darauf Untote am Fliessband. Laut über blöde Witze bei A Little Bit Zombie gelacht, bei Cockneys vs. Zombies gut geschmunzelt, in Stitches einen Rohdiamanten erkannt [3] und im japanischen, gore trash double feature von Zombie Ass: Toilet Of Dead und Dead Sushi Tränen der Freude vergossen. Perfekter Start.
22. September
Leicht gerührt von Comic-Con: Episode IV – A Fan’s Hope Doku, innerlich tief verbeugt vor Takashi Miike und seiner genialen Videospielverfilmung Ace Attorney, unhaltbare Lachschreikrämpfe beim 80ies-Crackhead-Gangster-Dancebattle-Freakout The FP, im double feature dann fast perfekte britische Hinterland-degeneration bei Inbred und nicht konsequent genug durchgeführter Eso-Slasher bei Rites Of Spring. Kein bisschen Dampf verloren.
23. September
Children Who Chase Lost Voices From Deep Below reicht nicht um in Miyazakis Fussstapfen zu treten, Peaches Christ präsentiert lustvolle Grindhouse-Hommage mit All About Evil und Nightbreed: The Cabal Cut bringt uns näher an Clive Barkers ursprünglicher Vision des Kultfilms. Grandioser Wochenendabschuss.
24. September
Tim & Eric’s Billion Dollar Movie ist Spitzenkandidat der Kategorie "absurder mach-was-du-willst Marathon", beeindruckend andersartiges coming-of-age Psychodrama bei Excision und feinst bösartiger Humor unter der Regie und aus der Feder von Bobcat Goldthwait in God Bless America. Bravouröser Wochenbeginn.
25. September, Halbzeit
First Blood + Home Alone = The Aggression Scale, gute Twists aber üble message-within-the-message-within-the-message-within-the-message bei The Tall Man und zum Abschluss solider Psychothriller mit Replicas. Erste Hälfte um, /slash führt haushoch.
26. September
Der einzig wirklich schlechte Film heisst Girls Against Boys, gefolgt vom vielleicht besten Film in Form des Serial-Killer-Psychostudie-Shocker Chained und unterhaltsam oberflächlichem (ignore the plot holes, please) torture porn ultra-light namens Redd Inc.. Gut ausbalanciert.
27. September
Hypnotischer ESP-Sci-Fi Retro-Drogentrip via Beyond The Black Rainbow, Twixt hinterlässt trotz (wegen?) Autor/Regisseur Francis Ford Coppola keinen Eindruck und bei White: Melody Of Death versagt der Verleiher und es fehlen die Untertitel. Klitzekleiner Rückschlag. [4]
28. September
Beginnt mit makelloser 3D WuXia Action-Fantasy Flying Swords Of Dragon Gate, überrascht mit Prohibitions-Ära Kleingangsterfamiliendrama Lawless und… den Rest hab ich leider verpasst… Asche über mein Haupt…
29. + 30. September, Finale
Nicht sicher, was ich von The Squad halten soll (aber er war nicht schlecht), Augenkrebs und zu viele vergeudetet Ideen in der 08/15 found footage Anthologie V/H/S, furchterregende Kinder bei Citadel, das Superteam Troma und Astron-6 basteln endgeilen Super-Trash Father’s Day, wogegen Dear God No! ein wenig abstinkt. Zum Schluss noch ein Zuckerl für crowdfunder beim Secret Society Screening des ersten Teils der Steampunk WuXia Comedy Tai Chi Zero. Als Abrundung haunted house Grusel The Pact. Zufriedengestellt geh ich schlafen.
Gefühle und so’n Zeugs
Nach all diesen Stunden an Kino, bezieht sich das Fazit gar nicht auf das Programm. Klar, Markus Keuschnigg und sein Team machen jedes Jahr einen unfassbar guten Job und ziehen ein famoses line-up der unterschiedlichsten Filme an Land. Dabei greifen sie vielleicht ein, höchstens zweimal ins Klo, was noch viel erstaunlicher ist. Aber wirklich gut, so wirklich richtig gut, ist das Gefühl beim /slash zu sein. Jede Menge freudestrahlender Gesichter, gute Laune, spontane Nerd-Gespräche mit fremden Menschen. Das /slash ist eine kleiner Hafen für Freunde des fantastischen Films. Es zaubert mir immer wieder Enthusiasmus in meine Augen, wenn ich davon erzähle. Oder schreibe. Und das ist auch meine Rechtfertigung hierfür, obwohl es (in Internetzeit) schon soooo lange her ist. Das hier ist nicht für Dich. Du musst schon selber hingehen, aber Du wirst es kein bisschen bereuen, glaub mir. Nein, nicht für Dich, sondern nur für mich. Damit ich das /slash-Glücksgefühl nochmal erleben kann.
Freu mich schon auf /slashing europe und /slash 2013.
Wir sehen uns im Kino.
Nuri "werwolf" Nurbachsch
[1] Ursprünglich dachte ich daran tägliche Kritiken abzugeben. Das hätte mir aber den Spass ein wenig genommen, also verfiel der Plan wieder. Dann wollte ich eine Nachberichtsserie machen, jeden gesehenen Film einzeln unter die Lupe nehmen. Ich erinnerte mich jedoch an die Transhumanismus Serie, die seit über einem Jahr auf meinem Laptop herumwurschtelt und nicht fertig werden will. Lieber nicht…
[2] Nix gegen die Vien…, ähm, andere Filmfestivals. Die sind schon fein. Aber die machen nicht mal einen geringen Bruchteil so viel Freude wie das /slash. Fakt.
[3] Ross Noble als von den Toten wiederauferstandener Killerclown. Inklusive Slapstick, Wortspielerei, viel Gore und fabulöser Mythologie. Instant classic! Das MUSS zur Serie werden!
[4] Ein etwas grösserer Rückschlag für Mitorganisatorin Magdalena Pichler: Der Film war einer ihrer persönlichen Highlights, auf den sie sich besonders gefreut hatte. Schade.