Auch vier Jahre nach ihrem Debüt leidet Selah Sue noch an chronischer Traurigkeit. Was macht man da bloß? Abschleifen und einmal kurz mit Pop-Politur drübergehen.
Die Belgier sind kein besonders vertrauenswürdiges Volk – an einem Tag geben sie uns Bier und Schokolade, und am nächsten Tag haben wir Milow am Hals. Manchmal jedoch, da meinen sie es recht gut mit uns. So geschehen im Fall von Selah Sue. Ihr Werdegang ist schon mal der Stoff, aus dem Singer-Songwriter-Träume gemacht werden: Als Kind noch Tanzunterricht genommen, später im Teenager-Alter die Liebe zur Gitarre entdeckt.
Easy Breezy Belpop
Boom, Plattenvertrag. Eine Frohnatur war sie wohl noch nie, schlug schon 2011 auf dem Erstling eher melancholischere Töne an und erntete dafür tosenden Applaus von Europas Frankophonen. Geheilt hat sie der Erfolg aber noch lange nicht. Selah ist auch auf "Reason" noch damit beschäftigt, ihre Wunden zu lecken – in Form von easy breezy Belpop. Manchmal mehr, manchmal weniger aufregend.
Dass große, soulige Stimmen auch aus zierlichen weißen Wesen kommen können, haben in den letzten Jahren vor allem Kolleginnen wie Gabriella Cilmi oder Paloma Faith bewiesen – an beide denkt man übrigens wiederholt beim Durchhören – dennoch ist man kurz überrascht über die verrauchten Töne, die diesem filigranen Mädel mit der Anmut einer JLaw entspringen.
Da geht noch was
Die Schroffheit vom Debüt wird größtenteils abgelegt, hier bewegt man sich auf weitaus glatterem, polierterem und nicht zuletzt poppigerem Boden. Nicht ganz unschuldig daran sind die Komplizen – Childish Gambino hatte zuletzt schon auf dem Ariana Grande-Album einen Gastauftritt, die beteiligten Produzenten haben sich bereits an Haim, Massive Attack oder Kylie Minogue ausgetobt.
In Kombination mit den durchwegs schwermütigen Lyrics kann das für einige gute Momente sorgen – wie im Opener "Alone". Der wurde gerechterweise zur Leadsingle erkoren und klingt eigentlich mehr britisch als belgisch. Ist dies vielleicht die Zeit für Belgien, um als neues Pop-Land in Erscheinung zu treten? "Sadness" erinnert in all seiner Motown-Pracht gar an "Love Is A Losing Game" von Amy Winehouse. Letztendlich wird man den Verdacht aber nicht los, dass Selah Sue uns die volle Zerstörungskraft ihrer belgischen Waffen bis jetzt noch vorenthält. Hütet euch – Future Queen of Belpop coming through. Da geht noch was.
Selah Sues neues Album "Reason" erschien am 27. März 2015 über das Label Because Music.