Bitte, bitte, bitte …

Der Keramikprinz und der Bettelknabe und dazwischen eine Wand aus Karton. Politik als Theater und wir verstehen eh nur Bahnhof! Was ein Bettelautomat ist, hat jedenfalls Julia Melcher erkundet.

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Es ist jetzt schon zwei Wochen her, dass im Grazer Landtag das Bettelverbot beschlossen wurde. Die Zeit verfliegt. Zumindest hat das den Anschein für alle, die im Warmen sitzen und genug zu Essen haben. Die Zeit kann einem allerdings ganz schön lang werden, wenn man sich solidarisch mit den Bettlern auf die Straße kniet, um gegen populistische Politiker-Beschlüsse zu demonstrieren. Eisern beißt sich da die Kälte in die Knochen und der Zeiger auf der Uhr scheint fest zu frieren am Ziffernblatt. Dagegen will Siegfried Nagl, unser ÖVP-Bürgermeister nun entschieden vorgehen, weil so viel Leid kann er sich nicht mehr mit ansehen.

Automatik

Muss eigentlich auch niemand mehr, seit man im Theater im Bahnhof den Bettelautomaten bestellen kann. Wenn einen das Mitleid zu sehr drückt, dann stelle man einfach einen Pappkarton über die bedauernswerte Kreatur und werfe die Almosen durch einen Schlitz ein. So bleibt die Armut wenigstens anonym! Da kann das christlich blutende Herz, geschunden einer Stabat Mater gleich, dann auch wieder aufatmen. Heutzutage muss doch schließlich niemand mehr ein Märtyrer sein.

Erfunden hat das Automaten-Teil Helmut Walter Köpping, ein findiger Bursche. Er weiß, wie man die schöne Stadt von ihren Schandflecken befreit! Und zum Testlauf wurde mitten in der Herrengasse bereits eingeladen.

Wie es sich kniet unter der Schachtel? "Naja, vom Tegerl halten bekommt man mit der Zeit schon Fingerweh," meint Thomas Frank vom Schauspielhaus Graz. Das hat Earl Silas Tupper wohl nicht bedacht, als sie rechteckige Plastikdosen produzierte, für die Hausfrau, die genug Essen zum Einfrieren hat (muss eh nur gut ausschaun auf der Tupperparty, damit die Nachbarin neidisch wird…).

Haushaltsware stellt auch das Geschäft her, vor dessen Entrée die feierliche Produktvorstellung des Bettelautomats stattfand. "Wir bedanken uns herzlich bei der Firma Klammerth, dass wir vor ihrem Schaufenster stehen dürfen," verkündet Pia Hierzegger via Mikrofon und bestaunt gemeinsam mit dem Publikum in der Auslage, was bei Sissi Potzinger, Nagl und Co für edles Porzellan den Sonntagstisch ziert. Ob die jetzt den Klingelkorb in der Kirche auch verbieten wollen, so als wahre Christenmenschen? Der Testlauf mit dem Bettelautomaten zeigt jedenfalls, dass es sich leichter spendet, wenn man das Gesicht nicht sieht, dem man das Kleingeld ins Tegerl wirft. Für Sachspenden läßt sich auch notfalls ein kleines Loch bohren, aber kein zu großes, sonst zieht der Wind wieder rein, in den Automaten. Was für die einen ein Sichtschutz, für die anderen ein Windschutz. Und was mit den Einnahmen der Aktion passiert? "Hochglanzbroschüren über die Menschenrechtsstadt Graz sollen damit gedruckt werden!"

Grün und Schwarz

Die Grüne Vizebürgermeisterin Lisa Rücker zeigt sich weniger amused. Die Opposition gedenkt die Entscheidung zum Bettelverbot beim OGH anzufechten. Es sei gegen die Verfassung. Noch dazu verbessere es die Lage der Roma nicht, um die es bei dem Bettelverbot ja eigentlich geht. Nagl schiebt seine Besorgtheit über die Armut dieser Menschen als Rechtfertigung für seinen politischen Kurs vor. Laut Rücker eine leere Argumentation. Sie sei selbst dort gewesen und habe gesehen, dass die Leute keine andere Alternative haben, um zu überleben. Wenn wir ihnen das Betteln hier in Österreich verbieten, bleibt ihnen nichts mehr. Die Armut bekämpfe man nicht, indem man diese Menschen von hier vertreibt, meint Rücker. Sie wehrt sich auch gegen den Begriff des "organisierten Bettelns", wegen der Assoziation zur organisierten Kriminalität. Wenn die Leute Fahrgemeinschaften gründen, um hier her zu kommen, könne man nicht von einer Mafia sprechen.

Und was meint Siegfried Nagl, der Bürgermeister unserer schönen Murmetropole, dazu? "Wenn sich jeder vom Staat bedient, ist bald kein Staat mehr da". Da hat er recht. Vom Staat kann man sich selbst ohnehin nicht bedienen. Höchstens am. Wir würden uns aber eh lieber bedienen lassen. Vom Staat. Zum Nachdenken soll der Wahlslogan anregen. Ja eh. Darüber, warum der Nagl solche Probleme mit der deutschen Grammatik hat.

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