Mit ihrem zweiten Album »Gossamer« legen Passion Pit ihren flauschigen Saccharin-Pop noch überlebensgrößer an. Die Themen sind indes dunkler geworden.
Als vor drei Jahren das Album »Manners« erschien, fiel es leicht zu überhören, dass es sich um einen Mann mit einem troubled mind handelte, der sich da die Seele so euphorisierend aus dem Leib quietschte und zu Hymnen des Zuckerschocks transformierte, die nur dafür erdacht schienen, um Reklame für Deodorants, Mobiltelefone und alles andere zu vertonen. Die Musik der Bostoner Band Passion Pit war auf ihrem Debüt ein Dokument des Überschwangs, eine in allen Pink- und Neon-Türkis-Tönen blitzende Licht-Orgel, die gut verschleiern konnte, dass in Sänger und Mastermind Michael Angelakelos in nicht wenigen Stunden die Trübsal spukt. Auf »Gossamer«, dem zweiten Album von Passion Pit, geht es nun textlich unter anderem um folgende Dinge: Drogen, Alkohol, Geisteskrankheit, Gewalt, Selbstmord. Vom üblichen Liebelei-Herzschmerz nicht zu sprechen. Angelakelos sieht »Gossamer« als das große Selbstreinigungs-Album, das die eigene biografische Misere »verarbeitet«.
Materialschlacht im Vergnügungspark
Um diesen massiven Dienst an sich selbst zu bewerkstelligen, hat er sich mit dem Major Columbia im Rücken und wohl von Brian-Wilson-haftem Größenwahn beflügelt einen Vergnügungspark von einem Studio eingerichtet, der gerätetechnisch und hinsichtlich munter leuchtender Apparate Neverland und die Daft-Punk-Pyramide in den Schatten stellt. Das wunderbare A-cappella-Trio Erato aus Schweden hat man eingeflogen, die Streicher hat zum Teil Nico Muhly arrangiert, der solch illustre Namen wie Björk, Grizzly Bear oder, ja, Philip Glass in der Biografie führt. Das Ergebnis ist eine großartig überfrachtete Materialschlacht im Koordinatensystem von synthetischer Psychedelik, Disco-Pop, R’n’B und gar funky eierndem Glitch-Hop. Hinter all der schönen Sound-Marmelade stehen immer auch richtige, echte und gute Songs. Nicht selten aber geht mit Erreichen des höchstmöglichen Mitgröhl- und Ohrwurm-Faktors das Risiko eines gehörigen Nervpotenzials einher.
Passion Pit – "Gossamer" ist bereits via Columbia erschienen.