Black Metal für den Strand

Deafheaven zerrt den Black Metal ans Tageslicht. In einem perfekten Fluss aus chaotischen und ruhigen Momenten erreicht "Sunbather" sogar diejenigen, die mit harter Musik sonst nur wenig anfangen können.

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Der Blick auf das Cover von "Sunbather" trügt. Der verwaschene Farbverlauf im Grapefruitrot, die symmetrisch angeordnete Typographie, sogar der Titel vermittelt eine bestimmte Erwartungshaltung. Sonne, Strand, Wellengang. Der warme Grundton säuselt Chillwave, doch bereits die ersten Sekunden bereiten der Träumerei ein Ende. Deafheaven stellen bewusst Erwartungen auf den Kopf. Das gilt für ihr Artwork, noch viel mehr aber für ihre Auffassung von Black Metal.

Bereits die ersten Sekunden des Eröffnungsstücks "Dream House" fahren ordentlich ins Rückenmark. Überfallsartig donnert die Double-Bass, das Gekreische von George Clarke kriecht die Magengrube hoch. Es dauert fünf Minuten bis die Anspannung nachlässt. Das Album öffnet sich und atmet erstmals Weite. Was danach folgt ist pure Euphorie. Black Metal geht über in Post-Rock. Shoegaze, Ambient und ein Anflug von Pop fließen wie selbstverständlich ineinander. Deafheaven versteht es wie kaum sonst jemand groß angelegte Kompositionen jenseits der zehn Minutengrenze spannend zu halten.

Hipster Black Metal

Diese Kühnheit hat der Band auch Kritik eingebracht. Die konservative Black Metal-Ecke urteilt abwertend über den "Hipster Black Metal" der Kalifornier. Dabei stehen sie nicht alleine da. Bands wie Liturgy oder Wolves In The Throne Room verleihen dem träge gewordenen Genre neue Impulse. Diese sind nicht nur musikalischer Natur, auch inhaltlich lässt man von politischen Extrempositionen ab und rückt das Individuum ins Zentrum. Thematisch getragen wird "Sunbather" vom Streben nach Perfektion und deren Unerreichbarkeit. Rückschläge finden sich allerorts, im Umgang mit Familie, Freunden und dem Tod.

Die aus San Francisco stammende Post-Metal-Band konnte bereits mit dem Debüt "Roads To Judah" einen Achtungserfolg erzielen. Auch "Sunbather" besteht im Kern aus vier Mammutstücken, jeweils zwischen neun und vierzehn Minuten lang. Zusammengehalten wird das Album neuerdings von drei Zwischenspielen. Vieles darin setzt sich aus für den Post-Rock so typischen Aufnahmen von Gesprächsfetzen, repetitiven Klavierakkorden und atmosphärischem Hintergrundrauschen zusammen. Obwohl prinzipiell alleinstehende Fragmente, entfalten sie ihre volle Wirkung erst im Kontext mit den Hauptstücken. Die teilweise erdrückende Intensität wird so entschärft, was dem Hörfluss zugute kommt und dem Album Tiefe verleit.

Gerade weil sich die Musik von Deafheaven immer wieder entlang von Grenzen bewegt, ist die Dramaturgie so essentiell für das Funktionieren des Albums. Entgegen einer ständigen Penetranz erreicht die Band immer wieder rettende Inseln der Ruhe. Das gefiel auch der Kritik, die das Album überschwänglich lobte. So bleibt "Sunbather" als eines dieser raren Metal-Alben in Erinnerung, die nicht zwingend eine Schwäche für harte Musik voraussetzen. Denn trotz seiner radikalen Konsequenz bietet es einen erstaunlich breiten Zugang. Auf der nächsten Chillwave-Party ist man damit aber trotzdem fehl am Platz.

"Sunbather" von Deafheaven erscheint am 5. Juli via Deathwish.

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