Weinende Männer in den Alpen – das kann nur indisches Kino. Nun kommt der erste Austro-Bollywoodkinofilm »Servus Liebe« von Sandeep Kumar in unsere Kinos. Für jene, die sich langsam an das Genre herantasten möchten.
Seit 2002 ist das Bollywood-Genre nach Europa übergeschwappt. Dort werden drei Mal so viele Filme wie in Hollywood gedreht, es war vorhersehbar. Es gab ein leichtes Hoch für den Film aus dem »Land der heiligen Kühe«. Bollywoodfilme sind in Videotheken keine Seltenheit, man besucht Bollywooddance- oder Yoga-Kurse. Letztes Jahr fanden noch Bollywood-Clubbings in Wien statt. Mittlerweile gehören Ayurveda, indische Küche und Yoga genauso in unseren Alltag wie das indische Kino. Trotzdem steckt die Popularität von Bollywood bei uns – im Vergleich zu Deutschland oder der Schweiz – in den Kinderschuhen.
Flaute des Bollywood-Booms in Österreich
Es scheint auch so, als ob der kleine Hype um die bunten Bilder in den letzten Jahren etwas abgeflaut ist. Dabei knüpft die Grundidee von Bollywood an alte österreichische Traditionen. Er ist mit dem Heimatfilm der 1950er Jahre vergleichbar, der von romantischen Geschichten und einem Happy End geprägt war, um den Krieg zu vergessen und zu einer nationalen Identität zurück zu finden. Eine weitere wichtige Zutat im indischen Massenphänomen Kino ist die exotische Kulisse. Für Inder sind das unter anderem die Alpen. Besonders die Schweiz ist seit den 1990er Jahren ein begehrtes Tourismusziel. Zum einen verkörpern schneebedeckte Berge und die unendlichen Weiten der grünen Almen eine ungewohnte Fremde, zum anderen dienen sie als Ersatzdrehort für die Landschaft Kaschmirs. Wegen des Konflikts zwischen Indien und Pakistan sind dort Dreharbeiten meistens zu riskant.
Hauptverantwortlich für die Verwirklichung dieser Filme bei uns ist die Produktionsfirma »Cine Tirol«, die seit 16 Jahren mit den indischen Filmmetropolen kooperiert. Seit jeher konnten rund 60 Filme ihre Szenen in den Alpen realisieren. Auch die Dreharbeiten für »Servus Liebe« hatte »Cine Tirol« tatkräftig unterstützt und die Drehorte in Tirol umgesetzt. Trotz alldem stellt Bollywood in Österreich kein »high interest« dar.
Eskapismus meets Snoop Dogg
Bollywood will Emotionen wecken, seine Zuseher in Traumwelten führen, um ihr eigenes Leid vergessen zu lassen und von einem besseren Leben zu träumen. Das ist mit ein Grund dafür, warum Filme auf diese Art produziert werden – mit überschwänglicher Gestik und Mimik und mit Gesang und Tanz. Der Großteil der indischen Bevölkerung kann weder lesen noch schreiben, es wird in über hundert verschiedenen Sprachen kommuniziert. Viele indische Familien besitzen zwar keine Waschmaschine, dafür aber einen Fernseher.
Die Filmsprache ist einheitlich und kann wortlos Emotionen evozieren und Inhalte transportieren. Wir Europäer sprechen eine andere Filmsprache – eine harte, auf Realismus basierende. Die Tatsache, dass es Europäern im Durchschnitt besser geht, mag eine Ursache dafür sein, warum sich viele von diesem emotionalen »Kitsch« distanzieren und ihn belächeln.
Dass das indische Mainstream-Kino auch hohen künstlerischen Wert haben kann, bewiesen die Filme »Monsoon Wedding« oder »Lagaan«. Ersterer wurde für den Golden Globe nominiert und gewann den Goldenen Löwen bei der Biennale in Venedig als Bester Fremdsprachiger Film. »Mother India«, »Salaam Bombay!« und »Lagaan« wurden für den Oscar nominiert. Das Filmmuseum hat Bollywood bereits 2003 einen Schwerpunkt gewidmet. Aufsehen hat sicherlich Snoop Doggs Bekenntnis zu seiner Liebe zu Bollywood erregt. Sein Debüt in »Singh is Kinng«, für den er auch den Titel-Song schrieb, beweist, dass auch Bollywood cool sein kann.
»Servus Liebe«
»Servus Liebe« ist der erste Kinofilm von Sandeep Kumar, produziert von der Aichholzer Filmproduktion. Mit »Liebe ohne Grenzen« drehte Kumar bereits den ersten österreichisch-indischen TV-Spielfilm in Wien. In beiden Filmen führte er Regie und besetzte sich selbst in der Hauptrolle. Leider konnte »Servus Liebe« nicht mit den Filmen aus Indien mithalten. Nicht nur wurde der Zuseher visuell unterfordert (obwohl in Tirol gedreht), sondern es wurden auch wichtige Botschaften, die jeder Bollywood-Film vermittelt, ausgelassen.
Wer pompöse Tanzeinlagen erwartet, wird leider enttäuscht, wer diese nicht erwartet, wird nicht überfordert. Die hätten beispielsweise in der Sehnsucht nach Indien visualisiert werden können. Ein Thema, das immer und überall im indischen Kino präsent ist. Der Inder liebt seine Heimat, vermisst sie und verherrlicht sie. Eher würde er sterben, als seine Heimat nie wieder zu sehen oder ihr zu schaden (krasses Beispiel: »Dil Se«). Diese wichtige Komponente wurde schlicht weggelassen. Wenigstens weint er einmal der Liebe wegen. Positiv ist, dass – im Gegensatz zu vielen indischen Produktionen – in »Servus Liebe« die weibliche Figur die Heldin auf einer Mission ist (vergleichbar mit »Veer und Zaara«). Die arrangierte Ehe wird akzeptabel behandelt, dessen Folgen sogar mit realistischen, bewegenden Ereignissen versehen. Der Regisseur selbst nennt ihn einen »Liebesthriller«. Was daran Thriller sein soll, bleibt aber ein Rätsel.
Zu finden ist noch ein kleiner Hauch von »dramatischer« Action, schwülstige Aha-Momente, natürlich jede Menge angedeutetes kindliches Liebesspiel (so soll es sein!) und ein Happy-End. Kenner und Fans könnten tief enttäuscht sein vom mangelnden Witz, den fehlenden »Song-and-Dance«- Einlagen und von der Kürze des Films (in diesem Fall nicht schlimm).
Für alle anderen ist es ein 90-minütiger Anschnitt in eine Welt, in der die Liebe immer siegt, in gemütlicher Alpenkulisse mit Tante Gisela und dem netten, hilfsbereiten Pfarrer aus Mariazell, der alles zum Guten wendet. Und einer – auch für europäische Verhältnisse – bescheidenen Hochzeitsfeier. Ob »Servus Liebe« in den indischen Kinos gezeigt wird, darüber wird noch verhandelt.
»Servus Liebe« kommt am 13. Juni 2014 in unsere Kinos.