But The Song Remains The Same

“Celebration Day“. Der gleichnamige Konzertfilm der einzigen Show der Led Zeppelin-Reunion 2007 war nur an einem einzigen Tag weltweit in den Kinos. Guter Geschäftssinn oder ein Pakt mit dem Teufel? Der Film zeigt, wieso Led Zeppelin auch heute noch einer der großen Bands der Rockgeschichte sind. Die DVD gibts hinterher.

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In Zeiten der unbegrenzten Verfügbarkeit und des Wertverlusts aufgenommener Musik ist es mehr denn je der unwiederbringliche Moment, der das Magische und die Mythen des Pop hervorbringt. Nebenbei ist das persönliche Konzert-Erlebnis auch das Einzige, was sich in der Musikindustrie noch für viel Kohle verkaufen lässt. Exklusivität treibt Nachfrage und Preise noch weiter in die Höhe, wenn die Musik schon einfachst kopierbar ist. Die Mechanismen des Popmarkts haben Led Zeppelin schon immer verstanden. Nicht umsonst beginnt „Celebration Day“ mit TV-Ausschnitten über die Rekordzahlen ihrer US-Tour Anfang der 70er. Und so reiten sie die Cashcow nicht wie viele ihrer alternden Rock-Kollegen durch alle möglichen Provinzstädte, sondern belassen es bei einem einzigen Auftritt in der Londoner O2-Arena.

Rock und Oper – gemeinsam

20 Millionen Menschen ließen sich damals, 2007, für Eintrittskarten registrieren. Für die Unglücklichen, die im Losverfahren eine Niete gezogen haben, gibt es ab 16. November die Wiederverwertung auf DVD, Blue-Ray und CD. Vorher konnte man, wieder nur mit etwas Glück, mit einem Public Viewing des Films dem Konzerterlebnis wenigstens ein wenig näher kommen als auf der heimischen Couch. So seltsam es ist, wenn bei Songs wie „Rock’n’Roll“ und „Black Dog“ ein bisschen Fußwippen und Schenkeltrommeln die einzige Bewegung im Saal ist, das Screening von Live-Events wird für viele Kinos der finanziell sichere Weg in die digitale Zukunft sein. Steifes Herumzusitzen wie bei einer Opern-Übertragung ist da weniger kurios – dass man sich anzieht und fast so viel bezahlt, als hätte man einen Logenplatz in der New Yorker Met, dafür umso mehr. Ob Oper oder Rockkonzert, letztlich bezahlt man auch hier nicht für den Konzertmitschnitt, sondern für das Gemeinschaftserlebnis.

Lust-Laute

Der Surround-Sound im Kino ist natürlich auch nicht zu vernachlässigen. Beim bass-schwachen Mix von „Celebration Day“ allerdings kann man an der Kino-Anlage so viele Regler auf 11 drehen, wie man will. Das macht nur die Gitarre laut, aber extrem übersteuert, was selbst den eitelsten Gitarristen – also was selbst Jimmy Page nicht gefallen würde. Damals, am 10. Dezember 2007, war scheinbar alles zur Zufriedenheit von Page, Plant und Jones, sowie Jason Bonham, der für seinen Vater am Schlagzeug saß. Die Altvorderen hatten sichtlich Spaß daran wieder auf der Bühne zu stehen. Anfangs noch scheint es, als hätte Robert Plants Stimme etwas Rost angesetzt. Die hohen Klage- und Lust-Laute wollen nicht mehr so geschmeidig wie einst über die Lippen kommen. Irgendwann vergisst man, dass dort drei Herren um die 60 auf der Bühne stehen, als hätten Sie einen Pakt mit Aleister Crowleys Geist oder dem Teufel höchstpersönlich geschlossen und ihre Seelen gegen die ewige Jugend im Rock’n’Roll getauscht.


Die Les Paul, die doppelhalsige SG – in den Nebelschwaden von „No Quarter“ beschwört Jimmy Page aus magischen Artefakten sein früheres Ich. Bei all den grauen Haaren, Falten und Tränensäcken blitzt in seiner exaltierten Mimik gelegentlich die leichte Arroganz des Gitarrenvirtuoso und das spitzbübische Lächeln von damals auf. Während er in weit ausholenden Gesten seine Gitarre mit dem Bogen bearbeitet oder das Theremin dirigiert, vollführt Robert Plant seine charakteristischen, femininen Bewegungen, gerade wenn er den Kopf mit den immer noch goldenen Locken in den Nacken wirft.

In gewissem Sinn war John Paul Jones schon früher der Geist bei Led Zeppelin. Seine virtuose Bass- und Pianobegleitung sind seit jeher nahezu unsichtbar für den Fokus der Aufmerksamkeit. Leider gilt das auch für die von Regisseur Dick Carruthers dirigierten Kameras. Dabei liefert Jones so viel mehr als nur die Basis der Songs. Er hält sie zusammen, besonders dann, wenn sich Gesang und Gitarre nicht damit begnügen eine Melodie zu transportieren, sondern im Call und Response das Publikum nicht nur verstehen, sondern fühlen lassen, welcher Schmerz und welches Verlangen sie quälen. Diesen Blues verbinden Led Zeppelin mit der Durschlagkraft des Metal auch noch vierzig Jahre nachdem Keith Moon der Band den Absturz eines bleiernen Luftschiffs prophezeite. Was die Band davor bewahrte ist nicht Originalität im klassischen Sinn, sondern die Aneignung diverser stilisischer Einflüsse, neben Folk und Psychedelia besonders von schwarzer Musik wie Reggae. Inzwischen fühlt sich Robert Plant durch die Vorwürfe der Vergangenheit dazu verpflichtet die Blues-Vorbilder namentlich zu nennen.

Rotstich-Gegenwart

Ein paar Jahre sind eben doch vergangen seit den glorreichen Rocktagen der 70er. Wo damals nur Audio-Aufnahmen der Konzerte als Bootlegs im Umlauf waren, gibt es heute von der Reunion-Show unzählige Videos auf You Tube. Deswegen wirken die wackeligen und verschwommenen Hand-Kamera-Aufnahmen in „Celebration Day“ fehl am Platz – abgesehen davon, dass Led Zeppelin nie für eine Lo-Fi-Ästhetik standen. Der Rest des Materials schafft es, anders als der Stones-Live-Film „Shine A Light“ mit seiner Hochglanz-TV-Studio-Ästhetik, die Direktheit eines Live-Konzerts einzufangen und in einem dieser selbstvergessenen Momente Raum und Zeit nahezu vergessen zu machen. Dass man in einem weichen Kinosessel sitzt, es nicht 1972 und Led Zeppelin zu drei Teilen alt und zu einem Teil tot ist.

Paradoxerweise ist es der gewollte 70er-Jahre-Rotstich der Bilder, der einen wieder in die Gegenwart holt – zurück aus den Siebzigern und zurück aus 2007. Ein Bissen Nostalgie zu viel und plötzlich schmeckt es fahl, das Wiederaufgewärmte des Wiederaufgewärmten. Nicht aber die Musik selbst. The song remains the same.

"Celebration Day" erscheint am 16. November als CD + DVD, CD + Blu-Ray und ein paar tausend weiteren Formaten.

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