Das Wiener Trio Café Drechsler hat nach einer Abstinenz von zehn Jahren wieder zusammengefunden und platzt mit dem angemessen heißen Album »And Now … Boogie!« in den Hochsommer.
»Wir sind in erster Linie eine Liveband. Unser neuer Longplayer ist eine luxuriöse Visitkarte, die einen kleinen Ausschnitt unseres Spektrums zeigt«, erklärt Ulli Drechsler, der Saxofonist der Formation, und ergänzt heiter: »Ich spiele eigentlich erst seit unserer Wiedervereinigung wieder Saxofon. Ich habe mich in letzter Zeit vor allem auf die Bassklarinette konzentriert.«
Auch wenn sich die Band im Interview nicht selbst als Jazz-Formation bezeichnet, spielen die drei Musiker schon in einer klassischen Jazz-Besetzung – nämlich Saxofon, Bass und Schlagzeug. Café Drechsler klingen auf dem neuen Album »And Now … Boogie!“ frischer, ungezwungener und dadurch auch freier als je zu vor. Die Band nimmt auf dem neuen Longplayer Anleihen bei Hip-Hop, Drum & Bass und bringt dazwischen auch mal eine (Instrumental-)Ballade.
Bruch in der Nische
Begonnen hat alles im Jahr 2000 mit einem Gig im Café Europa, wo die Liveband quasi aus der Taufe gehoben wurde. »Wir haben anfangs in jedem Lokal gespielt, das uns haben wollte. Wir waren als akustische Liveband die wahre Antithese zur damals vorherrschenden elektronischen Musikkultur – und haben damit auch unsere eigene Nische geschaffen.« Café Drechsler haben sich über die Jahre einen Ruf erarbeitet und so kam es, dass sie 2005 für »Radio Snacks« den Amadeus Award für das beste Jazz/Blues/Folk-Album einheimsten. Im Folgejahr kam es aber zum Bruch, da die divergierenden Vorstellungen zur Entwicklung der Band nicht zu überwinden waren. Danach herrschte absolute Funkstille.
Es ist dem Kontrabassisten Oliver Steger zu verdanken, der nach zehn Jahren wieder den Kontakt zu Drechsler und Deutsch suchte, dass es zu einem Neustart kam. Bei den darauffolgenden Treffen fanden die drei Musiker wieder zueinander. »Wir legen Café Drechsler komplett neu auf. Wir probieren neue Möglichkeiten aus und schauen, was davon für uns gemeinsam passt«, erklärt Steger. Und Deutsch ergänzt: »Wir bringen unsere Erfahrungen und unseren Background ein, die sind ganz unterschiedlich. Deswegen haben wir für unseren Sound keine Definition. Wir sind einfach ein großes musikalisches Gemischtwarengeschäft.«
Live kaum zu bändigen
Die drei sympathischen Herren im mittleren Alter galten lange Zeit als die beste Live-Jazzband Wiens. Arbeitshypothese: Daran hat sich mit größter Wahrscheinlichkeit auch nach zehn Jahren nichts geändert. Und mal ganz ehrlich: Man muss kein Jazzfan sein, um den Live-Act Café Drechsler zu mögen. Das Wiener Trio gibt bei Konzerten dermaßen Gas, dass kein Auge trocken bleibt. Alex Deutsch am Schlagzeug steigert sich in seine Trommelei so hinein, dass es ein Vergnügen ist, ihm zuzuschauen. Ulli Drechsler entlockt dem Saxofon alles – von melodiösen Harmonien über heulende Töne bis hin zu staccatoartigen Rhythmuselementen. Und Oliver Steger als Ruhepol zupft vollkommen unbeirrt an seinem wuchtigen Kontrabass.
»Wir dehnen unsere Drei-Minuten-Nummern auf zehn Minuten aus, wenn wir merken, dass das Publikum ordentlich mitgeht und richtig auf unsere Musik reinkippt. Das ist die Dynamik, die Interaktion, die es nur bei Konzerten gibt«, erklärt Drechsler. Deswegen gab es anlässlich der Veröffentlichung auch gleich eine Mini-Tour durch Wien mit vier Konzerten. Und am 7. Juli sind Café Drechsler bei der Nova Jazz & Blues Night in Eisenstadt zu sehen.
Das neue Album »And Now … Boogie!« von Café Drechsler erscheint am 23. Juni 2017 bei Universal Music.