Wenn die Hilger Brotkunsthalle in Favoriten ihren fünften Geburtstag feiert und der Wiener Hauptbahnhof vorübergehend in Street Art eingehüllt wird, ist es höchste Zeit, dem Galeristen Ernst Hilger ein paar Fragen zu stellen.
Baustellen sind meist eher unschön anzusehen. Was also tun? Die Lösung heißt, und sie sollte es auch viel öfter, Street Art. Im Rahmen des zweiten "Cash, Cans & Candy"-Kunstsommers hat sich die Galerie Hilger Next mit einem Konzern zusammengetan, den man in der Kunst wohl eher nicht erwartet hätte: die ÖBB.
Im entstehenden Wiener Hauptbahnhof werden provisorische Wände platziert, die von den renommierten Künstlern The Stencil Network und Stinkfish zur farbenfrohen Street Art-Bühne umgestaltet werden. So wird der Bahnhof "schon ein Ort der Begegnung, noch bevor er vollständig eröffnet". Klingt doch wunderbar. Diese Kunstwerke kann man bis Ende Mai dort bewundern. Darüber hinaus gilt es, das fünfjährige Bestehen der Brotkunsthalle zu feiern. Ein perfekter Zeitpunkt also für ein Interview mit dem Mann hinter der Kunst: Ernst Hilger.
Die Eröffnung der Brotkunsthalle jährt sich heuer zum fünften Mal. Wenn Sie zurückblicken, was war dort ganz anders als gedacht? Und wurden die Erwartungen erfüllt, vielleicht sogar übertroffen?
Die Eröffnung der HilgerBROTKunsthalle war zuerst einmal ein Befreiungsschlag, ich wollte aus dem engen City-Bereich, wo sehr wenig Bereitschaft zur Zusammenarbeit und sehr viel Unwillen Neues zu akzeptieren mein Contemporary blockiert hatten, und an einem neuen spannenden Ort ohne Platzprobleme meine Visionen realisieren. Jetzt wo wir auch seit vorigem Jahr Hilger NEXT dazu eröffnet haben, weiß ich, dass diese Entscheidung richtig war. Inzwischen sind mehr als 10 Kunstinitiativen auf meine gefolgt, sowie durchwegs engagierte Kollegen/Innen mit denen es Spaß macht, ein Areal zu bespielen.
Das Areal um die Brotkunsthalle war einmal als eine Art Museums- und Kreativquartier für Favoriten gedacht. Wenn man da hinaus tingelt, scheint es immer noch schlecht an die Stadt und ihre Menschen angebunden. Falscher Eindruck?
Hier gibt es sicherlich noch einiges "under construction". Vor allem muss der Bezirk hier mehr eingebunden werden, um die an und für sich gute Anbindung sichtbarer zu machen – wir wünschen uns einen Shuttlebus vom Reumannplatz und bessere Ausschilderung. Aber da wird dieses Jahr viel passieren, immerhin hatten wir letztes Jahr fast 20.000 Besucher im Areal und knapp 9.000 in den Galerien.
Der Kunstmarkt hat die Krise ziemlich unbeschadet überstanden. Gehören Galeristen zu ihren Profiteuren? Oder ist das etwas zu kurz geschlossen?
Galerien, die große Namen und sogenannte "Bluechips" handeln – wir sehen das selbst bei unseren großen Namen – finden eine steigende Absatznachfrage. Für junge, neue und schwierige Kunst ist der Markt sicherlich durchwachsen, vielleicht sogar mehr als früher. Ich würde daher sagen, die Händler profitieren – die Galeristen müssen hart arbeiten.
Gibt es Pläne, die Galerie Hilger noch weiter zu vergrößern oder gar in andere Länder zu expandieren?
Die Expansion in Österreich ist soweit abgeschlossen, bis auf einen in den nächsten Jahren geplanten und schon genehmigten Stockausbau im 10. Bezirk. Jetzt gehen wir massiv nach New York und werden dort noch heuer eine Filiale eröffnen. Auch die Verhandlungen mit einem weiteren europäischen Land aus dem ehemaligen Ostblock sind sehr weit gediehen – immerhin habe ich ja hier durch meine langjährige Arbeit mit dem Siemens Art Lab eine erstklassige Kompetenz und bin sehr vernetzt.
Wir werden das alles noch im Laufe des Aprils ankündigen, und wir machen weiter weil Arbeit mit Kunst und Künstlern einfach Riesenfreude macht.
Was würden Sie als bisherigen Höhepunkt in ihrer Laufbahn als Galerist bezeichnen?
Einerseits meine vierjährige Beirats-Tätigkeit an der Art Basel und die 12 Jahre als richtungsweisender Präsident des österreichischen Galerienverbands. Aber auch die zahlreichen Künstler, die ich von der Entdeckung bis zur Biennale in Venedig begleiten durfte, wie zuletzt mit Simón Vega, Cameron Platter und Angel Marcos. Da hatte ich das Gefühl, einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung der Kunst, oder zum Wiener Kunstmarkt, zu leisten.
2014 ist "Cash, Cans & Candy" eine Zusammenarbeit mit der ÖBB am Wiener Hauptbahnhof. Damit schlagen Sie eine ziemlich moderne Herangehensweise des Ausstellens ein. Ist der Markt für Street Art in Österreich schon entwickelt?
Mein Galerieleiterin Frau Dworczak im NEXT ist hier sicherlich die Autorität, dieser Markt ist neu und sehr jung – ich liebe ihn wegen der Unbeschwertheit seiner Künstler und dem spannenden, jungen und junggebliebenem Publikum. Wir sind ja mit diesem Programm auch schon auf die Art Wynwood eingeladen worden, und haben einen Sonderstand an der Art Cologne für unsere Cash, Cans & Candy-Ausstellung in der HilgerBROTKunsthalle bekommen.
Wenn die provisorischen Wände dann wieder entfernt werden, kann man die hinterher kaufen und daheim als cool-teuren Paravent verwenden?
Es wird da eine Charity-Auktion geben – aber ja, das ist geplant.
Wie empfinden sie den Konkurrenzkampf im Galerie-Bereich? Wie lesenswert wäre ein Buch "Galeristen beschimpfen Galeristen"?
Konkurrenzkampf wäre und ist gut, wenn eine Akzeptanz und gewisse Größe dazugehört. Kleinliche – "den kenn ich gar nicht" oder so – Konkurrenzkämpfe sind auch ein Grund, um in den 10. zu gehen. Ich selbst schätze Galeristen mit Stil und Größe, und da gibt es einige in Wien und auch weiter, mit denen komme ich immer gut aus. Der Rest ist Kinderkram.
Vom 17. – 22. März gibt es am Wiener Hauptbahnhof eine Live Street Art Performance von The Stencil Network / Stinkfish. Begutachten kann man die Stücke bis Ende Mai.