In einem Land voller großer Töchter und Söhne muss es wohl auch ein paar Ausreißer geben, die trotz Begnadung für eh alles dann doch manchmal nachhaltigen Unsinn verzapfen.
In der Wiener Berggasse sind ja einige Dummheiten begangen worden. Mit dem wissenschaftlichen Flair der von ihm begründeten Psychoanalyse hat sich Sigmund Freud nicht nur seine haarsträubende Theorie zum »Penisneid« einfallen lassen. Hier hat er auch sehr fantasievolle Ideen über den weiblichen Orgasmus zu Papier gebracht, die er wohl nie einem Faktencheck unterzogen hat. Sie haben sich trotzdem ins kollektive Gedächtnis eingeschlichen und können einem noch heute das Leben schwer machen. Danke für nichts, Freud!
Geh, Freud: Es gibt kein Orgasmus-Ranking
Dem großen Sohn der Republik ist es mitanzulasten, dass es oft zu Missverständnissen kommt, wenn Frauen durch penetrativen Sex alleine keinen Höhepunkt erreichen. Und das auch noch ein Jahrhundert nach seiner einflussreichen, aber leider nicht in der Realität verankerten Vorstellung vom »erwachsenen« vaginalen Orgasmus, der vermeintlich wünschenswerter als der »unreife« klitorale sei. Geh, Freud. Es gibt kein Orgasmus-Ranking, erstens, weil sie alle toll sind, und zweitens hast du einfach null Ahnung von der weiblichen Anatomie.
Wer sich dafür umso mehr auskennt, ist die Sexualforscherin Lindsey Doe. Sie betreibt den niederschwelligen YouTube-Kanal »sexplanations«. Dort holt sie wissbegierige Jugendliche ab und bietet ihnen eine humorvolle Alternative zur autodidaktischen, aber eben auch unrealistischen Form des Lernens durch Pornhub. Mehr noch, sie erzählt selbst Matratzensporterprobten jede Menge Neues. So macht Doe in einem ihrer Videos deutlich, dass anatomisch gesehen alle Orgasmen gleichen Ursprungs sind. Sie beschreibt, wie hier ein patriarchales System am Werk ist, das ausgehend von Freud behauptet, ein vaginaler, durch Rein-Raus hervorgerufener Orgasmus wäre das einzig Wahre, während das für die weibliche Lust zuständige Organ in Wirklichkeit die Klitoris ist. Freud, bitte schämen gehen.
Astrid Exner ist Mitbegründerin des Musikblogs Walzerkönig. Sie twittert als @walzerkoenige auch zu den Themen Musikindustrie, Internet und Feminismus.