Comic-Anna: „Buchhandel ist für mich immer so eine Mischung aus Psychotherapeut und Barkeeper“

Comics machen süchtig, findet Anna Krupitza. Der 26-jährigen Comicbuchliebhaberin gehört Bunbury’s in der Lindengasse. Ein Besuch.

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© Stefanie Schermann

Comics und Tee – das sind Annas zwei Addictions. Die Inhaberin von Bunbury’s Comics im 7. Bezirk spricht mit uns über ihre „Local Heroes“, Lieblings- und Hass-Comics, den Marvel-Tag 2017 und, wieso Buchhändler eine Mischung aus Psychotherapeuten und Barkeepern sind.

Du bist erst 26, und hast schon ein eigenes Unternehmen. Wie hast du das geschafft?

Sag das nicht so, das klingt so ernst. Wo fangen wir an? Ich bin gelernte Buchhändlerin. Wörter und Geschichten waren in meinem Leben immer schon relevant. Es war irgendwie klar: Geschichten verkaufen.
Die Buchhandlung Morawa in der Wollzeile hat einen Lehrling gesucht, lustigerweise für die Comicabteilung. Dort bin ich gelandet und hab nach drei Jahren Lehrzeit gemerkt: Wenn du irgendwas Eigenes machen möchtest, dann musst du woanders hingehen.
Ich habe es zuerst in anderen Comicläden probiert. Ich finde das Medium Buch und Comic an sich sehr toll und liebe die Atmosphäre von Buchhandlungen. Aber die Comicläden in Wien waren alle irgendwie nicht so geil.  Manchmal hat es mir nicht gefallen, wie der Service gegenüber den Kunden war. Ich habe oft vorgeschlagen, mehr Events zu machen. Und die haben gemeint, wir können nicht immer Signierstunden machen. Meine Vorschläge waren Philosophie-Abende und Cosplay-Wettbewerbe und die Antwort war immer: Ja…nein.
Dann habe ich irgendwann dieses Geschäftslokal in der Nähe meiner Wohnung gefunden, habe meine Eltern angerufen und gesagt „Mama, Papa, ich mach‘ mich selbstständig.“  Und das war’s dann im Endeffekt schon. Es wurde komplett saniert, und war im April fertig. Das sind jetzt glaub ich 195 Tage.

Anna trinkt Tee © Stefanie Schermann

Wie kannst du dir das leisten?

Der Trick ist: Selber asketisch leben können. Definitiv. Derzeit ist es so, dass ich keinen Verlust mache. Große Sprünge sind nicht möglich, aber der Umsatz steigert sich stetig und ich sehe, dass die Nachfrage da ist. Ich habe irgendwie gedacht, dass ich mir im ersten Jahr einfach jede Woche von der Bank was weiß ich wie viel borgen muss, aber das ist zum Glück nicht der Fall.

Machst du wirklich alles allein?

Bunbury‘s bin wirklich nur ich, eingetragen als Einzelunternehmen. Langfristig wird vielleicht auf eine GmbH vergrößert. Einzelunternehmen haben halt den Nachteil: Sollte irgendwas schief gehen, geht alles schief. Eine GmbH würde das abfangen.
Hin und wieder habe ich Praktikanten. Die finden mich entweder oder ich suche sie mir. Ich hole mir Praktikanten, bei denen ich Potential sehe. Ich versuche, ihnen eine oder zwei Wochen zu zeigen, wie alles funktioniert, wie sie mit Kunden sprechen und was so die Tricks sind. Dann mach ich ihnen einen kompletten Lebenslauf und ein Bewerbungsschreiben und schick sie wieder raus in die Welt. Das hätte mir, wie ich noch jünger war, vermutlich gut getan, wenn mir jemand gesagt hätte: „Ja, aber wenn das so drin steht, dann wird dir keiner antworten.“ Das ist so mein eigenes Karma-Spiel.

Was für Skills muss man denn mitbringen?

Die Buchhändlerausbildung hilft auf jeden Fall, einfach weil man Rechnungswesen, Betriebswirtschaft und das ganze Pipapo schon irgendwie im Ärmel hat. Das Hauptskill, das ich im Endeffekt habe, ist aber Kommunikation. Buchhandel ist für mich immer so eine Mischung aus Psychotherapeut und Barkeeper. Du verkaufst im Endeffekt nicht nur Comics, sondern redest dabei auch viel mit den Kunden.
Hast du ein Stammgeschäft, wo du jede Woche bist? Du findest das ja auch geil, wenn du reinkommst und sie erkennen dich wieder, wissen was du gern bestellst, was du isst und was du so circa tust. Und vielleicht siehst du sie öfter als irgendwelche Freunde, die du nur einmal im Monat siehst. So ist auch der Buchhandel. Du musst auf jeden Fall mit Menschen umgehen können.
Auch Serviceorientiertheit ist wichtig. Zum Beispiel kommen englische Comics leider nur unregelmäßig bei mir, da hab ich noch wahnsinnige Probleme. Das muss ich halt dann irgendwie anders Wett machen.

…zum Beispiel durch Süßigkeiten?

Genau! Das ist quasi das Pawlow‘sche Experiment. Die Kunden kommen rein und wissen schon: Gleich krieg ich Süßes! Das ist total super. Ich hab mir  gedacht, wenn Kunden an einem Tag nichts finden, oder ich Probleme habe, den Kontakt herzustellen, dann sag ich einfach: „Süßkram?“ – „Ja, danke.“ Ich muss nur aufhören, selber davon zu essen. Grad die Fizzers sind halt echt geil.

Annas immervolle Candy-Schüssel. © Stefanie Schermann

Wie suchst du denn aus, welche Comics deine Kunden interessieren könnten?

Das war am Anfang wirklich die Hölle. Ich hätte mir meinen kleinen Laden zuräumen können, aber ich war mir nicht sicher, was meine Kunden wirklich lesen wollen. Ich bin im 7. Bezirk.  Kommen jetzt die Bobos zu mir, oder kommen die Nerds, oder kommen beide?
Bis jetzt ist es durchwachsen, aber mehr die Nerds, was mich persönlich sehr freut. Auch die Bobos, natürlich – aber die (und ich) wohnen ja gleich um die Ecke, also… (lacht) Zwei meiner Kunden wohnen überm Café Europa, also dahingehend: Es könnte nicht besser sein.
Ich bestell einfach ganz aktiv, nach Kundenwünschen. Wenn Kunden sagen, ich finde das geil, bestell ich mehr davon. Ich hab einen Kunden, den Dylan, der ist irgendwie so die Querschnittsmenge meiner Kunden, und wenn der was bestellt, bestell ich einfach immer zwei Stück dazu fürs Regal, und das funktioniert auch super. (lacht)

Musst du spezielle Deals mit Verlagen aushandeln?

Manchmal. Wenn du mit einem Verlag redest und er dich mag, kriegst du mehr Prozente. Zum Beispiel bei einem Verlag in Wien hol ich mir die Comics immer selber mit einer Tragetasche ab. Da bekomme ich mehr Prozente, als wenn er sie mir mit der Post schicken muss. Dann lauf ich halt einmal quer durch Wien. Man muss einfach die Chuzpe haben, zu fragen: Ich bin jetzt seit einem Jahr Kundin, krieg ich jetzt mehr Prozentpunkte, ja, nein, warum nicht? Und die meisten machen‘s eh. Also fragen lohnt sich.
Ich hab letzte Woche dem Panini-Verlag Deutschland geschrieben, dass ich bei ihrem Marvel-Tag mitmache und ob sie das nicht irgendwie bewerben könnten oder wir irgendetwas gemeinsam machen könnten. Und die haben jetzt echt ein Posting auf Facebook rausgebracht, und die haben über 50. 000 Likes, das war echt geil. Aber ich hab gefragt. Hätt ich nicht gefragt, hätten sie das nie gemacht. Das war echt leiwand.

Blick ins Bunbury’s © Stefanie Schermann

Was passiert denn am Marvel-Tag?

Grundsätzlich: Verlage machen oft Kooperationen mit Buchhandlungen. Wir drucken gemeinsam Comics, die wir gratis anbieten können. Wie wenn du Joints vor einer Schule verteilst. Du fixt die Leute an und sie kommen wieder. (lacht)
Es gibt einen gratis Comic von Marvel. Das ist heuer ein Spiderman/Deadpool- Heft. Gratis Postkarten, gratis Stoffsackerl in begrenzter Anzahl, gratis Poster. Die Leute können echt so säckchenweise raustragen.
Was ich noch mach: Meine beiden Minions, zwei Cosplayerinnen von Astronautpool , verkleiden sich als Spiderman und Deadpool. Die sind den ganzen Tag da für lustige Fotos.
Und Qrinnaph, eine befreundete Künstlerin, sitzt im Eck, und gegen ein kleines Entgelt kriegen die Kunden Marvelbilder von ihr gezeichnet.
Im ersten Stock macht mein bester Feind noch den Spiele-Tisch: Munchkin Marvel!  Währenddessen gibt’s natürlich Süßkram und Getränke.

Du verkaufst auch die Werke vieler österreichischer Künstler, die (noch) keinen Verlag gefunden haben, und im Eigenverlag drucken. Wie suchst du dir aus, wer deine „Local Heroes“ werden?

In Kleinstarbeit. Es gibt wenige Leute in Wien, die selbst im Eigenverlag etwas veröffentlicht haben. Versteh ich, das ist etwas, das möchte man sich nicht antun.
Ich geh auf Messen und schau mir die Künstler an. Wenn ich den Zeichenstil toll finde, frage ich sie, ob sie schon etwas herausgebracht haben, und ob wir da vielleicht kooperieren können. Ich kaufe ihnen ihr Werk zu Buchhändlerkonditionen ab und lege es dann bei mir in der Buchhandlung auf. Ich hatte noch keinen Titel, den ich schlecht verkauft habe.
Ein paar wurden mir auch schon von Kunden weitergeleitet. Meine neueste „Local Heroes“ –Zeichnerinnen ist die Yaegiri von Uriel. Sie ist komplett unter meinem Radar geflogen.  Bis einer meiner Lieblingskunden mal gefragt hat: „Hast du Uriel schon gesehen?“ Und ich so: „Nein. Das ist eine Österreicherin? –  Brauche dich, komme sofort.“ Und sie: „Ja, ich wollt eh schon ur lang zu dir.“ Und so finde ich mir die Leute.

Wie groß ist die Comicszene in Österreich? Kann man überhaupt von einer „Szene“ sprechen?

Sie ist vorhanden. Definitiv größer als vor 20 Jahren. Comics haben allgemein einen relativ schlechten Ruf. Gustav Maler hat schon gesagt, in Wien passiert alles fünfzig Jahre später.  Auch die Comicszene: Österreich geht es langsam an. Mittlerweile haben wir den Begriff „Graphic Novel“, damit können viele viel besser verkaufen als mit dem Begriff Comic. Leute wie das Austrian Superheroes– Team, die Comics auch wieder einer breiteren Masse zugänglich machen. Wir haben Comic-Messen und Börsen, die wirklich jedes Jahr mehr Leute reinbekommen.
2015 war zum ersten Mal die Vienna Comic Con im Messe Prater. Ein riesiges Event, bei dem wirklich viele Leute waren, die vielleicht nur diese Mainstream-Filme anschauen und mit Comics selten Kontakt haben.
Die Szene wächst auf jeden Fall. An den ganzen graphischen Unis gibt’s immer eine kleine Comic-Klasse, die bringen auch manchmal Comics raus. Zum Beispiel die vom Projekt „Luzid“ – da sind alle von der Angewandten. Es ist eine Geschichte, die sich mit luziden Träumen beschäftigt, ein bisschen wie „Total Recall“. Jede Geschichte bis auf die erste und letzte sind von einem anderen Künstler gezeichnet. Ein Mörderwerk, im Endeffekt.

Kannst du „Einstiegscomics“ empfehlen?

Anna liest © Stefanie Schermann

Das ist total schwierig, wie mit normalen Büchern: Es gibt glaub ich für jede Person das richtige Buch.
Geh einfach zum Comicbuchhändler in einen Comicladen oder in eine Buchhandlung und tu das, was du machst, wenn du dich nicht auskennst: Lass dich beraten. Bei Büchern kannst du sagen, mir gefällt der Schreibstil nicht, aber bei Comics musst du die Geschichte gut finden und den Zeichenstil, oder eins von beidem, und dich durchs andere durchbeißen. Irgendwo anfangen, um Hilfe fragen und dir wird geholfen werden.
Ich bekomme auch Leute rein, die sagen: Okay, ich war hier noch nie, ich hab seit Ewigkeiten keine Comics gelesen, was soll ich tun? Die suchen diesen Teil 1, mit dem du anfangen kannst, aber bei Comics gibt’s den nicht. Bei Batman sind wir jetzt bei Nummer 948, circa. Bei 1 anfangen ist ein bisschen tough, und es gibt die Nummer 1 gar nicht- der erste Batman-Comic war keine Nummer 1. Also, es ist schwierig, bei eins anzufangen.
Das Geile ist: Du kannst wirklich irgendeinen Comic rausziehen, reinlesen, und wenn du Fragen hast, gehst du einfach wieder zur Comicbuchhändlerin und sagst: Ich hab das nicht verstanden. Hilf mir! Wer ist dieser Charakter? Was muss ich lesen, um diese Story zu verstehen?
Und dann ist das wie bei jedem Hobby, mit dem man neu anfängt: Du googlest, du gehst auf Wikipedia, du redest mit Leuten drüber, und irgendwann hast du den Grip, und kannst damit weitermachen.

Was war dein erster Comic?

Als Kind hat mir meine Mutter immer Batman vorgelesen. Crappy Geschichten, in denen Superman in einem Batman-Kostüm Eisberge jongliert – völliger Schwachsinn. Aber ich hab die heiß und innig geliebt. Und als ich dann Jahre später wieder angefangen hab, hab ich mir einfach einen Batman-Comic bei der Trafik am Bahnhof geholt. Ich hab keine Ahnung gehabt wo ich bin, wer ich bin, warum Batman jetzt tot ist, wer ist Robin? The fuck? Hab ihn gelesen und dann war‘s vorbei. Jetzt habe ich eine Buchhandlung.

Ist Batman dein Lieblingssuperheld?

Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass alle Helden toll sind, aber Batman ist am tollsten, weil er ein Mensch ist und der Rest ist halt quasi nur „super“. Meine beiden Lieblingshelden dahingehend sind Batman und Barry Allen Flash.
Flash ist Forensiker. Das ist durch Serien wie CSI und Criminal Minds voll der coole Beruf geworden, aber als die ersten Comics rauskamen, hast du Bilder, wie Barry Allen in seinem weißen Kittel fast schüchtern in der Ecke steht und die Polizisten ihn mobben weil: Ha, er ist so ein Nerd. Aber die Leute mögen Nerds mittlerweile. Comics sind gesellschaftstauglich geworden, früher hast du die nur unterm Tisch gelesen.

Hast du Hass-Comics, die dann nicht bei dir im Laden stehen?

Es gibt einen Comic, der auf einer Seite fünf verschiedene Zeichenstile hat und deswegen sehr verwirrend ist. Den werde ich, wenn ich ihn verkauft habe, nie wieder nachbestellen. Einfach, weil er bei meinen Kunden nicht so gut angekommen ist. Aber auch der war schön. Gerade, wenn du ein Auge für graphische Dinge hast, kannst du viel aus einem Comic mitnehmen.
Es ist natürlich hier sehr selektiert, einfach, weil ich hinter meiner Ware stehen muss. Das, was du hier siehst, ist circa das was ich Zuhause habe, nur weniger.

Gibt es inhaltlich für dich Grenzen?

Es gibt sicher ein paar Inhalte, bei denen ich von der Geschichte her sag, das hätt ich eigentlich nicht gern auf Lager. Die Über-Comics beschäftigen sich zum Beispiel in hohem Maß mit einer nationalsozialistischen Ideologie. Da ist dann wieder die Frage: Was darf Kunst?
Die Leute, die das lesen, sind natürlich keine Nazis oder sonst irgendwas. Aber es ist eine Geschichte, die ich quasi nicht „bei meinen Büchern haben will“. Aber das ist auch schon alles.
Es gibt auch Zeichner und Autoren, deren Darstellung von Frauen in den Comics oder in den Geschichten, die sie erzählen, mir nicht so zusagen.
Bunbury‘s Comics ist wirklich mein Geschmack und meine Geschichten. Ich versuch das immer als so eine Art sicherer Hafen zu betrachten.

Wie geht es dir mit der Konkurrenz? Rund um die Mariahilferstraße gibt es neben großen Buchhandlungen ja noch das eine oder andere Comicbuchgeschäft.

Ich hab mitbekommen, dass sich da einige Leute gerne ans Bein pinkeln, da halt ich mich einfach raus. Ich versuch auch immer, wenn ein Kunde unbedingt heute einen Comic braucht, zu vermitteln. An den Morawa in der Wollzeile, oder in die Bilderbox, die hat einfach so artsy Sachen, die ich nicht hab. Da hab ich dann zumindest für sie angerufen und das Exemplar ist jetzt reserviert. Und umgekehrt ist es oft genauso.

Gibt es schon Pläne für den Frühling?

Endlich ein verdammtes Schild an meine Fassade anbringen!  Seit das Baugerüst weg ist, fällt es leicht, den Laden zu übersehen.

 

Damit euch das nicht passiert, hier die genaue Adresse:

Bunbury’s Comics
Lindengasse 34/Top 4
1070 Wien

Website: www.bunburyscomics.atHier findet ihr auch Annas Blog und ihren Podcast!

Die nächsten Events bei Bunbury’s Comics:
Marvel-Tag 2017 – 28. Jänner 2017 Diskussion/Vortrag: Stephanie Lutz „Feminismus und Comics“ – 9. Februar 2017; 19 Uhr  (U.A.w.g – Eintritt 5€)

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