Eine Superheldin mit Courtney-Love-Momenten – Jax Miller wird mir ihrer Anti-Heldin Freedom Oliver aus ihrem Thriller-Debüt "Freedom’s Child" zur Heldin der amerikanischen Literaturszene.
Es wurde kritisiert, dass in deinem Buch zu viel los ist. Da sind tatsächlich eine Unmenge an verschiedenen Helden und Bösewichtern in der Geschichte…
Für den Leser der mich nicht kennt, ist es vielleicht schwer zu glauben, dass ich mir nie vorgestellt hätte, dass ich für diese Geschichte ein Publikum haben würde. Es war ein fiktionaler Ausweg als ich mich in einer sehr chaotischen Zeit meines Lebens befunden habe und ich glaube deshalb ist auch das Buch so chaotisch. Die Leute sagen, darin ist zu viel los. Tja, ich denke, das ist, weil zu viel los war, als ich es geschrieben habe. Ich verstehe, dass manche Leser eine ruhigere Geschichte wollen, aber das war eben nicht, wer ich als Person war.
Viele deiner Figuren werden gerettet oder es wird ihnen vergeben, obwohl sie eine Menge echt schlimmes Zeug getan haben. Wolltest du so viele wie möglich retten?
Freedom ist jemand, der sehr hart zu sich selbst ist und ich wollte wirklich sehen, dass sie eine zweite Chance bekommt. Ich habe sehr viele zweite Chancen im Leben bekommen und das ist etwas, das nicht vielen vergönnt ist. Ich mag es, wenn Figuren, die ich zu lieben gelernt habe eine solche bekommen, aber ich töte auch gerne die Bösewichte, weil ich dieses Gerechtigkeitsgefühl kriege, wenn ich es schreibe. Aber ich bin oft hin- und hergerissen, was das Schicksal mancher Figuren sein soll.
In der Danksagung des Buches heißt es, dass ein Psychologe dir dabei geholfen hat, die Figuren zu entwickeln. Wieso?
Das war einerseits mein Freund Stephen Quesada, den ich noch von der Schule kenne. Ich habe ihn gebeten mir mit einer bestimmten Figur zu helfen, weil das Innenleben dieser Person mir sehr schwer zu verstehen war. Diese Figur war pädophil. Aber es gibt da auch einen anderen Psychologen, wegen dem ich überhaupt zu schreiben begonnen habe. Ich war einige Jahre bevor ich anfing durch Amerika zu trampen in einer Suchtklinik und mein Therapeut war dieser konservative Mann, der jedes Mal zusammenzuckte, wenn ich das F-Wort gesagt habe. Er sagte mir, ich soll Tagebuch schreiben, aber das habe ich gehasst, denn wieso Vergangenheit aufschreiben, die man vergessen will?
Wie gelang dann der Sprung zur Belletristik?
Ich entdeckte die Möglichkeit des Eskapismus im belletristischen Schreiben und schrieb das erste Kapitel meines unveröffentlichten Romans „The Assassin’s Keeper“. Das habe ich ihm dann zu lesen gegeben. Er hat eine Weile gebraucht es durchzulesen und ich werde das nie vergessen. Als er die letzte Seite umgeblättert hatte, wischte er sich die Augen und seufzte lange. Dann hat er mir direkt in die Augen geschaut und gesagt: „Das ist das fucking Beste, das ich je gelesen habe.“ Seitdem habe ich nicht aufgehört.
In deinem Buch geht es auch um viele ernste Themen wie Korruption, das dysfunktionalen Sozialsystem und darum, wie Frauen von manchen Männern behandelt werden…
Ich habe diese Themen nicht mit Absicht in den Roman gepackt, es ist wohin mich meine Figuren geführt haben und wo ich das Gefühl hatte, dass sie hingehören. Nachdem ich Freedom erschaffen habe, konnte ich sie nicht anders sehen, als als Frau, die sexuellen Missbrauch überstanden hat. Ich glaube es ist schwer, diese Themen nicht anzusprechen, wenn man sie die ganze Zeit sieht, dort wo ich herkomme. Waffengesetze, religiöse Fanatiker, Gangs, Gewalt, Vergewaltigung, das sind alles sehr reale Dinge und deshalb müssen sie auch in meiner Arbeit sein. Ich schreibe sie da nicht hinein, um meine eigene politische Agenda oder meine religiösen Ansichten zu publizieren. Ich schreibe zum Beispiel als Atheistin obwohl ich im richtigen Leben Christin bin.
Es heißt, dass du 24 Stunden nachdem du das Buch fertiggeschrieben hast schon einen Deal mit einem Verlag hattest. Legend or fact? Wenn es ein Fakt ist, wie hast du das denn geschafft?
Das ist ein Fakt. Und weißt du was? Ich stelle mir selbst noch immer dieselbe Frage. Ich habe dieses Buch nie geschrieben, damit die Welt es liest. Ich vergleiche den Umstand, dass Leute es lesen oft mit dem Gefühl nackt vor einem vollen Klassenzimmer zu stehen. Aber ich wollte es lektoriert haben, also habe ich es einem Freund in der Verlagsbranche geschickt, der es einem weiteren Freund geschickt hat und der ist jetzt mein Agent bei WME London. Er hat es binnen Stunden gelesen und mir am nächsten Tag geschrieben. Es ist wild und surreal.
"Freedom’s Child" ist in deutscher Sprache bei Rowohlt erschienen.