Was gibt wohl mehr Strom – eine Batterie mit Legehühnern oder eine mit Kaninchen?
Auf der Bühne steht eine der besten Livebands, die es aktuell zu sehen gibt. Aber richtig Stimmung kommt erst auf, als der schwarze Sänger sein T-Shirt auszieht und ein klischeehaft muskulierter Körper im Ripp-Unterhemd zum Vorschein kommt. Plötzlich beginnen Frauen zu kreischen und zu pfeifen, die tagsüber wohl eher die „Schafft den sexualisierten Blick der Männer ab“-Fraktion unterstützen. Die Männer rundherum halten sich am Bierglas fest und beginnen irgendwann, halb im und halb nicht im Takt mit angespanntem Oberkörper zu wippen. Sieht doof aus. Die Vienna Crowd klatscht nach den Liedern, aber macht während der Songs trotzdem keine Party. Applaus ist bereits das Höchste an Euphorie, zu dem die Hipster hier fähig sind. Erst später kommt ein wenig Stimmung auf, aber man sieht der Band an, dass es harte Arbeit ist. Warum nicht so: Wenn es Dir gefällt, dann streck die Hände in die Höhe. Wenn es Dir gefällt, dann pfeif, schrei und hol Dir was zu trinken. Es ist eine verdammte Rock-Show, also komm raus aus Dir. Und wenn zwei an der Bar stehen und sich unterhalten, ist das kein Grund sie anzunörgeln, weil man die leisen Teile auch gut hören will, denn dafür ist vorne noch mehr als genug Platz. Vielleicht ist es Tradition in Österreich, bei Rock-Shows nur doof rumzustehen, über alles Mögliche zu nörgeln (dass der Sound nicht so fein ist wie zu Hause, dass das Weizenbier nicht richtig gekühlt ist, dass die Band beim letzten Mal um so und so viel besser war, dass Angie und Chrissie gestritten haben und jetzt SMS schicken, dass früher alles besser war, dass man „Dr. House“ verpasst hat, dass…) und es dann den Expats zu überlassen, ein wenig Stimmung ins Publikum zu bringen. Es geht um die feinen Unterschiede: Madness waren eine doofe Partyband, The Specials aber nicht. Minimal Techno hat eine politische Message – implizit durch seine Existenz, aber nicht Festival-Rock. Survival of the mostly differentiated. Twitter ist kohärenter als Facebook in seinem meta-media-theoretischen Impetus. Bullshit Bingo united. Sowas will ich nicht hören, wenn ein doppelter Marshall-Stack auf der Bühne steht und der Bass-Sound sanft die Magenwände massiert. Das ist – Achtung: pseudo-englische Syntax – nicht fein mit mir. Da kannst Du ja gleich zu Hause bleiben und Deine Socken zusammenrollen und dabei die Akkorde von „Louie Louie“ vor dich hin pfeifen.
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