Stefanie Sargnagel, Königin der Schwarzer-Humor-Abteilung im österreichischen Internet, hat ihr zweites Buch zusammengeschustert. Die eigentliche Leistung ist aber eine andere.
»Ich bin Stefanie Sargnagel und ich lebe im Internet.« Sprach’s, worauf den Auskennern – fast allen im Publikum – schon der erste Lacher entfährt. Die Autorin fischt ihr Debüt »Binge Living« hervor und sagt, dass es sich nicht um ihr eigentliches Leseexemplar handle. Dieses habe sie samt Rucksack verloren, als sie Flüchtlingen über die Grenze half. Der Rucksack, der für eine Spende gehalten wurde, sei nun im Besitz von syrischen Flüchtlingen, die ihr jetzt massenweise Fanbriefe schickten. Die Zuschauer lachen wieder.
Es ist genau diese Art von schwarzem Humor, den Sargnagel tagtäglich auf ihrem persönlichen Facebook-Profil, wo sie so gut wie alles öffentlich und in einer Frequenz, die sich mit Money Boys Twitter-Account messen kann, postet und für den ihre Fans sie so lieben. Wie viele, will Sargnagel gar nicht unbedingt wissen. »Dass so viele Leute lesen, was ich schreib’, blende ich eigentlich ziemlich aus.« Es wäre ihr lieber, für eine Szene zu produzieren, von der sie weiß, dass sie sie versteht. Denn trotz allem Schmäh, trotz meisterlich vorgeführter Wurschtigkeit ist der jungen Autorin ein gewisser Wunsch nach Kontrolle nicht abzusprechen – ob ihr neues Buch in Deutschland so ankommt, wie es gemeint ist, darüber macht sie sich zumindest Gedanken.
With great power come great jokes
Sargnagel hat eben längst eine kritische Größe erreicht, die es nicht mehr erlaubt, die eigene Rezeption voll und ganz steuern zu können. Auf der anderen Seite hat sie in einer gewissen Szene auch das Sagen. Bei manchen tagesaktuellen Diskursen bis Shitstorms, die da in der eigenen Timeline aufpoppen, wartet man nur auf den beißenden Sargnagel-Kommentar, der auch immer verlässlich kommt und bei ihren Fans so gut wie uneingeschränkt unterstützt wird. Die Mischung aus akkurater Beobachtungsgabe, charmantem Sarkasmus und pointierter Ausdrucksweise plus Hang zum Nihilismus ermöglicht ihr das fast Unmögliche: Ordentlich austeilen zu können, dabei aber kaum einstecken zu müssen. Weil Sargnagel so tut, als würde sie sich selbst nicht ernst nehmen, macht sie sich ziemlich unangreifbar.
Umso heftiger bekommen es jene auf den Deckel, die diese Fähigkeit zur Selbstironie kaum zeigen. Medien wie Vice, für das sie selbst ab und an schreibt, wie auch Wanda, die genauso wie sie selbst von Stefan Redelsteiner »entdeckt« wurden, bieten – was das betrifft – genug Angriffsfläche. Dass sich Sargnagel in einer Stadt, wo jeder jeden kennt und ja niemand irgendjemandem auf den Schlips treten möchte, nicht den Mund verbieten lässt, darf tatsächlich als außergewöhnlich gelten – auch wenn der Verdacht naheliegt, dass es dabei weniger um eine Ansage gegen Verhaberung geht, als darum, selbst in Form des besten Schmähs und bitterbösesten Kommentars das letzte Wort zu haben. Ja, sie hat auch schon daneben gehaut, aber auch dann folgen ihre Fans ihr in jede Diskussion und jedes Posting-Scharmützel. Meistens trifft ihre Kritik aber zielsicher ins Schwarze.
Alles richtig gemacht
Auch wenn Stefanie Sargnagel gerne davon spricht, welche gewaltigen Probleme sie mit Selbstdiziplin hat, so hat sie mit ihrem Erstling »Binge Living« alles richtig gemacht. Mehr als 50 Lesungen – der einzige Weg übrigens, um mit Büchern noch Geld zu verdienen – hat sie nicht nur ertragen, sondern gemeistert. Denn die Frau mit der roten Mütze ist nicht nur im Internet lustig, sondern auch live eine ausgezeichnete Unterhalterin – nur eine der vielen Leistungen einer Person, die auf Worte wie Leistung eher scheißt.
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