Das schlimmste Verbrechen an der Menschheit

Sigi Maron wurde 70. Das heißt noch lange nicht, dass er aufgehört hat, den ORF anzuschnauzen. Mittlerweile mit etwas weniger Kraftausdrücken, aber weiterhin im Wiener Dialekt. Wir lassen das fabelhafte Schandmaul selbst zu Wort kommen.

Glauben Sie, dass Menschen durch Text und Musik die Augen geöffnet werden können und sie ihr Denken und Handeln verändern?

Ich denke, dass es für einige Menschen eine Hilfe sein kann, dass sie sich in ihrer Meinung gestärkt fühlen, dass man etwas zum Besseren verändern kann. Der Tropfen auf dem heißen Stein, nicht viel mehr, aber immer noch besser als den Kopf in den Sand stecken.

Der Track »loslassen (schenk ma fuenf Minuten)« haben Sie zusammen mit der deutschen Hip-Hop Künstlern Die Bandbreite aufgenommen. Wie ist das zustande gekommen?

Wir haben uns beim Festival des politischen Liedes in Weißenbach am Attersee kennen gelernt. Da habe ich gesehen und gehört, dass man junge Leute heute anders ansprechen muss, wenn man sie erreichen will. Mein Mitautor Fritz Nussböck und ich wollten die derzeitige Situation der arbeitslosen Jugendlichen in Griechenland in einen Text packen, haben den Refrain gemacht und die Geschichte so wie wir sie uns vorstellten dem Wojna von der Bandbreite geschickt. Der hat dann daraus diesen großartigen Text und auch die Musik gemacht.

Der französische Gitarrist Patrick Cinque arrangiert sehr sanfte und poetische Lieder. Zusammen mit ihm und Fritz Nussböck haben Sie ein Stück über die Zeit komponiert. Wofür hätten Sie gerne noch Zeit?

Ich wollte das Lied unbedingt auf diesem Album, weil man die Zeit nicht besser beschreiben kann. Was ich an Zeit noch habe, schenke ich meiner Familie und meinen Freunden.

Sie waren im Laufe Ihres Lebens an vielen Protestaktionen beteiligt und haben diese in Ihren Liedern eingebettet. Auch in diesem Album singen Sie »Hoch die internationale Solidarität!« – wen würden Sie heute Abend beim Bier am liebsten verfluchen?

Die Verbrechertypen, die dabei sind mit ihren Freihandelsabkommen die Schwachen noch schwächer zu machen. Schlimmstes Beispiel: das Abkommen zwischen den USA und Kolumbien, das den kolumbianischen Bauern verbietet ihr eigenes Saatgut anzubauen. Sie müssen es Jahr für Jahr neu bei Monsanto und Co. kaufen. Das ist eines der schlimmsten Verbrechen an der Menschheit seit ihrem Bestehen.

Außer Liedermacher, sind sie auch Poet und Schriftsteller. Ist die deutsche Sprache eine »gute« Musiksprache?

Ich verwende ja großteils nur den Dialekt und schreibe ganz selten in Hochdeutsch. Die Hörgewohnheiten werden durch Radio und Fernsehen bestimmt und da hat halt der angloamerikanische Sprachraum die Dominanz. Und da wiederum dominiert der sogenannte Mainstream, also Musik, die eigentlich nur als Hintergrundgeräusch dienen soll, um die Menschen nicht von ihrer Arbeit abzulenken. Schlechtestes Beispiel Ö3. Am besten drücken sich die meisten Künstler in ihrer Muttersprache aus. Bitte kein Beifall von rechts.

Meine letzte Frage an Sie mit aktuellem Bezug zur Radioquote. Sie sagten einmal: »Ohne Hoffnung im Herzen kaunst net leben. Irgendwo muass a Zukunft gebn«. Wo sehen Sie die Zukunft in der Verteidigung der österreichischen Musik als populäre Kunst? Was sagen Sie zu Conchitas Sieg beim ESC?

Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis die inkompetenten, selbstgefälligen, unfähigen Macher beim ORF (Ausnahme Ö1) von selbst auf die Goschn fallen. Den privaten Nachäffern wird es nicht anders ergehen.

Schön für Tom – die Wurscht wird dem ORF nicht wurscht bleiben können. So oder so. Im Übrigen bin ich für Fischamend und den Stand Up Club als Austragungsort 2015.

»Dynamit und Edelschrott« erschien am 16.05.2014 via Gab Music.

www.maron.at

Bild(er) © Georg Gabler
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