Daughter Live!

Berlin, immer noch Winter, früher Abend in einem Hipsterhotel in Friedrichshain. Beste Voraussetzungen für ein langes Interview mit der jungen, steil aufstrebenden Indie-Band Daughter aus dem UK.

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Daughter. Sie sind nicht neu, doch jetzt im März, nach zwei EPs kommt ihr Debütalbum. Es ist groß, erzählt von Sehnsüchten, Einsamkeit, der Liebe und der Jugend. So dermaßen unprätentiös wie seit langem nicht mehr. Etwas müde von ihrem allersten Promotag überhaupt, sprechen Elena, Igor und Remi über ihre LP und ihren musikalischen Entwicklungsprozess. Und da es schon spät ist, dürfen Bier und Gin Tonic ohne weiteres getrunken werden…

Ihr habt zwei EPs released, bevor ihr euer Album „If You Leave“ Mitte März veröffentlicht. Wie würdet ihr euren Entwicklungsprozess beschreiben? Es ist ja nun schon ein neuer Sound.

Elena: Auf unserer ersten EP haben wir mit den Mitteln gearbeitet, die uns zur Verfügung standen. Es ist ein begrenzter Sound, sehr minimal. Wir haben Folk gemacht. Soundtechnisch ging es uns darum, etwas mit wenigen Mitteln zu schaffen. Für „His Young Heart“ hatten wir nur ein paar Mikrofone und Gitarren. Bei der zweiten EP „The Wild Youth“ kamen mehr elektronische Elemente, verschiedene Sounds von E-Gitarren und mehr Drums dazu.

Ich denke, dass wir uns sehr einig darüber waren, dass wir für das Album wieder etwas Neues machen mussten. Es sollten nicht nur die beiden EPs noch einmal auf einer Platte zusammengefasst werden. Auf der anderen Seite aber sollte es sich nicht zu weit von den EPs distanzieren, weil wir sehr stolz auf sie sind und sie mögen. Der Sound ist nun etwas aggressiver, die Akustikgitarre beiseite gelegt, wir spielen nun auf E-Gitarren.

Igor: Für mich ist der wesentliche Unterschied zwischen „The Wild Youth“ und dem Album, dass wir sehr viel Zeit hatten, auf etwas aufzubauen. Für das Album haben wir das bereits Vorhandene genommen und weniger darüber nachgedacht, was wir tun sollen, sondern einfach instinktiver gearbeitet. Und das hat sich auf die Ungeschliffenheit des Albums ausgewirkt. Ich spüre eine Entwicklung.

Als ich die ersten EPs gehört habe, konnte ich einen typischen Daughter-Sound feststellen. Viel Stimmenreverb, Soundscapes, warme, melancholische Gitarrenriffs. Dann hörte ich das Album und dachte mir, dass es noch immer der Sound ist, aber neu interpretiert. Wie das?

Igor: Das Album hab ich größtenteils mit Hilfe von anderen produziert, die ein paar Songs co-produziert haben. Es ist lustig, dass Menschen, vor allem in Interviews denken, wir machen jetzt ein Coldplay Album, weil wir große Namen haben, die uns helfen, Rodeigh McDonald, J Thomas (Adele, The xx) …

Als wir das Album gemacht haben, wollten wir etwas haben, das sich so anfühlt wie ein Debutalbum. Wir wollten nicht einfach alles an die Produzenten abgeben und sie alles machen lassen. Wir behielten einen großen Teil der Kontrolle darüber, ich war sehr in die Produktion involviert. Klar war die Band auch dabei, doch da ich sehr interessiert am Recording bin, habe ich am meisten daran gearbeitet. Mit der Hilfe von erfahrenen Produzenten und mit unserer Idee der Ungeschliffenheit, haben wir unsere Visionen erreicht.

Daughter war eigentlich erst ein Soloprojekt von dir, Elena?

Rein technisch gesehen war es nur ich, ja. Ich habe eine Zeit lang Soloprojekte gemacht. Aber unter dem Namen Elena Tonra, also meinem bürgerlichen Namen. Es war geistig und inhaltlich nicht dasselbe wie Daughter. Dann habe ich Songs in die erste EP eingebracht, dann wurden wir zum Kollektiv.


Das Songwriting übernimmst aber immer noch nur du alleine?

Ja, die Lyrics schreibe ich alleine. Aber auch nur, weil ich mir nichts Schlimmeres vorstellen kann als vor anderen zu schreiben. Das bleibt immer noch ein Solo-Ding.

Igor: Und dann spiele ich ein paar Saiten, dann arbeiten wir gemeinsam, zeigen es Remi und entwickeln Arrangements.

So kommt ihr beispielsweise völlig ohne Bass aus?

Nein, nein, was passiert, ist dass wir es am Anfang sehr ohne mochten. Aber bei "Candles" hatten wir schon Bass, auch bei "Home und Love".

Ich habe vor acht Jahren einen Bass gekauft. Einen richtig mülligen E-Bass. Großartig. Es ist nicht der Beste, aber jeder spielt ihn mal. Remi spielt Bass und Drums gleichzeitig. Ich spiele jetzt Bass mit einem Fußpedal, während ich Gitarre spiele. Die neuen Tracks sind basslastiger, da wir der Produktion viele Subbässe und Synthbässe verwendet haben.

Weil Bass sehr wichtig ist…

Das Ding ist, dass wir das Album aufgenommen und produziert, es aber noch nie live gespielt haben. Wir finden jetzt gerade heraus, wie wir es live spielen. Es gibt Songs, die funktionieren ohne Bass ("Shadows") und bei anderen haben wir gemerkt, dass es ohne einfach nicht geht ("Still). Und nun überlegen wir, ob wir einen vierten Musiker für Gigs brauchen, der uns dabei hilft, die richtige Stimmung rüberzubringen.

Ist es euch wichtig, Songs zu produzieren, die live auch ideal umgesetzt werden können?

Igor: Ich war mir dessen während des Produktionsprozesses sehr bewusst. Ich habe mein Bestes gegeben, etwas zu produzieren, das wir als Band spielen können. Ich denke, dass es verschiedene Szenarien geben könnte. Wir könnten als Trio spielen, bei dem ich irgendwann den Spaß am Spielen verliere, weil ich mich zu sehr auf die vielen Instrumente und Aufgaben konzentrieren muss, die ich zu tun habe.

Man muss in der Lage sein, dieses spezielle Gefühl zu haben, wenn man auf die Bühne geht. Dieses Gefühl, das man bekommt, wenn man die Platte hört. Wir finden, dass ein guter Song ein guter Song ist, wenn er auch nur auf einer Akustikgitarre gespielt werden kann.

Elena: Wenn man als Zuhörer eine Band live sehen will und davor das Album gehört hat, dann kann man schnell enttäuscht werden oder sich betrogen fühlen, wenn es sich dann überhaupt nicht so anhört wie auf der Aufnahme. Man mag keine Band sehen, die einfach irgendwo Play drückt, man muss in der Lage sein, die richtige Balance zu finden. Und das versuchen wir.

Remi: Genau das ist das schwere daran, Musiker zu sein. Man ist so an die Songs gewöhnt. Das Album kommt Mitte März, also können Menschen die Songs schon früher hören, weil wir ein paar Songs schon seit Jahren spielen. Wir versuchen einen Kompromiss einzugehen.

Für mich ist das Album die eine, geschlossene Sache. Eine neue Erfahrung ist die Liveshow. Sie ist etwas ganz anderes, muss aber ans Album anknüpfen. Eine Show ist emotionaler, weil Menschen um dich herum sind.

Ich finde, man kann eure Songs als Musik einer entschleunigten neuen Jugend sehen, die sich vom Mainstream und dem Techno abzuwenden scheint. Spinne ich?

Elena: Das ist ein schöner Gedanke. Ich hoffe, dass die Musik die wir schaffen, nicht eine vergängliche Sache ist. Sie ist bewusst. Sie ist unser Mittler, über den wir uns mit Menschen treffen wollen – und das für eine lange Zeit. Ich hasse es daran zu denken, dass Menschen in ein paar Jahren zurückdenken und über uns sagen könnten: „Man.. Daughter… das ist so 2012…“

Igor: Hoffentlich spricht es Menschen unserer Generation an. Ich denke nicht, dass es Hymnen werden, bei dem jeder die Hände in die Luft reist und beginnt zu weinen. Es soll einfach in die Zeit passen.

Okay, ihr seid jetzt, noch vor eurem Album Release sehr beliebt und präsent. Dank David Letterman? War es nicht etwas zu früh für einen Auftritt in seiner Show?

Igor: Ja, definitiv zu früh. Aber es war großartig, denn wir sagten erst Nein zu unserem US-Label. Dann kam während unserer US-Tour einer seiner Produzenten zu einer der Shows und bot uns an, zu spielen. Wir fühlten uns noch nicht dazu bereit, hatten gerade erst zwei EPs produziert und begonnen live zu spielen…

„Ihr seid verrückt, ihr müsst es tun, meinte er…“ Und dann haben wir es gemacht. Es war unglaublich. Danach hatten wir alle drei das Gefühl, ein neues Level erreicht zu haben.

"If You Leave" erscheint am 18. März via 4AD.

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