»Dem Ruf als Musikland gerecht werden« – Musikfonds-Geschäftsführer Harry Fuchs im Interview

In einem Angebotspapier an die neue Bundesregierung fordert der zuständige Fachverband der WKO zeitgemäße Rahmenbedingungen für die Film- und Musikwirtschaft. Mitautor Harry Fuchs über die zunehmend prekäre Einkommenssituation einer gesamten Branche, die Vision vom Musikexportland Österreich und darüber, was Schweden von ABBA gelernt hat.

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© Müller

Musik aus Österreich ist zurzeit sehr erfolgreich – sowohl hierzulande als auch international. Man könnte denken, vieles läuft gut. Wo liegen aktuell die größten Probleme und wieso sollte gerade jetzt mehr in Fördermaßnahmen investiert werden?

Im Bereich der Musik gestalten sich die Rahmenbedingungen nicht zuletzt aufgrund der dramatischen Marktentwicklungen der vergangenen 20 Jahre äußert problematisch. Musikproduktion ist aus sich heraus in den meisten Fällen durch die Verkäufe nicht mehr refinanzierbar, die Einkommenssituation der MusikerInnen, aber auch der BranchenteilnehmerInnen in den Labels, Agenturen und Verlagen wird zunehmend prekärer. Eine Musikproduktion auf konkurrenzfähigem, internationalem Qualitätsniveau bedarf daher einer finanziellen Unterstützung, wie sie durch den Österreichischen Musikfonds angeboten wird. Der Markt hat sich sowieso gedreht – war früher ein Album der Hauptumsatzträger, so dominiert heutzutage das Livegeschäft. Die Top-Acts in den USA generieren teilweise über 90 Prozent ihrer Einkünfte aus dem Touring. Und die Top-Acts sind es auch, die hierzulande den Livemarkt dominieren. Wegen der teuren Ticketpreise ist das Haushalts-Entertainment-Budget durch den Besuch einiger weniger Festivals oder Großkonzerte aufgebraucht. Kleinere Acts tun sich da schwer, am Kuchen mitzunaschen. Um letztendlich eine kritische Größe zu erreichen, muss sich ein Act sein Publikum jedoch sukzessive erspielen können. Daher ist es wichtig, Konzerte und Tourneen zu fördern. Und am Beginn steht sowieso immer die Musikproduktion an sich, weshalb es unabdingbar ist, auch diese finanziell zu unterstützen.

Welche Konsequenzen hätte es, wenn das Förderbudget nicht erhöht, sondern auf dem aktuellen Stand belassen oder gar gekürzt würde?

Dass in Hinblick auf das uns zur Verfügung stehende Budget letztendlich nur rund 18 Prozent der Produktionseinreichungen gefördert werden können, wurde schon 2009 in einer vom damaligen Kulturministerium in Auftrag gegebenen Evaluierung festgestellt und eine deutliche Aufdotierung der Mittel empfohlen. Ebenfalls als wichtig erachtet wurde die Ausweitung der Förderaktivitäten um eine Vermarktungs- und Vertriebsförderung. Diese Empfehlungen haben auch Eingang in die zwei folgenden Regierungsabkommen gefunden – die dringend notwendige, spürbare Erhöhung der Mittel des Musikfonds hatte dies aber bedauerlicherweise nicht zur Folge. Sowohl der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft als auch das Forum Musik, ein Zusammenschluss aller namhaften Musikinstitutionen und Interessenvertretungen in diesem Land, richten daher wiederholt die Forderung an die neue Bundesregierung, die dringend notwendige Budgeterhöhung des Musikfonds ganz oben auf ihre Kunst- und Kulturagenda zu setzen. Was eine Kürzung der Mittel beim Musikfonds bewirkt, lässt sich anhand zweier Beispiele ablesen: Als der ORF seine finanzielle Unterstützung vor einigen Jahren beendet hat, ging ein Aufschrei durch die Reihen der Musikschaffenden und diese haben eine Initiative auf Facebook gestartet, die binnen Kurzem über 10.000 UnterstützerInnen gefunden hat. Der ORF ist ja zum Glück mittlerweile wieder als finanzierender Partner mit im Boot. Und als wir aufgrund der wegen des offenen Amazon-Verfahrens (Stichwort Festplattenabgabe; Anm. d. Red.) eingefrorenen SKE-Fördermittel einen Call ausfallen lassen mussten, hat dies ebenfalls zu einem lauten Aufschrei geführt. Eine dauerhafte Kürzung unseres Budgets wäre für die Musikszene ein schwerer Schlag, ein gleichbleibendes Budget würde ein weiteres Arbeiten mit einer deutlichen Unterdotierung bedeuten. Wir hoffen aber immer noch auf ein eindeutiges Bekenntnis der Politik zum Musikland und Musikstandort Österreich und auf eine damit verbundene deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel. Wir arbeiten auch weiterhin daran, die verantwortlichen PolitikerInnen von der Wichtigkeit eines Musikförderungsgesetzes zu überzeugen, das eine langfristige Planungs- und Finanzierungssicherheit bedeuten würde.

Lässt sich die Wirkung der bisherigen Maßnahmen des Musikfonds und anderer Einrichtungen inklusive aller Umwegrentabilitäten beziffern?

Was den Musikfonds betrifft, so hat dieser in den zwölf Jahren seines Bestehens 680 Produktionen mit mehr als sieben Millionen Euro, davon rund 800.000 Euro für Musikvideoproduktionen, gefördert und darüber hinaus 275 Livetourneen mit weiteren 1,2 Millionen Euro unterstützt. Die Förderungen durch den Musikfonds tragen nicht zuletzt in Form von kommerziellen Erfolgen, nationalem und internationalem Medienecho sowie Auszeichnungen mit Musikpreisen deutlich sichtbare Früchte. Es gibt zwar Studien zum heimischen Musikmarkt von Scheuch aus dem Jahr 2001 und dem IHS aus 2012, die zeigen, dass die gesamte Musikbranche in Österreich letztendlich 3,35 Milliarden Euro an Wertschöpfung generiert, bei über 61.000 Beschäftigten. Die Scheuch-Studie zeigt auch, dass jeder in Musikproduktion investierte Euro in der Folge vier Euro an Wertschöpfung erzeugt. Diese Zahlen sagen aber letztendlich noch nichts über die konkreten Wirkungen und Umwegrentabilitäten von Musikfördermitteln aus. Wir wünschen uns schon lange eine solche Studie, die jedoch auch finanziert werden muss. Der Musikfonds kann dies nicht leisten, da wir unsere Mittel zur Gänze für tatsächliche Produktions- und Tourförderung ausschütten und nicht in Studien investieren wollen. Aber vielleicht findet sich ja ein Sponsor, der eine solche Erhebung unterstützen möchte.

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