Der Garten deiner Seele ist verwildert


Isolation Berlin können alles. Ihr Debüt ist ein Überraschungsei der Genres, Referenzen und Stimmungen.

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Ein altes Muster: Wenn sich jemand neu erfindet, manchmal im Bowie’schen Ausmaß, geben EPs Auskunft darüber, wo die künstlerischer Reise hingeht, ohne eine teure Albumproduktion finanzieren zu müssen. Werden die Vorabkurzalben gefeiert – wie im Fall von Isolation Berlin – steht dann beim folgenden Album die strategisch wichtige Entscheidung an: Wohin mit den alten Hits? Weil so richtig recht machen kann man es niemanden: Alle großen Songs, die man schon vorher kannte, waren etwa auf »Schick Schock« drauf, zu wenig (gutes) neues Material hieß es. Julian & der Fux haben die Hits ausgelassen, hat manchen auch nicht getaugt. Dorian Concept war schon längst woanders als bei hyperaktiven Fingerübungen angelangt. Isolation Berlin – bereits gesegnet mit der großen Rio-Reiser-Gedächtnis-Hymne »Alles Grau«, der Noisepunk-Dystopie »Körper« und der Verzweiflungs-Odyssee »Isolation Berlin« – haben sich entschieden, diese und weitere Stücke auf einer Zusammenstellung zu veröffentlichen. Man könnte »Protopop« oder »Berliner Schule« dazu sagen. Und beschenken die Welt jetzt mit 12 ganz neuen Songs auf »Und aus den Wolken tropft die Zeit«.

Die Beschenkten erleben die extremen Pole, zwischen denen sich die vier Berliner, denen man – sympathisch! – einen leichten Hang zur Selbstüberschätzung nachsagt, seit jeher bewegen, in noch ausgeprägterer Form. Erstens und hauptsächlich: Lyrisch desillusionierender, von nordischer Melancholie und einsamen Gitarren getragener Regener-Sehnsuchtspop, besonders prominent in den sicherlich besten Albumstücken und Liebeskummernummern für Generationen wie etwa »Der Garten deiner Seele«, »Schlachtensee« und »In manchen Nächten«, ergänzt durch das eher nautische »Herz aus Stein«. Zweitens: Manchmal klingen Isolation Berlin nach Die Nerven, sind stellenweise rau und stark, wütend und laut, noisepunkig. Oft, und das muss als Referenz dann genügen, sind sie auch die etwas bundesdeutscheren Ja, Panik. Die Vorschusslorbeeren als »vielleicht wichtigste deutsche Indie-Band des Jahres« (Zitat: viele) haben sie in jedem Fall eingelöst. Und das muss auch mal reichen.

"Und aus den Wolken tropft die Zeit" von Isolation Berlin erscheint am 19. Februar via Staatsakt. Hier ist es streambar. "Berliner Schule/ Protopop" ist ebenfalls hier streambar.

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