Die Szene in Wien floriert. Doch neben den großen Locations wird nach wie vor in kleinen Clubs, in den Beisln und Pubs der Hauptstadt gefeiert. Doch tut sich da irgendwas? Genau hier fragen wir nach. Heute bei Sascha, Thomas und Aron vom Kramladen.
Weil wir gerade bei der Stadt sind… Als neues Lokal kann man das Nichtrauchergesetz 2018 wohl noch verkraften, oder?
S: Wenn es ein generelles Rauchverbot gibt, dann ja. Das hat man in anderen Ländern auch geschafft. Momentan haben wir eine typisch österreichische Regelung. Die Einzigen, die verdienen, sind die Tischler und Glaserer. Die Gastronomen haben unheimlich viel Geld in die Hand nehmen müssen für Abtrennungen und so weiter, was schwachsinnig ist.
Wenn nicht mehr geraucht werden darf, dann verlagert sich alles nach draußen. Gibt es da dann Probleme?
T: Am Gürtel ist das echt kein Problem. Da haben es andere Locations weitaus schwieriger.
S: Wir haben natürlich Auflagen vom Amt, die sind aber nachvollziehbar. Bei einem harten Metalkonzert dürfen wir natürlich nicht alle Türen sperrangelweit aufmachen.
Findet ihr das der Gürtel eine eigenständige Clubszene in Wien ist?
S: Ja! Der Gürtel ist eine Institution. Was aber auch natürlich heißt, dass man als neuer Laden, sich jetzt nicht behaupten muss, aber seinen Weg finden muss. Es gibt Lokale, die sind 20-25 Jahre da und das hat schon seinen Grund. Die sind gut, die haben Qualität. Ich war selbst jahrelang Stammgast im Rhiz. Das ist ein super Lokal. Die unterstützen die Musikszene. Ohne solche Lokale, gäbe es die Clubszene am Gürtel nicht. Es gibt ähnlich große oder größere Städte wie Wien, die ein bisschen langweiliger sind.
Und die anderen Lokale am Gürtel sind mittlerweile Freunde, Konkurrenz oder Vorzeigebeispiele für euch?
T: Freunde. Also befreundet. Also wie gesagt, im Bach oben haben wir früher oft was gemacht. Man tauscht sich aus, man hilft sich gegenseitig.
S: Wir versuchen unseren eigenen Weg zu gehen und das Programm zu ergänzen. Das schaffen wir auch relativ gut mit unserem differenzierten Programm. Aber definitiv keine Konkurrenz. Ich würde uns und auch die anderen eher als gegenseitige Bereicherung sehen.
A: Ich habe, glaube ich, in jedem einzigen Lokal in diesem Grätzel schon veranstaltet. Im Weberknecht, Concerto, Carina, Rhiz, B72. Im Chelsea habe ich noch nicht veranstaltet aber sonst überall. In gewissen Lokalen sind gewisse Sachen möglich und das Schöne am Kramladen ist, dass man hier neue Sachen ausprobieren kann, was vielleicht in eingesessenen Lokalen etwas schwieriger wäre.
Aron, du sagst, dass man im Kramladen was Neues machen kann. Findest du, dass man das in anderen Lokalen nicht machen kann?
A: Kann man schon auch, aber da ist schon eine eingeschworene Gemeinschaft, wo sich die Habara schon untereinander gut kennen. Wenn man wirklich was Neues machen will, so Liveelektronik und Akustik, das braucht einfach einen neuen Rahmen. Wieso soll man also nicht die Qualität steigern und in einem neuen Lokal ein neues Gesicht zeigen. Also zeigen, was die Stadt sonst noch so zu bieten hat.
Findest du, dass die Veranstalterszene in Wien eine elitäre Szene ist? Dass man es teilweise schwer hat, in den eingeschworenen Kreis hineinzukommen?
A: In gewissen Dimensionen schon. Also wenn wir dann von einer anderen Liga sprechen, die es gibt, dann definitiv, ja. Da werden dann die Großen von den noch Größeren aufgefressen, wie es auch halt in anderen Wirtschaftsbereichen passiert. Was halt auch fragwürdig ist, weil das Ganze dann von immer mehr größeren Unternehmen gesteuert wird. Das ist halt schade, weil es soll ja nicht zum Einheitsbrei werden.
Wenn die Bögen links und rechts von euch frei wären und ihr das Lokal ums Doppelte vergrößern könntet, was würdet ihr gerne anders machen?
S: Ich bin mit der Größe echt zufrieden. Ich glaube, es ist für das, was wir machen wollen, genau richtig. Wenn wir mal Bands haben, die weniger Leute ziehen, ist es trotzdem angenehm und es ist nicht peinlich, weil es halb leer ist. Wenn du Hausnummer in der Szene spielst und es kommen 50 Leute, dann kannst du noch hundert mal den Vorhang in der Hälfte runterlassen und es sieht komisch aus.
Hat sich die Wiener Clubkultur in den letzten fünf bis zehn Jahren verändert?
S: Also da am Gürtel gibt es glaub ich keine Veränderung. Sicher, einzelne Lokale, wie zum Beispiel das B72 verändern sich mit der Zeit, aber sonst gibt es, denk ich, keine gravierenden Veränderungen. Bei den schönen, nobleren Locations hat sich aber einiges getan. Die Clubs, die halt wirklich auch großes Geld für ein Booking in die Hand nehmen. Vielleicht auch ein Grund dafür, wieso die Pratersauna jetzt eingegangen ist. Das Chaya Fuera ist zum Beispiel ein wunderschöner Club. Wenn man jetzt nicht stinkreich ist, kann man da aber nicht jeden Tag hingehen. Es sind dort supergeile Konzerte, aber die Getränkepolitik…
A: Was mich auch gewundert hat, ist das die Grelle Forelle, die ja eigentlich ein Club ist, jetzt sehr viel Live macht. Das können sie sich aber auch nur leisten, weil die Getränke an der Schank halt ihren Preis haben. Was sich drastisch verändert hat, ist das Flex.
Ihr seid ja ein Live-Lokal und legt sehr viel wert auf Livemusik. Findet ihr es seltsam, dass Leute schnell mal 10-15 Euro für einen Club ausgeben, aber bei fünf Euro Eintritt für ein Konzert zögern?
S: Das ist komplett von der Szene abhängig. Ich bin aber dafür, dass bei einem Konzert mit 2-3 Livebands 10 Euro Eintritt eigentlich die Untergrenze sein sollte. Ich weiß, wie wenig da hängen bleibt, was ein Proberaum kostet, was ein Album kostet, eine EP, Werbekanäle, etc. Du musst überall zahlen, und zwar nicht wenig. Es gibt Clubs, deren Namen ich jetzt nicht nennen will, da musst du als junge Band eine bestimmte Anzahl an Karten verkaufen, um dort spielen zu dürfen. Sonst musst du Pönale zahlen. Da wollen wir nicht mitmachen.
T: Man kann es aber mit einem Club überhaupt nicht vergleichen. Das ist ja ein anderes Fortgehen. Der Fokus ist ein anderer.
Was muss man tun, um bei euch nicht reinzukommen?
S: Extrem angesoffen sein. Extrem auf Drogen sein. Es gibt bei uns kein Problem mit Hautfarben oder Kleidung.
T: Mit Jogging Hi (Anmerkung der Redaktion: Das sind Schuhe. Hier stand eigentlich mal Joggingheidl.) kriegst du gratis Eintritt.
S: Das kann dir sogar passieren. Aber ob der Style jetzt so oder so, oder die Hautfarbe, Haarfarbe so oder so ist, ist komplett egal.
Ein Abstecher in den Kramladen zahlt sich also definitiv aus. Der Eintritt bei den Konzerten variiert, ist aber fast immer zwischen 0 und 10 Euro. Es gibt gutes Bier zum Gürteldurchschnittspreis. Zu Essen gibt es zwar nichts, aber der nächste Falafelstand ist am Gürtel ja nie weit. Das aktuelle Programm findet man immer hier.
Mehr zur kleinen Clubkultur gibt es hier:
Das Bach: Der Punk geht den Bach runter
Polkadot: Jetzt bin ich der Chef
Café Carina: Rock’n Roll im Drogenmilieu
Local: Rock am Ende des Gürtels
B72: Indie Disco Inferno auf zwei Floors
Tüwi: Eine endlose Abrissparty
Kiez: Einmal ohne Bühne, bitte!
Avalon: Wirtshaus mit Kulturschock
Tonstube: Fusion-Clubbar mit Privatstrand
Tunnel: Tunnel of Love, Jazz & Hutspende
Mon Ami: Lass uns doch ne Bar aufmachen
Café Dezentral: Wiener Original im Stuwerviertel
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