Niemand vereint elektronische Tanzmusik so organisch mit dem, was nach Natur klingt, wie Henrik Weber, alias Pantha Du Prince. Gerade ist sein neues Album Elements of Lights erschienen, das er mit dem Bell Laboratory aufgenommen hat.
An einem kalten Tag, in einem schicken Hotel in Berlin Mitte, spricht der Künstler von Waldspaziergängen, der Art des Lehrens, die er gerne erfahren hätte und natürlich auch von seiner neuen Platte.
Du kommst gerade von einer langen, internationalen Tour. Wie lange wirst du in Berlin sein, bis du als Nomade weiterziehst?
Ich habe nun meine Sachen in einer Wohnung in Berlin zusammengetragen. Nachdem das jahrelang verteilt war, in allen möglichen Speichern, Kellern und Städten in Berlin und Paris. Im Januar werde ich wieder ein bisschen in Paris sein.
Paris ist einfach schon einfach eine Form von Leichtigkeit, Lebensfreude und Vitalität, die ich in Berlin so nicht erlebe. Berlin ist mittlerweile etwas ganz anderes geworden. Mittlerweile ist Berlin explodiert. Ich krieg das aber nicht so mit, da wo ich wohne, in Schöneberg, da explodiert es nicht so.
Ich würde dich ja als Romantiker einstufen. Deine Pantha Produktionen erinnern an romantische Geschichten, wie Eichendorff oder E.T.A. Hoffmann sie erzählten. Auch bei ihnen spielt das Organische eine sehr große Rolle. Siehst du dich als Geschichtenerzähler?
Ja, aber ich sehe das anders. Für mich hat meine Musik etwas viel Roheres, auf der anderen Seite etwas viel Wissenschaftlicheres, als ein E.T.A. Hoffmann. Ich finde, das Spannende an ihm, im Unterschied zu Eichendorff ist, dass Hoffmann irrsinnig komplexe Entwürfe von Menschenbildern, Psychogrammen, technischen Standards der Zeit und Probleme der Mann-Frau Beziehung geschaffen hat. Für mich ist "Black Noise", also die Platte davor, eine andere Form der Auseinandersetzung mit diesen Ansätzen.
Es hat glaube ich etwas Faktischeres, etwas Technokratischeres, als man an der Oberfläche sehen würde. Es gibt Zusammenhänge und Verweise, auch Themenbereiche, die da mit reinspielen, gegen die ich mich wehre. Die Oberfläche als das eigentliche Zeichen, oder was es in dir macht und dich berührt, das ist es, worum es geht. Es geht vielmehr um andere Dinge, die mit einer Bewegung wie der Romantik nicht abgedeckt wären.
Siehst du die Welt als Instrument? Du, der Klangerzeuger, der immer schon einen Ton zu jedem Objekt im Kopf hat, wenn er einen Raum betritt?
Jedes Objekt klingt. Jedes Objekt, das ich sehe, hat einen Klang. Ich kann jetzt hier aus diesem Zimmer was herausschreiben. Wenn du wissen willst, wie dieses Hotelzimmer klingt, dann muss ich mich für zwei Stunden hinsetzen. Das Kanapé klingt so, die Wand klingt so, die Heizung klingt so, Der Tisch klingt so (klopft auf den Tisch), der ist halt massiv, trotzdem ist es kein Massivholz. Materie evoziert Klang.
Es ist komprimierter Klang. Klang der nicht mehr hört, gefrorener Klang, der aber genauso in Wellenformen auflösbar ist. Jedes Objekt hat eine komprimierte Wellenform aus Molekülen.
Dein Ansatz ist sehr wissenschaftlich. Könntest du dir vorstellen, dein Wissen an Universitäten oder anderen Bildungseinrichtungen zu lehren?
Ich kann nur lehren den Menschen eine Intuition beizubringen wie man mit der Welt umgeht und sie dann mit Klängen festhält. Ich kann mir auch vorstellen Lehrer zu sein, aber die Form des Lehrers, die wir kennen, könnte ich mit Sicherheit nicht sein. Eine didaktische Herangehensweise an ein Thema ist nicht mein Ding. Das ist für mich nicht die Art des Lernens, die ich durch meine Arbeit kennengelernt habe, und die ich als bereichernd empfinde. Wenn, dann guck ich mir Dinge mit den Schülern an, die ich selber noch nicht kenne und aus denen ich selber was dabei lernen darf.
Du sagtest einmal, für dich sei der Club der Wald der Stadt. Siehst du das noch so?
Puh, das ist jetzt schon sehr lange her, dass ich das gesagt habe. Mittlerweile würde ich sagen, dass der Wald wieder der Wald ist und der Club wieder der Club. Aber eine Zeitlang in meinem Leben war das so. Der Club hat den Wald ersetzt. Man verliert sich, man löst sich ein Stück weit aus. Chaos, Abenteuer, Entdeckung, eine Form der freien anarchischen Zone. Der Stärkere überlebt, aber trotzdem gibt es einen Organismus, der eine Gerechtigkeit in sich hat. Nach meiner USA Tour war ich wieder ein paar Tage dort. Doch empfinde ich es nicht unbedingt als angenehm. Ich bin total auf mich selber zurückgeworfen und merke, wie viel ich gemacht habe. Die Ablenkung fällt weg. Über mehrere Wochen kein Internet, kein Telefon zu haben …
Auf deinem neuen Album agierst du weniger als Produzent, sondern vielmehr als Arrangeur und Komponist.
Ich hab sehr viel losgelassen, habe sehr viel aus der Hand gegeben. Es ist die Möglichkeit eröffnen, ein Blatt zu beschreiben, das unbeschrieben ist. Diesen Rahmen herzustellen, war meine Aufgabe für dieses Projekt. Andere haben es organisiert diesen Rahmen herzustellen, aber ich habe das Stück geschrieben. Danach oblag es dem Organismus zu entscheiden, was wann oder wie kommt und weniger mein Dialog mit der Maschine, der dann zu etwas führt. Wo ich immer noch an dem Knopf drehen kann und die Parameter ändern kann. Jetzt reduzieren sie sich extrem und ich kann sie nicht beeinflussen.
Wie fühlt sich das für dich an, dass es für dich nicht mehr beeinflussbar ist?
Es ist eine andere Form. Du musst in dem Moment die Konzentration für die Menschen herstellen, du musst den Rahmen herstellen für die Leute, die ihn füllen. Es ist nicht mehr das direkte Machen, es ist das Schaffen einer übergeordneten Atmosphäre, die alle anderen mittragen können. Die anderen beeinflussen diese mit, und das zu akzeptieren, ist die Herausforderung. Und das ist für mich eine ganz andere Art der Anstrengung und der Konzentration. Es ist geil.
Da die Instrumente so willkürlich ausklingen, wird kein Konzert so klingen, wie die Aufnahme auf der Platte, oder?
Die Musiker, die Instrumente klingen immer anders. Wir benutzen auch ständig andere Instrumente. Jede Umgebung, jede Atmosphäre ist anders, daher werden das Carillon und die anderen Glockenspiele in jedem Raum einzigartig klingen.
Die fünf Phänomene (Songs), die während der Entstehung des Lichts entstehen, hört man ja nicht. Du interpretierst jedoch ihre Klänge.
Das könnte man so sagen. Es ging mir in dem Moment darum, dass es mich interessiert hat, wie dieses Wissenschaftsmodell des Lichts des letzten Jahrhunderts, auf einmal die komplette Zivilisation in Frage stellt. Wie auf einmal mit der Lichtgeschwindigkeit alles in Frage gestellt wird, was wir kennen und daraus eigentlich unsere Moderne entstanden ist. Wie kann sich das heute im Rahmen einer rituellen Tanzmusik anhören, das ist meine Frage. Da ist etwas, wie das Übergeordnete sein, das man erleben kann und das man es an so einem Phänomen einfach deutlich macht, das war meine Absicht.
Gibt es einen Höhepunkt in dem Album? Gibt es den Moment der Entstehung des Lichts innerhalb der knapp 45 Minuten?
Es gibt den Moment, aber er wird nicht ausgesprochen. Ich sehe das Ganze als einen Moment. Es ist ein Lichtfunke. Deswegen ist es schwierig für mich zu sagen, wo dieses Moment steht. Oft entsteht daher auch eine leichte Frustration. Diese ist aber Teil des Lichts.
Zur Review von "Elements Of Light" geht es hier. Das Album ist bereits erschienen.