Das Spiel zieht die Spielenden zur Verantwortung.
Die Frage nach der Menschlichkeit künstlicher Intelligenz ist beileibe nicht mehr neu. Auch wenn sie jedes Mal wenn sie gestellt wird, ein Stück aktueller wirkt als noch beim letzten Mal, wurde sie doch schon recht ausgiebig durch den popkulturellen Fleischwolf gedreht. Beim Spielen von „Detroit: Become Human“ entsteht gar nicht der Eindruck, dass sich Quantic Dream mit seinem streitbaren Director David Cage von allen vorhandenen Spuren der bereits geschehenen Verwurstung des Themas abheben will. Vielmehr geht es um ein neues Level der Erlebbarkeit und hier ist vieles sehr gut gelungen.
Ganz im Stil seiner Vorgänger „Fahrenheit“, „Heavy Rain“ und „Beyond: Two Souls“ werden in „Detroit: Become Human“ Charaktere durch beeindruckend realistisch animierte Szenen einer großen Geschichte geführt. Die fehlende Bewegungsfreiheit wird dabei durch Freiheit in den Details kompensiert: Ein Blick aus dem Fenster oder auf das umgekippte Familienfoto? Beides geht sich manchmal nicht aus. Unzählige Entscheidungen in Dialogen und Handlungsabläufen prägen nicht nur das Spielerlebnis sondern auch den Fortlauf der Handlung. Auf welche Weise sie das tun, bleibt vorerst aber unbekannt.
Erzählt wird in „Detroit: Become Human“ von einer nahen Zukunft. Androiden sind zu einem zentralen Teil des Alltags geworden. Sie machen die Hausarbeit, kehren die Straßen, arbeiten als Prostituierte und ermitteln sogar für die Polizei. Den Menschen erleichtern sie in vielen Fällen das Leben, aber natürlich ist da auch Raum für Aggression. Weil Arbeitsplätze verschwinden, weil menschliche Schwächen an programmierter Perfektion abprallen und weil das Fremde ohnehin immer auch abstößt. Nicht von ungefähr werden im Spiel wieder und wieder Parallelen zu Sklavengesellschaften gezogen.
Plötzlich beginnen Androiden von den für sie vorgesehenen Verhaltensmustern abzuweichen. Weil sie zu menschlich geworden sind, wie es scheint. Und aus den Perspektiven von drei abwechselnd spielbaren Androiden entfaltet sich eine Geschichte, die wenig überraschend um Fragen nach der Definition von Menschlichkeit kreist.
Im Gegensatz zu Tragödien, die wir als Film oder Theaterstück erleben – schreibt der dänische Gaming-Theoretiker Jesper Juul – können wir uns im Fall von Videospielen nicht aus der Affäre ziehen. Wir waren dabei. Wir haben darüber nachgedacht, ob wir die Waffe aufheben sollen oder nicht. Und wir haben letztendlich auch die Eingabe zum Abdrücken gegeben – oder Unrecht geschehen lassen. Vor diesem Hintergrund wirkt es nebensächlich, ob „Detroit: Become Human“ diverse Stereotype abklappert; vom Androidenfriedhof zum aufgelassenen Vergnügungspark und vom unheimlichen Schlossbesitzer mit dem slawischen Vornamen zum dauerbetrunkenen Cop mit dem guten Herzen. All die bekannten Versatzstücke ergeben ein ganz neues Erlebnis, weil uns Quantic Dream hervorragend abgestimmt mit ihnen interagieren lässt – ohne dabei den Fluss der Erzählung zu sehr ins Stocken geraten zu lassen. Und weil wir uns für das was geschieht verantwortlich fühlen.
„Detroit: Become Human“ ist vielleicht das beste Spiel des Studios bislang. Nicht, weil es grundlegende Dinge neu erfindet – die Entwicklung der Spieldynamik lasst sich über die aufeinanderfolgenden Titel ganz gut nachvollziehen – sondern weil die Balance diesmal noch besser gefunden wurde. Hektik und ruhiges Erkunden wechseln sich ab und transportieren die jeweilige Stimmung. Selten bleibt Zeit, alle Informationen zu sammeln oder alle Optionen in Erwägung zu ziehen. Und das alles ergibt ein glaubwürdiges Erlebnis, das den Perfektionismus unbefriedigt zurücklässt und im lustvollen Was-wäre-gewesen-Wenn endet, wenn am Ende jeder Szene die Struktur der getroffenen Entscheidungen eingeblendet wird.
„Detroit: Become Human“ erscheint am 25. Mai 2018 exlusiv für Playstation 4.