Es wird eng: Die Thriller »Buried« und »Frozen« setzen ihre Figuren in Sarg und Skilift fest. Das Auskosten intensiver Material- und Körperbelastungen sticht dabei jede Kammerspielpsychologie aus.
Über mir ein Drahtseil, viele Meter unter mir eine abschüssige Landschaft, und alles, was mich am Runterfallen hindert, ist ein lächerlicher Metallbügel. Höhenscheue Pistenbesucher wissen: Die Todesfalle namens Sessellift hat auf das Spannungskino nur gewartet. US-Horrornachwuchs Adam Green (nicht verwandt mit dem Crooner-Spaßvogel gleichen Namens) hat die Herausforderung angenommen. In seinem Thriller »Frozen«, der zuletzt beim /slash-Festival lief und jetzt auf DVD erscheint, wird aus der allerletzten Auffahrt dreier junger Ski-Ausflügler ein Überlebenskampf.
Als Dan, Parker und Joe abends am Lift mitten auf der Strecke vergessen werden, bleiben nur zwei Optionen: lebensgefährliche Fluchtversuche oder der sichere Erfrierungstod. Fatale Fehleinschätzungen folgen. Gegen Paul Conroy, den Protagonisten von »Buried«, befinden sich die drei aber in einer nachgerade komfortablen Lage. Dessen Handlungsspielraum beträgt nicht mehr als zweieinhalb Kubikmeter. Nach einem Angriff wacht der im Irak beschäftigte US-Lastwagenfahrer in einer eingebuddelten Holzkiste wieder auf. Während Paul (gespielt von Hollywood-Feschak Ryan Reynolds) in Quasi-Echtzeit per Handy mit seinem Entführer verhandelt und mit einem seltsam gleichmütigen Ermittler spricht, wird der Sauerstoff langsam knapp.
Elementare Bedrohung
Die Titel sind Konzept: »Buried« (Regie: Rodrigo Cortés, Buch: Chris Sparling) wie »Frozen« funktionieren vor allem als beklemmend konzentrierte Übungen in Sachen Material- und Körperbelastung: Schrauben knirschen, Knochen brechen, Haut friert an Metall fest, Fäuste trommeln gegen Holz.
Beide Filme sind Extrembeispiele eines »elementaren« Spannungskinos, dem man auch so unterschiedliche neuere Arbeiten wie den Low-Budget-Panikfilm »Open Water« (2003) oder Shinya Tsukamotos verstörende Katakomben-Tour »Haze« (2005) zurechnen kann: Elementar nicht bloß, weil die jeweiligen Deadlines hier von der Natur diktiert werden (erfrieren, ersticken, gefressen werden), sondern auch, weil die weitgehende Isolierung und Immobilisierung der Figuren die Beschränkung auf ein enges Set von Erzählelementen erzwingt. Selbst ein so lausiger Film wie »Open Water« beeindruckt noch durch die schiere Abstraktion seines Angstszenarios: Ein Urlauberehepaar wird nach einem Tauchgang am offenen Meer vergessen; und weil unter der Meeresoberfläche Haie lauern, sieht bald jeder Wellenkamm schon halb wie eine Rückenflosse aus.
Spiel ohne Spielraum
Mit ihrer Lust an ingeniös konstruierten körperlichen und psychischen Strapazen wirken diese Immobilisierungsfilme wie Ausläufer des Fallen- und Folterkino-Booms der vergangenen Dekade. Im Gegensatz zu den Filmen dieser Welle sind in »Frozen« und »Buried« die Qualen der Figuren aber nicht mehr eingespannt in moralische Versuchsanordnungen: Um Bestrafung (wie in »Saw«) geht es hier sowenig wie ums Enthüllen versteckter Pathologien (wie in »Cube«). Wie streng materialistisch diese Filme formuliert sind, fällt auch im Vergleich mit klassischeren Lagerkoller-Kammerspielen auf: Wo auf Alfred Hitchcocks »Lifeboat« (1944) oder im stecken gebliebenen Aufzug in Carl Schenkels »Abwärts« (1984) jede Figur ihren allegorischen Sinnmehrwert vor sich her trägt, da bleiben die Menschen am Skilift und in der Holzkiste unterdeterminierte Normalos. Kontur gewinnen sie erst als Gefäße für Panik, Schmerz und verzweifelten Überlebenswillen: als Ausgelieferte.
Von »Buried« bleiben dann hinterher weniger die erzwungenen Versuche einer politischen Parabel über die zivilen Bauernopfer der US-Besatzungspolitik hängen als eine überraschende Tierattacke oder das Spektakel herunterprasselnden Sands. Wenn der Film dennoch von der Gegenwart handelt, dann über den Umweg dieser klaustrophoben Sinnlichkeit: In seiner Abfolge von panischen Telefonaten mit unverbindlichen Autoritäten und hektischen Kämpfen um jeden Zentimeter Spielraum wirkt »Buried« häufig wie das sarkastische Zerrbild eines ganz normalen katastrophalen Arbeitstags. Nicht Gott wird sich schließlich in auswegloser Situation zu Wort melden und das Urteil über den Hackler Paul aussprechen, sondern sein Arbeitgeber. Jeder geschlossene Raum ist eine Bürozelle.
»Buried« läuft derzeit im Kino. »Frozen« ist ab 17.11. in der Videothek, ab 10.12. im Handel erhältlich.