Ende Juni eroberten sieben Frauen den Arkadenhof der Universität Wien. Das ist zwar schön, aber spät. Bisher wurden Frauen im Innenhof der Universität nur temporär durch verschiedene Kunstprojekte geehrt – die jetzt im Arkadenhof verewigten Wissenschafterinnen dürfen dauerhaft bleiben – zu Recht.
Denkmal anonymisierte Wissenschaftlerinnen 1700–2005
Bereits am 23. November 2005 wurde eine weibliche Büste im Arkadenhof feierlich enthüllt und sollte für die unzähligen Frauen an Universitäten stehen. Sie zeigt das Gesicht von Elise Richter, der ersthabilitierten Frau Österreichs. Die Büste wurde allerdings im Rahmen eines Wettbewerbs entworfen, dessen Thema eigentlich schlicht "öffentlicher Raum" war. Die Künstlerin Elisabeth Penker wollte den männerdominierten Arkadenhof um eine Frau bereichern – leider musste die von ihr entworfene Büste nach einem Jahr wieder weichen, da die Ausstellung nur temporär geplant war. Die Universität lehnte die dauerhafte Aufstellung letztendlich auch mit der Begründung ab, dass das Ehrungs- und Denkmalskonzept nicht mehr in dieser Form weitergeführt werden solle, weil es nicht zeitgemäß sei.
2009: Der Muse Reichts
2009 gewann Iris Andraschek mit ihrem Kunstwerk "Der Muse reichts" einen Wettbewerb für ein Ehrenmal, das für die zahlreichen weiblichen Wissenschafterinnen der Universität errichtet werden sollte, deren Verdienste bisher nicht gewürdigt wurden. Die Frauensilhoutte in selbstbewusster Pose geht vom Kastalia Brunnen, dem einzigen im Arkadenhof vorhandenen Frauenbildnis, aus und wirkt wie dessen Schatten. Es stellt keine bestimmte Frau dar.
2015 Radical Busts
Im März 2015 gesellten sich im Rahmen der Ausstellung "Radical Busts" wieder einige Frauenbüsten zu den vielen Männerdenkmalen im Arkadenhof. Die 33 vergoldeten Denkmäler wurden von Marianne Maderna entworfen – ihre Ausstellung bildete den Auftakt zu einer Veranstaltung mit dem Schwerpunkt auf Geschlechtergleichstellung anlässlich des 650-jährigen Jubiläums. Unter den dargestellten Frauen waren nicht nur Wissenschaftlerinnen sondern auch Künstlerinnen, Autorinnen und politische Aktivistinnen. Die Büsten mussten allerdings erneut weichen, da die Ausstellung nur temporär geplant war. Im Anschluss an die Ausstellung wurde allerdings ein Wettbewerb ausgeschrieben, der das Ziel hatte, Forscherinnen langfristig im Arkadenhof zu ehren.
2016: Elise Richter Denkmal
Im Rahmen des Wettbewerbs erstellten drei Künstlerinnen Büsten von Wissenschaftlerinnen. Elise Richter, die bereits zuvor geehrt wurde, kehrt nun in den Arkadenhof zurück – das Denkmal wurde von Carin Bolt gestaltet. Elise Richter setzte Zeichen in Sachen Bildung für Frauen. Sie wuchs in einer jüdischen Familie auf und war bereits ab 1891 als Gasthörerin in die Universität Wien eingeschrieben, 5 Jahre später legte sie als erste Frau am Akademischen Gymnasium in Wien die Matura (mit 31 Jahren) ab. Als ein Jahr später auch Frauen an der philosophischen Universität zu Wien zugelassen wurden, konnte sie sich diesmal als ordentliche Hörerin eintragen und schuf damit die Voraussetzung für ihre Habilitation in Romanistik 1905. Der Titel des „Außerordentlichen Professors“ wurde ihr dann 1921 verliehen, woraufhin sie 1922 den „Verband der Akademikerinnen“ gründetete und somit auch politisch aktiv wurde. Begrenzt wurde ihre Wirkkraft und ihre forschende Tätigkeit am Phonogrammarchiv der Wissenschaften 1938, als ihr die Befugnis wegen jüdischer Herkunft entzogen wurde. Neben der kürzlichen Würdigung an der Universität Wien, wo sie nun mit Hilfe eines Sandstrahls in den Mauern der Wissenschaft von Catrin Bolt ausdrucksstark verewigt wurde, gibt es seit 1999 den Elise-Richter-Preis für herausragende Habilitationen, seit 2003 einen nach ihr benannten Hörsaal in der Uni Wien und seit 2008 den Elise-Richter-Weg im 21. Bezirk. Außerdem ist eines der „Tore Der Erinnerung“ am Campus des alten AKH nach ihr benannt.
2016 Jahoda
Ebenfalls von Carin Bolt umgesetzt wurde die Ehrung von Marie Jahoda, die bis heute zu den jüngsten Doktorinnen Österreichs zählt. Nach ihrer Matura 1926 am Mädchen-Realgymnasium in Wien studierte sie Lehramt an der Pädagogischen Akademie und gleichzeitig Psychologie an der Uni Wien. Bekannt wurde sie durch die sozialpsychologische Studie über „Die Arbeitslosen von Marienthal“, die zeigte, dass Arbeitslosigkeit statt Ermutigung und Aufbruch auszulösen eher zu völliger Resignation führe. Die Studie hat bis heute an Bedeutung nicht verloren. Bereits mit 25 promovierte sie und zählt somit zu den jüngsten Doktorinnen Österreichs. Wegen ihrer Tätigkeiten im Untergrund für die Revolutionären Sozialisten, wurde sie 1936 jedoch verhaftet und 1937 des Landes Österreichs mit dem Entzug ihrer Staatsbürgerschaft verwiesen. Während des 2. Weltkrieges lebte sie dann in England, verlor jedoch nicht den Kontakt nach Wien, indem sie im London Büro die Sozialisten weiterhin vertrat. 1962 erhielt sie dann die Professur für Psychologie und Sozialwissenschaften und unterrichtete am Brunel College. Außerdem hatte sie einen Lehrstuhl für Sozialpsychologie in Sussex. Unter anderem erhielt sie 1993 das „Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreichs“. 2003 wurde eine zweisprachige Wiener Volkssschule nach ihr benannt. Nun findet sie sich ebenfalls im Arkadenhof der Uni Wien wieder, gestaltet von Catrin Bolt, die mit den verschiedenen Helligkeitsstufen der Wand fotografische Porträts zu einem Wandbild werden lässt.
2016: Charlotte Bühler
Die Büste von der Entwicklungspsychologin Charlotte Büste wurde vom Künstler Thomas Baumann gestaltet. Bühler begann nach ihrem Studium der Natur- und Geisteswissenschaften in Freiburg und Berlin und der anschließenden Promovierung 1918 in München („Über Gedankenentstehung“) im Jahr 1923 zusammen mit ihrem Mann an der Universität Wien zu lehren. Sie veröffentlichte die „Wiener kinderpsychologischen Schule“, die die Entwicklung eines Menschen als lebenslangen Prozess enthüllen sollte. Charlotte Bühler und ihr Mann flüchteten vor den Nationalsozialisten nach Amerika. Verewigungen neben der Büste als Aluminium-Guss gibt es am Palais Epstein in einer Gedenktafel, die 1995 enthüllt wurde. Außerdem ist sie seit 1992 Namenspatin des „Charlotte-Bühler-Instituts für praxisorientierte Kleinkindforschung“ in Wien.
0011 Berta-Karlik Orig
Das Denkmal in Form einer Lasergravur aus Graz zu Ehren der Physikerin Berta Karlik wurde ebenfalls von Thomas Baumann gestaltet. Karlik studierte ebenfalls an der Universität Wien Physik, nachdem sie 1923 als Klassenbeste die Matura abschloss. 1927 dissertierte sie ebenfalls an der Uni Wien und schloss mit Auszeichnung ab. Mit gerade mal 24 Jahren promovierte Karlik und erhielt daraufhin ein Stipendium, mit dem sie sich ein Jahr in Paris und London aufhielt. Ab 1931 - ohne Unterbrechungen bis zu ihrem Tod - widmete sie ihr Leben dem Institut für Radiumforschung in Wien. Nach dem 2. Weltkrieg förderte sie die Neugründung des Verbandes der Akademikerinnen Österreichs und leitete ab 1947 fest das Radiuminstitut. 1956 erhielt sie nach der Ernennung zum außerordentlichen Professsor als erste Frau ein Ordinariat, was einer ordentlichen Professur entspricht. Neben der Benennung einer Gasse im 13. Bezirk Wiens, existiert nun ihre Büste im Arkadenhof der Universität Wien.
2016: Lise Meitner
In der selben Form wurde auch das Denkmal an die Kernphysikerin Lise Meitner gestaltet. Meitner besuchte auf Wunsch ihrer Eltern eine Privatschule für Mädchen, wo sie ein Lehrerinnen-Examen in Französisch ablegte. Gleichzeitig lernte sie viel im Selbststudium und konnte 1901 die Matura am Akademischen Gymnasium in Wien ablegen. Danach begann sie Physik, Mathematik und Philosophie an der Universität Wien zu studieren. Dort beschäftigte sie sich mit Radioaktiviät und promovierte als damals zweite Frau mit dem Hauptfach Physik. Gemeinsam mit dem Chemiker Otto Hahn entdeckte sie die Kernspaltung und forschte bis zur offiziellen Einführung des Frauenstudiums heimlich im damaligen Preußen. Öffentlich erhielt sie keine Würdigung, als Hahn 1945 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Danach wurde sie zwar 47 Mal für den Preis nominiert – verliehen wurde er ihr allerdings nie. Auch sie wurde ab 1933 als Jüdin von den Nazis verfolgt und musste ihre Lehrbefähigung abgeben. Neben der jetzigen Ehrung durch die Uni Wien existiert der Lise-Meitner-Preis für Kernphysik.
2016: Olga Taussky-Todd
Das Denkmal in Form einer Aluminiumbüste für die Mathematikerin Olga Taussky-Todd wurde ebenfalls von Karin Frank gestaltet. Taussky-Todd studierte und promovierte 1930 an der Universität Wien Mathematik und forschte vor allem auf dem Gebiet der Zahlentheorie. 1934 ging sie an das Women's College Bryn Mawr in den USA, wo sie mit Hilfe ihrer Freundin Emmy Noether ein Stipendium erhielt. Danach lehrte sie in London am Westfield College. Zur Zeit des zweiten Weltkrieges interessierte sie sich vermehrt für die Aerodynamik von Flugzeugen. Ab 1957 ging sie dann wieder in die USA und arbeitete am California Institute of Technology. 1978 erhielt sie das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst – nun wurde sie ebenfalls im Arkadenhof geehrt.
2016: Grete Mostny-Glaser
Die Büste der Archäologin Grete Mostny-Glaser wurde von Karin Frank gestaltet. Grete Mostny-Glaser schloss 1933 die Matura ab und begann im selben Jahr ein Studium an der Universität Wien für Ägyptologie, Afrikanistik und Sprachen. 1947 beendete sie ihre Dissertation mit dem Titel: „Die Kleidung der ägyptischen Frau im alten Reich“. Bevor sie ihre Arbeit mündlich vorstellen konnte, um so den akademischen Abschluss voll zu erreichen, wurde sie Opfer der Judenverfolgung durch den Nationalsozialismus. 1939 konnte sie ihr Promotionsstudium an der Freien Universität Brüssel fortzusetzen und erhielt im selben Jahr den Doktortitel für orientalische Philologie und Geschichte. Danach emigrierte sie nach Chile, wo sie ab 1948 an der Universidad de Chile lehrte, nachdem sie bereits 1946 die chilenische Staatsbürgerschaft angenommen hatte. Neben ihrer Tätigkeit als Direktorin des Museums ist es ihrem archälogischen Forschungsgeist zu verdanken, dass der Junge vom El Plomo, eine Permafrostleiche eines Inka-Kinderopfers, wissenschaftlich untersucht werden konnte. Außerdem rief sie einen Jugendwettbewerb ins Leben, dessen Gewinner mit dem Grete Mostny-Preis versehen werden.
An der Universität Wien wurden 1897 erstmals Frauen zu einem Studium zugelassen. 1907 habilitierte sich Richter als erste Frau in Österreich, erst 1956 erhielt mit Karlik die erste Frau eine ordentliche Professur an der Universität Wien. Am 30. Juni wurden sieben Denkmäler von Wissenschaftlerinnen im Arkadenhof der Universität Wien feierlich enthüllt.