Die Geister, die sie rief

Die Wienerin Tony Ross covert Hip Hop-Tracks so, wie sie sie selbst gerne hören würde: schwebend und fast provozierend langsam. Damit kommt ein international längst etablierter Sound auch in Österreich an.

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Dafür dass dem gemeinen Wiener ein Hang zur Morbidität nachgesagt wird, hat es relativ lange gedauert, bis irgendetwas auch nur ansatzweise geisterhaftes in Österreich aufgetauchte. International haben Witch House und seine Tumblr-Spielarten/Nachfolger wie Seapunk oder Vapor Wave als ästhetische und musikalische Phänome – so ganz zu trennen war das nie – ihren Zenith vielleicht schon überschritten. Trotzdem sind Labels wie Tri Angle mit ihrem reduzierten, minimalistischen, hallenden Sound immer noch recht erfolgreich.

In Österreich nutzen die Künstler – von Fauna mal abgesehen – bislang relativ selten die Hotkeys ihrer Mac-T∆staturen oder ersetzten Buchtaben durch Z1ffern. Die Wienerin Tony Ross spielt nicht nur auf ihrem Tumblr-Blog recht gekonnt auf der visuellen Klaviatur. Zum Beispiel posiert sie auf Pressefotos mit dem Illuminati-Handzeichen. Ihr musikalisches Konzept: Sie verlangsamt Hip Hop und R’n’B-Tracks von Drake über Kanye West bis zu Beyoncé und verpasst ihnen eine Wave-Politur. Das klingt ziemlich gut. Wir haben ihr ein paar Fragen gestellt.

Du bist, soweit wir das überblicken können, der erste österreichischen Artist mit dem mittlerweile fast klassischen Dreieck im Namen…

Das Dreieck im Namen gibt es nur deshalb weil Tony Ross allein auf Soundcloud schon vergeben war.

Läuft bei dir privat auch eher die Wave/Witch House-Schiene? Mehr Hip Hop? Beides?

Ich höre privat relativ viel Hip Hop. Aber auch Deep House, Klassik und experimentelle Musik. …Mykki Blanco, Brooke Candy, den R&B der Nullerjahre, Stimming, Pantha Du Prince, Arvo Pärt, Laurel Halo…

Wie wählst du deine Cover aus?

Die Auswahl der Tracks passiert meistens zufällig. Ich höre mir etwas an und wenn es harmonisch interessant für mich ist, mache ich eine Coverversion davon. Meistens gefällt mir das aktuellste am besten. Im Moment ist das Super Rich Kids von Frank Ocean, weil das Arrangement am Schluss ganz gut gelungen ist. Es sieht gerade so aus, als wäre Headlines von Drake nicht so beliebt, ich wüsste aber nicht warum.

Wie ist dir die Idee zu deinem musikalischen Konzept gekommen? Gab’s ein Schlüsselerlebnis, einen bestimmten Song?

Als ich in Paris gelebt hab, habe ich angefangen Rihanna zu covern, weil ich die Musik vom Grundgerüst gut fand, aber scheiße ausgearbeitet. Damals habe ich noch viel mehr akustische Instrumente eingesetzt. Seit ich wieder in Wien bin produziere ich – abgesehen von den Vocals – hauptsächlich elektronisch. Es gibt viele Tracks die ich von der Idee her mag und die ich dann so wie es mir gefällt interpretiere. Ich mache das auch damit ich sie gerne höre. Eigentlich ist es eine ziemlich egoistische Angelegenheit.

Wie lange kann so ein recht eingeschränktes Konzept funktionieren? Planst du da irgendwelche Änderungen, oder schaust du einfach wo es dich hintreibt?

Tony Ross ist ein sehr junges Projekt und ich bin überrascht wie schnell es Anklang gefunden hat. Wie lange es funktioniert und wie lange es mich selbst überhaupt interessiert wird sich zeigen. Im Moment gefällt mir die Arbeit daran sehr gut und Tracks die für meine Zwecke reizvoll sind gibt es genug.

Hast du schon mit Chopped & Screwed herum probiert oder ist dir deine Art zu singen heilig?

Meine Art zu singen, die Chöre und das naive, zarte, sphärische, gehören zu dem Konzept. Gegen Chopped & Screwed habe ich aber nichts einzuwenden. Ich habe ähnliche Effekte schon in einige Coverversionen eingebaut.

Wo wären die Grenzen?

Bei Hip Hop muss man aufpassen, dass die Messages sich nicht zu sehr mit der eigenen Meinung schneiden. Vieles kann man ironisieren, aber ich muss nicht unbedingt Tracks covern in denen Homophobie und Sexismus glorifiziert werden. Andererseits bin ich der Meinung, dass explizite Inhalte durch die Entkontextualisierung – also im Kontext eines neuen Konzepts, wie bei Tony Ross – entkräftet werden können. Bis jetzt bin ich im Prinzip immer danach gegangen ob mir der Track gefallen hat.

Was ist als nächstes in Planung? Eher "Hot in Herre" oder "The Message"? Vielleicht sogar Haftbefehl?

Ich möchte nicht in Richtung Concious Rap gehen, weil mir bedeutungslose Lyrics lieber sind und ich bleibe bei englischsprachigen Artists. Musikalisch wird es vom Cover her als nächstes in Richtung Trap gehen. Oder A$AP Rocky. Aber ich habe viel Unterschiedliches auf der Liste.

Kannst du uns ein bisschen über dich erzählen? Was machst du wenn du gerade keine Hip Hop-Tracks verlangsamst?

Ich bin in Wien geboren und lebe mehr oder weniger freiwillig hier. Seit Oktober studiere ich an der Friedl Kubelka Fotoschule für künstlerische Fotografie. Ansonsten: Theater, Museum, Tumblr, Pitchfork.

Wo willst du hin mit deiner Musik?

Der Plan für die kommende Zeit wird sein, an meiner live Performance zu feilen und mir Auftritte zu organisieren.

Du kennst sicher Fauna und Moun10 Records. Wäre das nicht eine logische Kombination?

An die Kombination von Tony Ross und Fauna bzw. Moun10 Records habe ich bis jetzt noch nicht gedacht. Ich mag aber Faunas Sounds und schätze ihre Arbeit. Möglicherweise lassen sich da Parallelen erkennen.

Tony Ross spielt am Samstag, den 20.4. ihr erstes Live Konzert in der Galerie Wieselmann. Hier geht’s zum Facebook-Event.

Mehr Musik gibt’s auf ihrer Soundclound-Page, außerdem kann man sie auf Facebook liken.

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