Asientour, neues Album, Österreich-Tour – bei Farewell Dear Ghost passiert gerade so einiges. Wir haben uns mit ihnen auf einen Kaffee im rien getroffen, als das rien noch existierte und sich die vier Burschen noch nicht FM4-Amadeus-Award-Gewinner nennen durften.
Ihr habt ja wieder in Asien gespielt – wie stand es denn so um den Aufregungsgrad vor der zweiten Reise?
Andreas: Der war sogar größer. Dadurch, dass alles so riesengroß und überfordernd ist, realisiert man das vor der Ankunft gar nicht wirklich. Bewusst wird es einem erst, wenn man dort ist. Diesmal waren wir, im Gegensatz zu 2015, ja auch in Südkorea. Wir sind Seoul angeflogen, haben zwei Konzerte dort gespielt, 40 Kilometer von der nordkoreanischen Grenze entfernt.
Bereitet ihr euch auf die Konzerte in Asien anders vor?
Philipp S.: Ja schon, weil wir uns extrem auf Improvisieren einstellen müssen. Fliegen bedingt, dass wir nicht unsere ganze Backline mitnehmen können. Wir planen deshalb vorher schon so, dass wir für alle Eventualitäten gerüstet sind. Dinge, die wir schon beim ersten Mal erlebt haben, können wir mittlerweile besser abschätzen.
Wie zum Beispiel? Was wäre denn so das Worst Case Szenario?
Philipp S.: Es soll nicht abwertend klingen, aber es ist halt einfach so, dass die Clubs drüben nicht die Grundausstattung haben, die man hier gewohnt ist. Man muss sich drauf einstellen, dass zum Beispiel ein extrem altes Analog-Mischpult dort steht und kein Digital-Mischpult. Das ist alles sehr spannend, weil es auch unter extremen Umständen funktionieren muss.
Wie unterscheidet sich denn das Publikum von den hiesigen Konzertbesuchern?
Andreas: Schon gewaltig eigentlich. Gerade in Wien ist es ja so, dass man sich hier eher in vornehmer Zurückhaltung übt. Dem man natürlich auch einiges abgewinnen kann. Die Asiaten reagieren, nach unserem Gefühl, doch etwas unmittelbarer auf Musik. Fast euphorisch oder überschwänglich. Ich verstehe es deshalb nicht so richtig, dass so wenige europäische und amerikanische Bands nach Asien fliegen und dort touren, weil die Response eine total unmittelbare ist.
Wissen vermutlich auch die wenigsten …
Andreas: Wahrscheinlich.
Alexander: Das ganze Netzwerk ist auch nicht so wie in Amerika und den anderen Ländern, in die man sonst fliegt. Von der Regierung her ist es schwierig, weil sehr oft spontan Sachen zugedreht werden. Konzerte oder Booking Agenturen. Somit wird es, was die Kommunikation betrifft, auch oft um einiges schwerer. Auch weil das Netzwerk einfach nicht so groß ist wie bei uns.
Andreas: Deshalb hat es auch keine asiatischen Beatles gegeben …
Obwohl die Beatles in Asien ja sehr erfolgreich waren …
Andreas: Ja stimmt, sie waren die ersten die in Japan in der Budokan Halle gespielt haben, was ja eigentlich der heilige Tempel für Judo Kämpfer war.
Wie ist 2015 eigentlich die Ur-Idee entstanden nach Asien zu fliegen und dort zu spielen?
Alexander: Das war eigentlich alles ein bisschen ein Zufall. Jemand lernt irgendwo irgendwen kennen und dann wurde das plötzlich alles immer konkreter.
Philipp P.: Ausgangspunkt war eigentlich ein Festival namens Strawberry Festival. Ein relativ großes Festival zu dem wir eine Einladung bekommen haben. Nur ist das drei Wochen vorher abgesagt worden. Wir hatten dann aber noch einen kleinen Gig ausgemacht und unser Booker hat damals dann rund um diesen Gig dann eine kleine Tour zusammengestellt. Das war alles ziemlich spontan, zwei Wochen vorher wussten wir noch nicht sicher ob wir das eigentlich wirklich machen.
Wie bleibt der Spaß am Live-Spielen erhalten? Oder ist das sowieso gar keine Frage …
Philipp S.: Ich finde, dass das eine unserer größten Stärken ist, weil egal was hinter den Kulissen passiert – auch wenn einmal einer extrem anbissen ist – ist das weg sobald wir auf die Bühne gehen. Dann gibt es einfach nur noch das. Jede Show ist einfach die Show, auch wenn das sehr pathetisch klingt.
Andreas: Falls uns fad werden sollte, genügt es glaub ich, einfach ein oder zwei Dinge zu verändern. Andere Instrumente oder neue Songs einzubauen. So wie wir es momentan machen und weshalb die Konzentration deshalb gerade auch sehr hoch ist.
Reden wir kurz übers Album. Ich fand es sehr dreamy. Wie seht ihr das?
Alexander: Dreamy wäre mir vielleicht nicht als erstes eingefallen, aber es geht schon eher in eine Richtung in die wir auch gedacht haben. Wir wollten mit dem Album – deshalb heißt es auch Neon Nature – eine eigene Welt bauen. Und diese Welt klingt halt so. Quer durch den Gemüsegarten sind da sehr viele Einflüsse drauf.
War es euch wichtig, wie es zum Beispiel auch Phoenix gemacht haben, ein positives Album zu machen. Oder eben, wie du gesagt hast, auf negative Zustände mit einer Art Parallelwelt zu reagieren?
Alexander: Die Antwort auf das vermeintlich Schlechte in der Welt ist jetzt für uns nicht unbedingt eine positive, sondern eben eine andere Welt. Die kann auch positiv gesehen werden, wenn das jemand möchte. Ein Parallelentwurf eben.
Andreas: Vielleicht kann man es auch als Resignation bezeichnen, weil die Realität einfach so frustrierend ist, dass man sich eine eigene Welt aufbaut. Was Musik machen aber sowieso immer ein bisschen ist.
Woher kamen die Ideen fürs Album?
Andreas: Vieles ist daheim passiert. Aber wenn es um das Lyrische geht, kann Philipp da, glaub ich, mehr dazu sagen.
Philipp S.: Ja, wir haben ja diese Welt gebaut, sie Neon Nature genannt und die Texte sind quasi die Charaktere, die in dieser Welt leben. Mit all ihren guten und auch vielen schlechten Seiten. Das ist schon auch ein Kaleidoskop an Wegen innerhalb dieser Welt, das wir damit bauen. Das reicht von der Anspannung, dass man sich jemanden im Club nicht ansprechen traut bis zur perversen Fantasie eines Mannes. Wir lassen dabei aber so viel Spielraum, dass es für jeden konkret, aber eben auch für jeden anders sein kann. Natürlich sind auch autobiographische Elemente vorhanden.
Keine Frage, dass das eure beste Platte bisher ist, aber ist es auch die beste Platte überhaupt?
Andreas: In gewisser Weise glaubt das doch jeder, der sowas macht, oder? Diese falsche Bescheidenheit ist zwar sehr lobenswert aber auf der anderen Seite ist es auch irgendwie heuchlerisch, sonst würde man es doch gar nicht machen. Wenn du nicht vollkommen überzeugt davon bist.
Hier geht es zum Tourtagebuch, das die Band während ihres Trips akribisch führte.