Seit Juni 2023 sind Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh das neue Leitungsduo an der Spitze der Diagonale. Wir haben die beiden mitten in den Vorbereitungen für ihre erste Festivalausgabe zum Interview gebeten.
Es ist euer erstes Jahr als Leiter*innen der Diagonale. Was erwartet uns Neues? Was bleibt gleich?
Claudia Slanar: Die veränderte Festivaldramaturgie durch den Beginn am Donnerstag ist auf jeden Fall etwas Neues und wir hoffen, dass diese den Ablauf produktiv durcheinanderwürfeln wird. Dabei soll auch eine örtliche Neuerung »mithelfen«: Der Heimatsaal im Volkskundemuseum wird heuer erstmals als Ort für Begegnung, Diskussion und Liveprojektionen zur Verfügung stehen. Das ist auch der Versuch, ein neues Festivalzentrum zu etablieren.
Dominik Kamalzadeh: Konstant bleibt der zentrale Fokus auf die Vielfalt des heimischen Films, wobei wir unsere Premieren auch stärker hervorheben werden und für eine Pluralität einstehen. Wir wollen ein Festival für Entdecker*innen sein. Dazu kommt eine intensivere Anbindung an Nachbarländer, um den Austausch und Dialog zu stärken – etwa durch Personalen zu internationalen Filmemacher*innen.
Das Special »Die erste Schicht« dreht sich um Arbeitsmigration. Welche neuen Perspektiven auf dieses hochpolitische Thema kann Film aufzeigen?
Slanar: Die Perspektive bei den Filmen des Specials geht hauptsächlich von den Herkunftsländern aus. Die ersten Abkommen wurden 1964 mit der Türkei und 1966 mit dem damaligen Jugoslawien abgeschlossen. Deshalb widmen wir uns Filmen aus den 1960er- und 1970er-Jahren, die sich die sozioökonomischen Folgen dieser Arbeitsmigrationswelle ansehen. Was bedeutete dies für die Ankommenden und ebenso für die Zurückgelassenen?
Kamalzadeh: Es geht uns auch darum zu zeigen, dass die Kultur der Migrant*innen ein wichtiger Teil unserer Kultur geworden ist, der viel zum Selbstverständnis unseres Landes beiträgt. Durch den Blick zurück in die Vergangenheit können wir vielleicht besser erkennen, wie stark wir uns alle verändert haben; dass in dieser Diversität eine Schönheit liegt und dass es auch Probleme gibt, die schon längst hätten gelöst werden sollen.
Was könnt ihr uns sonst noch über andere Highlights und Specials verraten?
Kamalzadeh: Der Filmkünstlerin Lisl Ponger, die auch eine Ausstellung gestalten wird, widmen wir eine Retrospektive, auf die wir uns schon sehr freuen. Dazu kommen das historische Special und einige internationale Gäste, die wir noch nicht verraten … Dann gibt es ein ganzes Bündel an kleineren Schwerpunkten, mit denen wir auch wichtige filmkulturelle Disziplinen beleuchten – eine Filmzeitschrift wird etwa eine spezielle Bühne bekommen. Es soll auch einen neuen Podcast geben.
Die Diagonale schreibt sich auch Nachhaltigkeit auf die Fahnen. Was genau bedeutet das für ein Filmfestival?
Slanar: Die Diagonale ist insofern eine Vorreiterin, als sie als einer der ersten Kulturbetriebe 2011 – unter der Intendanz von Barbara Pichler – eine weitreichende Initiative für nachhaltige Festivalkultur gestartet hat. Unter dem unermüdlichen Einsatz unserer ehemaligen Marketingleiterin Brigitte Bidovec wurde die Initiative weiter ausgebaut, sodass die Diagonale seit 2022 Lizenznehmerin des Österreichischen Umweltzeichens ist und selbst Green Events zertifizieren darf. Diese Bemühungen sollen natürlich weiterhin verfolgt werden. Gleichzeitig geht es auch um eine »social sustainability« im weitesten Sinne. Diese beinhaltet das Arbeitsumfeld, etwa einen respektvollen, antidiskriminatorischen Umgang miteinander während des Festivals, aber auch außerhalb der Festivalzeit. Natürlich spielt da auch ein Thema wie Barrierefreiheit mit hinein. Hier stehen wir, zugegebenermaßen, erst am Anfang und wollen an einigen Verbesserungen arbeiten.
An wen richtet sich das Festival? Wer sind eure idealtypischen Diagonale-Besucher*innen?
Slanar: Ich glaube, es gibt viele verschiedene idealtypische Besucher*innen. Es sind alle willkommen, die sich für Filmkultur interessieren und Neugier und Respekt mitbringen.
Kamalzadeh: Vielleicht an alle Menschen, die ein Stück weit von sich selbst absehen können und offen für Begegnungen bleiben.
Der Filmwettbewerb ist auch bei der diesjährigen Diagonale wieder zentraler Bestandteil. Worin liegt der Wert von Wettbewerben für die Filmbranche?
Kamalzadeh: Der Wettbewerb schafft Konzentration durch eine kuratorische Auswahl, die eben die aus unserer Sicht wichtigsten Positionen eines Jahres vorstellt und feiert. Damit ist er ein Seismograf ästhetischer und gesellschaftspolitischer Tendenzen. Am Ende des Festivals werden die höchstdotierten Filmpreise in Österreich vergeben, sie helfen dabei, Aufmerksamkeit zu bündeln.
Die Diagonale 2024, die erste unter der Leitung von Claudia Slanar und Dominik Kamalzadeh, findet von 4. bis 9. April in Graz statt. Das vollständige Programm wird am 21. März bekanntgegeben.