Die neue Girl Power

Mø ist das jüngste Supergirl unter den neuen, coolen Heldinnen im Musikbiz und dabei weder Singer-/Songwriterin noch Punk-Amazone. Sie macht Pop in Reinform und trifft damit auch einen Nostalgie-Nerv.

Pop mit eigenem Kopf

Klar, es steckt natürlich viel mehr hinter dieser Entwicklung als die zehn Girl Power-Gebote der Spice Girls (Ja, die gab es und sie waren toll). Und klar, Künstlerinnen wie Madonna, Patti Smith, Billie Holiday, Kate Bush und ein paar 100 andere haben diese Emanzipation schon zuvor auf ganz unterschiedliche Arten angezettelt. Deren Positur als eigenbrötlerische Solokämpferinnen war aber anders. Die Mädchen-Loyalität der Spice Girls war neu und schien die feministische Message dahinter ein bisschen für den Mainstream zu de-radikalisieren. Die Bewegung scheint jedenfalls den Werdegang junger Musikerinnen wie Elliphant, Charli XCX, Ellie Goulding, Grimes, Marina and the Diamonds und eben Mø beeinflusst zu haben. Sie sind die neuen Pop-Heldinnen. Die, die ihren eigenen Kopf haben, alles lieber selber machen und sich dabei bloß nicht zu ernst nehmen. Die, die ihre Musik aus einem Patchwork aus Electronics, HipHop und R’n’B zusammenbasteln und dazu mit bittersüßer Stimme vom Schmusen, Schlussmachen und von Selbstfindung in einer sich ständig verändernden Welt singen. Bricolage, ganz viel Gefühl und Robyn. Robyn, weil sie einfach immer erwähnt werden sollte, wenn über coole Frauen im Pop geschrieben wird. Hat Mø ja auch ungefragt im Interview gemacht.

Keine Strategie ist auch eine Strategie

Sie wirkt außerdem erleichtert. Nach zwei Jahren voller Teaser-Videos (darunter »XXX 88« ft. Diplo) und der Bikini Daze-EP vergangenen Oktober, wird sie am 10. März endlich ihr Debüt »No Mythologies To Follow« veröffentlichen. Dass dieses Album 2014 eine riesige Sache wird, haben spätestens nach ihrem Auftritt beim Eurosonic Noorderslag und der Hottest New Record-Huldigung für die erste Auskopplung »Don’t Wanna Dance« von BBC Radio One’s Zane Lowe alle erkannt. Im Video zur Single tanzt sie mit ihren dänischen GalPals und puderrosa Pelzjacke zwischen alten Karren auf einem Autofriedhof und streckt sich dazwischen auf der wohl schicksten Couch der Welt aus. Ihr Kleid scheint aus den Stoffresten des Überzugs zu sein. Sie singt von der Gänsehaut, die sie bekommt, wenn sie die Moves von der einen Person sieht und will daher nur mit dieser tanzen. Dazu knallen die Beats. Zucker!

Unausgesprochener Feminismus

Auf die Frage, ob sie sich für Gleichberechtigung einsetzt, hat Mø eine klare Antwort: ja. Immerhin ist sie eine weibliche Künstlerin, die macht, worauf sie Lust hat, anzieht, worauf sie Lust hat und zusammenarbeitet, mit wem sie Lust hat. Und wenn das Mainstream-Größe Avicii ist, dann ist das halt so und aus (»Dear Boy«). Mit dieser lässigen Attitüde sei es dementsprechend weniger notwendig, auch noch explizit Texte über Feminismus zu schreiben. Universalthemen sind doch viel lustiger. Etwas ganz Ähnliches hat auch Charli XCX zur Zeit ihres Album-Release letztes Jahr gesagt. Auch sie ist ein beeindruckendes Pop-Supergirl – ein bisschen trashiger und zerrupfter als ihre Kollegin Mø vielleicht.

Mø, Grimes und Co. repräsentieren jedenfalls eine neue, junge Weiblichkeit am aktuellen Pophimmel. Keine Girl Power 2.0 und auch keine vierte Feminismus-Welle. Es ist eine erfrischende Selbstbestimmtheit, ganz ohne Schublade und ohne Stempel, eine Selbstbestimmtheit, die schon wieder vergessen hat, dass diese für Frauen früher oft schwer zu erreichen war. Es ist wunderbar kraftvolle Popmusik der Marke DIY, gemeinsam mit einer Allerwelts-Bodenständigkeit und einer Freude an Selbstdarstellung. Letztere natürlich auch online, aber die wesentliche Rolle von Twitter, Tumblr und Instagram sei bitte so unausgesprochen hinzunehmen wie der Verweis auf den Feminismus von Mø. Außerdem wäre das wieder ein 2.0-Begriff und die sind ja sowas von vorbei.

Mø spielt am 30. April in der Fluc Wanne. Das Album »No Mythologies To Follow« von Mø erscheint am 10. März via Sony.

Nicole Schöndorfer auf Twitter: @nicole_schoen

Mÿ – Never Wanna Know (Night Version) by SMEA

Bild(er) © Thomas Skou / Dan Curwin / Virgin / Raphael Ouellet / RCA
Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...