Die Schweden, schon wieder

Die Erfolgsgeschichte um die schwedischen Schwestern Johanna und Klara Söderberg geht weiter. First Aid Kit haben all ihren Weltschmerz wieder Gitarren schwingend zu einem Album geformt.

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Vielleicht ist es die Luft oder irgendwas im Trinkwasser oder das schwedische Bildungssystem. Vielleicht führt auch die 30%-Quote an schwedischer Musik, zu der sich schwedische Radiosender selbst verpflichtet haben, dazu, dass die schwedische Musik gefördert wird und Erfolg hat. Oder dass sich schwedisches Englisch wie echtes Englisch anhört. Die Musikfabrik dort läuft, gute Musik kommt von dort wie vom Fließband. Begonnen hat das ganze ja schon mit ABBA, Ace of Base und Roxette – und hat dann einfach nicht mehr aufgehört.

Egal welchen Musikstil man nun bevorzugt, es gibt sicher zumindest eine schwedische Band, die man mag. Metal von Opeth, In Flames oder Amon Amarth. Elektronisches von Knife Party, The Knife oder der Swedish House Maffia. Oder Indie-Bands von Friska Viljor, Shout Out Louds, Johnossi über Mando Diao hin zu Popgrößen wie Robyn, Icona Pop oder Lykke Li. Und selbst wenn man nur Katy Perry und Britney Spears hört und sonst nichts, mag man Songs, die von Max Martin – wer hätte das gedacht: einem Schweden – geschrieben wurden.

Kleine Goldkehlchen im Wald

Dahinter, daneben und dazwischen tummelt sich beste Musik. Wie die Schwestern Johanna und Klara Söderberg, besser bekannt unter dem Namen First Aid Kit. Berühmt wurden die zwei schwedischen Mädchen 2008 mit einem Video, in dem sie mit einer Gitarre im Wald sitzen und „Tiger Mountain Peasent Song“ von den Fleet Foxes covern. Da sie mit wunderbaren Stimmen gesegnet sind, klang das Lied bei ihnen ja wirklich noch besser als das Original. Dieses Video bescherte ihnen neben weltweiter Aufmerksamkeit und Millionen Views auch jede Menge prominenter Fans.

Zwei Jahre später veröffentlichten sie ihr Debütalbum "The Big Black & The Blue", das ihnen nur positive Presse-Stimmen und gemeinsame Auftritte und Konzertreisen mit Patti Smith, Jack White, Lykke Li und Bright Eyes brachte. In ihren Liedern spielen sie gekonnt damit, bittersüß-schwermütige Texte über fröhlich aus Gitarren geschüttelte Folkmelodien zu legen. Dabei geben die schönen starken Stimmen, die sich im Duett ergänzen, den Liedern eine Weite und Dramatik. Diese Retrospektive auf die Hochzeiten des Folks wirkt zusammen mit ihren Stimmen wie das Pendant zu den unbewohnten Weiten Schwedens. So schön und doch so schmerzhaft einsam.

"Nothing gold can stay"

Der US-amerikanische Dichter Robert Frost beschrieb in "Nichts ist für immer" den ganzen Weltschmerz, Verlust der Unschuld, die Flüchtigkeit der Schönheit und verlorene Liebe bis schließlich auch den Tod 1923 mit den Worten „nothing gold can stay“. Diese Worte las Klara Söderberg als sie die erste Strophe von „Stay Gold“ geschrieben hatte und nicht weiterkam. Die Worte hielt Klara für so passend, dass daraus letzten Endes das Herzstück des neuen First Aid Kits-Albums "Stay Gold" wurde, mit dem die Band nun ihr Debüt bei einem Majorlabel feiert.

Es geht dabei um Veränderungen, und möglicherweise den Wunsch sich gar nicht verändern zu wollen. Sie überzeugen dabei mit einer fast schon schmerzlich altersklugen Zeilen, die man Johanna (23) und Klara (21) angesichts so nicht zutrauen würde. Das Album beginnt mit „My Silver Lining“, das direkt aus einem Soundtrack eines Western stammen könnte – was nicht zuletzt an der Streicher-Melodie liegt, die von einem aus Omaha stammenden Streichorchester eingespielt wurde. Das Ensemble taucht auf dem Album immer wieder mit filmscorehaften Passagen auf.

Die Einsamer-Cowboy-Stimmung wird durch einen Existenzkrisen-Text mit immer wiederkehrendem „I won’t take the easy road“ noch weiter ausstaffiert und legt damit den thematischen Grundstein für das Album. Weniger schwedische Weite, mehr Wild Wild West. First Aid Kit hört sich auf ihrem Majorlabel-Debüt leichter, weniger dramatisch oder myseriös an als auf ihren früheren Alben, dafür ein wenig mehr nach Beautiful South und Neko Case. In „Heaven Knows“ schreien sie sogar einmal richtig zu dem eher nach fröhlichen Countryfest mit Line-dance und Bullenreiten klingenden Gitarrenklängen.

Die Texte sind dafür wesentlich intimer geworden, werden aber nicht weniger schwermütig gesungen als bei den vorangegangenen First Kit Aid-Alben. Es geht um Liebeskummer und den unmissverständlichen Wunsch zu entkommen, darum alles hinzuschmeißen und ein komplett neues Leben zu beginnen. Und wer hat behauptet es könnte kein fantastisches Album entstehen, wenn man den Sound einer anderen Sehnsuchtsregion nachahmt.

Das Kernstück des Albums bildet "Stay Gold" in dem sie schwermütig den Verlust und die Unsicherheit der Zukunft betraueren: "What if our hard work ends in despair, what if the road won’t take me there?" singen sie in wundervoll ineinander verwobenen Harmonien. "What if to love and be loved’s not enough, what if I fall and can’t bear to get up? Oh I wish for once we could stay gold." Ihre eindringlichen Stimmen bleiben Gold wert. Und auch dieses Album macht ihrem Bandnamen alle Ehre und eignet sich wunderbar als erste Hilfe nach einem anstrengenden Tag. Oder einem anstrengenden Leben.

„Stay Gold“ ist am 10. Juni bei Sony erschienen. Am 4.10. kann man die Schwestern live beim Waves Vienna Festival erleben.

Bild(er) © Neil Krug
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