Die Trümmer des Fortschritts – Wie Tech-Bros zu Faschisten gefunden haben

Vom Retter der Menschheit zum autokratischen Faschisten: Wie kam es dazu, dass Elon Musk vom Kämpfer gegen die Klimakrise zum Deregulierungszar wurde? Und wie nahe stehen sich Silicon-Valley-Technologiegläubigkeit und Neue Rechte eigentlich wirklich?

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»Der Engel der Geschichte muss so aussehen. Er hat das Antlitz der Vergangenheit zugewendet. Wo eine Kette von Begebenheiten vor uns erscheint, da sieht er eine einzige Katastrophe,  die unablässig Trümmer auf Trümmer häuft und sie ihm vor die Füße schleudert. (…) Dieser Sturm treibt ihn unaufhaltsam in dieZukunft, der er den Rücken kehrt, während der Trümmer-haufen vor ihm zum Himmel wächst. Das, was wir den Fortschritt nennen, ist dieser Sturm.«

— Walter Benjamin »Über den Begriff der Geschichte: These IX«

Es war Anfang 2017, als ich das erste Mal mit Tech-Bros in Kontakt gekommen bin. Damals ist die Förderung für mein Doktorat ausgelaufen und so war ich gezwungen, mir einen Job in der realen Welt – fernab der Uni – zu suchen. Nicht ganz unglücklich, die Wissenschaft eine Weile hinter mir zu lassen, heuerte ich deshalb bei einer IT-Security-Bude als Programmiererin an.

Falls man, wie ich, die Details von Internetprotokollen interessant findet, war es sogar ein ganz spannender Job. Aber noch spannender waren einige meiner Kollegen. Menschen, die man gerne verallgemeinert als Tech-Bros bezeichnet: Männer, in ihren Zwanzigern und Dreißigern, die davon ausgingen, dass ihre Fähigkeiten im hippen, aber beschränkten Bereich der Webseitenentwicklung sie dazu befähigten, Experten für alles Wissen auf der Welt zu sein. Egal ob Politik, Bürokratie, Klimawandel, Genderforschung oder Quantencomputer, meine Kollegen waren immer nur ein Youtube-Video vom Expert*innentum entfernt.

Und in unabwendbarer Schlussfolge kreisten Kaffeepausenansprachen dann häufig darum, wie sich die größten Probleme der Menschheit doch im Handumdrehen lösen ließen, würde man diese Informatikstudienabbrecher nur mal ungestört ranlassen. Einfach, weil sie mit ihrem IT-Brain allen anderen Menschen auf der ganzen Welt überlegen seien.

Mit E-Auto in die Zukunft

Einer durfte 2017 im Tech-Bro-Anrufungskanon bei Kaffee und (von der Firma gesponsertem) Kuchen nie fehlen: Elon Musk. Er war zu diesem Zeitpunkt vor allem bekannt als CEO der E-Autofirma Tesla und des Raumfahrtunternehmens Space X. Meine Kollegen schwärmten von ihm und diskutierten angeregt jeden seiner Tweets. Ganz genau hörte ich damals aber nie zu, wahrscheinlich weil ich so Männer-Heroes immer ein bisschen meh finde. Erst im Blick zurück, für die Recherche dieses Artikels, versuchte ich, die Faszination meiner Kollegen für den 2017er-Elon nachzuvollziehen. Und ich stellte fest, dass dieses Jahr tatsächlich sehr produktiv für ihn war.

Auf Twitter berichtete er über Fortschritte bei den wiederverwendbaren Raketen von Space X, über die Erforschung von längerer Batterielebensdauer, über ein E-Auto-Ladenetzwerk quer durch die ganzen USA, über die Gehirn-Computer-Schnittstellen seiner Firma Neuralink sowie über den Bau seines Tunnelnetzes unter Los Angeles. Dazwischen waren auch Tweets gestreut, die auf die Auswirkungen des Klimawandels hinwiesen und sich unter anderem gegen den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen aussprachen. Langsam begann ich die Faszination für Elon zu verstehen. In einer Welt, in der die kapitalistische Ausbeutung unseren Planeten buchstäblich verheizt, stand die Figur Elon Musk für einen Weg vorwärts: Mithilfe radikaler neuer Technologien können wir weitermachen wie bisher, nur eben nachhaltig und daher ohne schlechtes Gewissen.

Dass diese Rechnung nicht aufgeht, zeigt die Realität spätestens heutzutage. Der Abbau seltener Erden für E-Autobatterien zerstört ganze Landschaften und der steigende Strombedarf wird vielerorts nicht durch grüne Energie gedeckt, sondern durch den Ausbau von Kohlekraft und Atomenergie. Gleichzeitig vollzieht sich – wie etwa der Wissenschaftler und Autor Evgeny Morozov 2023 in einem Gespräch beim Vienna Humanities Festival beschrieb – ein massiver politischer Machtransfer hin zu großen Technologiekonzernen: »Diese Firmen präsentieren sich als die einzige verfügbare Alternative. Wenn du an technologischen Fortschritt und Innovation glaubst, musst du sie als Wohltäter*innen für die Menschheit akzeptieren. Das ist für mich das zentrale Merkmal von Solutionismus. Silicon Valley nutzt Krisen als Gelegenheiten für kapitalistische Akkumulation.«

Tech-Bro × rechte Influencer

Es mag sein, dass diese Umstände vor knapp einem Jahrzehnt noch nicht so klar waren oder im Internetdiskurs untergegangen sind. Jedenfalls konnte diese Perspektive den Glanz von Elons Stern in den Augen meiner Kollegen nicht verblassen lassen. Er war für sie ein Popstar und meine Tech-Bro-Kollegen seine unbändige Anhängerschaft.

Es wäre schlimm genug, einen Tech-Popstar als Vorbild einer ganzen Generation zu haben, der nicht liefert, was er verspricht. Aber leider blieb es ja nicht bei jenem Elon Musk von 2017. Denn kurz darauf brach 2020 die Corona-Pandemie herein und mit ihr begann der Aufstieg verschiedenster Verschwörungstheoretiker*innen auf allen Social-Media-Plattformen. Mittendrin: Elon Musk.

Zunächst fing er an, auf Twitter immer mehr Inhalte von Impfgegner*innen zu teilen. Von dort ging es dann weiter bergab durch das gesamte Repertoire rechter US-Diskurse: die Beschneidung der Rechte von trans Menschen, Hetze gegen Migration, Verbreitung rassistischer Stereotype und schließlich der Ruf nach freier Meinungsäußerung – natürlich nur solange selbige von rechts kommt. Das ging bis hin zu komplett irrsinnigen Verschwörungstheorien, etwa der Behauptung, dass haitianische Migrant*innen Kannibalismus betreiben würden.

Solcherlei rechte Diskurse breiten sich zusehends international aus. Social-Media-Plattformen wie X und Youtube spielen dabei eine große Rolle. Die Journalistin und Wissenschaftlerin Becca Lewis hat das Netzwerk der Kollaborationen rechter Influencer*innen untersucht und dabei festgestellt, dass eher konservative Pundits oft nur ein bis zwei Schritte von rechtsextremen Verschwörungstheoretiker*innen entfernt sind: »Die soziale Vernetzung von Influencer*innen macht es ihrem Publikum leicht, immer extremeren politischen Positionen ausgesetzt zu werden und anzufangen, diesen zu vertrauen.« Die österreichischen Rechten sind in diesem Netzwerk übrigens ebenfalls vertreten: Martin Sellner, der Chef der Neonazibewegung Die Identitären ist mit der amerikanischen Alt-Right-Influencerin Brittany Pettibone (mittlerweile Brittany Sellner) verheiratet, deren Content sich oft um eine radikale Ablehnung von Feminismus dreht.

Die rechte Welle

Elon Musk hat diese Alt-Right-Pipeline bereits durchlaufen. Da er inzwischen Twitter – oder besser gesagt: X – besitzt, kann er mit seinem Account ungebremst beliebige Inhalte der rechten Influencer*innenblase verstärken. Musk ist dadurch zwar zum Posterboy dieser Bewegung geworden, es ist jedoch wichtig zu betonen, dass er schlussendlich eben nur auf einer Welle mitschwimmt, die gerade weite Teile der Gesellschaft in den USA wie auch in Europa erfasst hat. Denken wir nur an die Corona-Demos hierzulande, sie gelten als die größte Mobilisierung rechten Gedankenguts seit Jahrzehnten und haben es geschafft, Wähler*innen nahezu aller Parteien in Richtung FPÖ zu ziehen.

Neben Corona-Verschwörungstheorien, gibt es auch weitere Überschneidungen der Trump-Regierung mit rechten Parteien in Europa. Neben der rassistischen Migrationsdebatte und der zunehmenden Beschneidung von LGBTQIA*-Rechten – die jeweils eine eigene Auseinandersetzung verdienen würden – sticht in Bezug auf Elon Musk und das Tech-Bro-Mindset vor allem die Kritik an staatlichen Verwaltungsapparaten ins Auge.

So fügt sich der Gründungsgedanke von Doge, der Abteilung für Regierungseffizienz, bei der Musk von Beginn an federführend war, – nämlich Bürokratie abzubauen, Korruption zu bekämpfen und Budgettransparenz zu fördern – nahtlos in den Diskurs der europäischen Rechten ein. Denn seit jeher kritisieren diese die »überbordende« Bürokratie ihrer Länder sowie der EU. Dahinter verbirgt sich aber selten der Wunsch nach sinnvoller Reform, vielmehr geht es häufig um die Demontage kontrollierender Institutionen. Man denke nur an die 2018 von der FPÖ unter Innenminister Kickl veranlasste Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die offiziell der Korruptionsbekämpfung diente – in deren Zuge jedoch sensible Daten zur FPÖ-nahen Neonaziszene sichergestellt wurden, obwohl diese gar nicht Gegenstand der Ermittlungen waren.

Auf ganz ähnliche Art erfüllt nun Doge die Rolle einer institutionellen Abrissbirne, wobei natürlich auffällt, dass von den Kürzungen vor allem Ämter und Institutionen betroffen sind, die der republikanischen Agenda ein Dorn im Auge sind und gegen die sich von rechts besonders gut auf Twitter – pardon, X – wettern lässt: Die weltweite Katastrophenhilfe unter USAID widerspricht der Trump’schen America-First-Agenda, im National Institute of Health wird unter anderem Forschung an (Corona-)Impfstoffen gefördert und mit Kürzungen öffentlich finanzierter Diversitätsprogramme ist es einfach, Rassismus sowie Frauen- beziehungsweise Transfeindlichkeit zu betreiben.

Von Musk und seinen Mitarbeiter*innen – übrigens größtenteils Männer unter 25, die zuvor meist als Praktikanten in Musks Firmen arbeiteten – wird jedoch behauptet, dass die betroffenen Institutionen entweder korrupt und/oder ineffizient seien. Hier geht der technokratische Größenwahn nahtlos in einen Autoritarismus über. Was korrupt und ineffizient ist, entscheiden ein Tech-Bro-Universalgenie und seine Jünger – natürlich mithilfe der rechten Influencer*innenbubble. Dabei werden allerdings nicht nur über Jahrzehnte gewachsene staatliche Förderstrukturen zerstört, sondern es wird gleichzeitig ein demokratisch erarbeiteter, überparteilicher Gesellschaftsvertrag aufgekündigt. Denn nichts anderes ist ein staatliches Budget: ein über viele Legislaturperioden aufgebautes demokratisches Übereinkommen, wer und was in einem Staat fördernswert ist.

Der Slogan »move fast and break things«, beliebt in der Tech-Start-up-Szene, passt sich dabei zynisch in diese Agenda ein. Im Silicon Valley bedeutet das: Wer schnell ist, kann mit mutigen technologischen Innovationen Märkte erobern und reich werden; angewendet auf den Bürokratieapparat scheint dessen Zerstörung nicht einmal eine bedauernswerte Nebenerscheinung zu sein. Ganz im Gegenteil, schließlich seien hier laut den Trumpist*innen die Nutznießer*innen ohnehin auf staatliche Leistung angewiesene Bedürftige, die sowieso nur in der sozialen Hängematte faulenzen würden.

Was den Aufstieg des Tech-gepowerten Faschismus in den USA angeht, so mag es sein, das sich Narzisst*innen wie Trump und Musk vorwiegend vom disruptiven, revolutionären Charakter dieses neuen Faschismus angezogen fühlen und dabei selbst nicht an viele Dinge außer an den eigenen Bekanntheitsgrad glauben. Aber für das Schicksal der Amerikaner*innen sowie für den Lauf der Weltgeschichte ist es vielleicht gar nicht so relevant, durch wessen Zutun sich der Faschismus wieder aufbäumen kann. Marx hat anscheinend einmal gesagt, dass sich die Geschichte immer zweimal ereignet, das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce. An dieses Zitat musste ich in den letzten Wochen nur allzu oft denken.

Öffentliche Scham

An wen ich allerdings in letzter Zeit auch oft denke, sind meine alten Kollegen aus dem Start-up. Mit den größten damaligen Musk-Anhänger*innen habe ich leider keinen Kontakt mehr, aber Hinweise, wie es manchen davon gerade gehen dürfte, finden sich online genug. Viele schämen sich öffentlich in den sozialen Medien, der Blendkraft von Elon Musk anheimgefallen zu sein. Darunter sind auch einige Tesla-Besitzer*innen, die jetzt ihre Teslas mit Musk-kritischen Stickern versehen (lol) oder sie gleich verkaufen. Vielleicht sind das ja schon die ersten Vorboten dafür, dass die Wende hin zum Faschismus selbst in wohlhabenden und konservativeren Bevölkerungsschichten doch noch nicht mehrheitsfähig ist.

Bislang hat sich jedenfalls trotz einiger Kandidaten – laut Wirtschaftsmagazin Trend zuletzt etwa Sepp Schellhorn, vormals Gastronom, nun Staatssekretär für Deregulierung – noch kein Elon-Musk-Äquivalent in Österreich gefunden. Das liegt vor allem daran, dass Hightech hierzulande, wo noch immer Schwerindustrie und Tourismus dominieren, kein besonders starker Wirtschaftszweig ist. Traditionelle Wirtschaftssparten bedingen in diesem Fall auch althergebrachte, konservative Netzwerke mit einem für Österreich typisch katholischen Wertekanon. Das ist anders, aber nicht unbedingt besser, denn von der Geschichte wissen wir, dass es auch von da Wege in den Faschismus gibt. Mir bleibt deshalb nur noch zu sagen: »¡No pasarán!«

Das gesamte Vienna-Humanities-Festival-Gespräch mit Evgeny Morozov mit dem Titel »Will A.G.I. Save the World?« ist auf dem Youtube-Kanal »IWMVienna« nachzuhören. Der Report »Alternative Influence« von Becca Lewis findet sich auf der Website www.datasociety.net.

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