Die Zukunft des Journalismus

Endlich kommt der Qualitätsjournalismus nach Österreich. Nach der NZZ Österreich ist nun auch die NYT Austria gescheduled. Das Kernteam der Redaktion im Interview.

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Das Digitale ist digital. Genau deshalb setzt die österreichische Ausgabe der New York Times jetzt auch auf Smartwatch-first Design und responsiven Journalismus. Die Österreich-Ausgabe der Neuen Zeitung Zürich konnte erst kürzlich erfolgreich ihre Wiener Redaktion einrichten und berichtet nun auf dem state of the art-Werkstattblog laufend über etwaige Updates. Auch brandaktuelle Themen (Smartphones) werden bereits behandelt. Jetzt zieht die NYT Austria nach und setzt mit ihrem innovativen Medien-Startup auf Klarnamenpflicht und Paywall, weil guter Journalismus schließlich etwas wert ist und bezahlt werden muss.

Der Twitter-Account läuft ebenso wie der Werkstattblog bereits auf Hochtouren. Wir durften uns mit der NYT Austria-Redaktion über die Zukunft des Journalismus in Österreich unterhalten.

Hat dieses Scheiß-Internet ein Problem mit der Gratismentalität?

Wir denken nicht, dass das Internet, wie Sie das hier formulieren, "Scheiße" ist. Das Internet ist anders. Aber natürlich: Jeder Mensch kann sich im Internet kostenlos zum Weltgeschehen informieren. Das ist eine Gefahr für unsere freie demokratische Gesellschaft. Es war ein historischer Fehler des Journalismus, der bekanntlich die vierte Staatsgewalt ist, aktuelle Nachrichten der breiten Masse niederschwellig zugänglich zu machen.

Ihr sagt "Das Digitale ist digital" (in Anlehnung an die weißen Männer von Tocotronic). Haben das Medienmacher in Österreich auch schon wirklich verstanden?

Wir sind die einzigen, die den digitalen Wandel wirklich verstehen. Obwohl man fairerweise schon sagen muss, dass es in diesem Land durchaus Medienunternehmen gibt, die die Zeichen der Zeit zumindest hin und wieder ansatzweise erkennen.

Nehmen wir etwa die Kollegen vom "Standard", die bei der Gestaltung ihres Angebots schon sehr konsequent auf den aktuellen Retro-Trend aufgesprungen sind: ein charmantes 1990er-Jahre Vintage-Design mit bunten Farben, die die Lesbarkeit ironisch verschlechtern; und natürlich das ständige Zumüllen mit Werbung – als Leser fühlt man sich einfach gut, auf einer solchen Seite ausführliche opinion pieces des weiblichen Chefredakteurs zur Qualität im Journalismus zu lesen, und dass man diesen doch bitte bezahlen muss.

Der Leser weiß: Hier wird er ernst genommen. Und die Leser ernst zu nehmen ist im Digitalen sehr wichtig. Bezahlen natürlich auch, da haben wir freilich dann doch bessere Ideen als alle anderen.

Guter Journalismus muss etwas wert sein. Vollständige Inhalte sind bei euch nur für zahlende Abonnenten zugänglich. Wie viel muss man bei euch zahlen, um an die Texte und Reportagen ran zu kommen, die den hohen Qualitätsstandards der NYT entsprechen?

Unser Bezahlmodell steht erst in Entwicklung. Eines war aber schon von Anfang an für uns klar: Nur sehr kluge Menschen werden sich ein Abo leisten können. Schauen Sie, als bürgerlich-liberales Medium wollen wir unseren Lesern ermöglichen, als Ersatz für politisches Handeln täglich den aufgeklärten Qualitätsmedienkonsum vollziehen zu können. Wer uns bezahlt, kann sich gut fühlen, weil er dadurch passiv am wichtigen demokratischen Diskurs teilnimmt. Der Nebeneffekt: Man kann sich so auch wunderbar seiner eigenen Medienkompetenz vergewissern, indem man über die Unterschicht und deren Boulevardmedien lacht. Das ist doch großartig! Deshalb sind wir überzeugt davon, dass unseren Lesern diese Qualität etwas wert ist.

Ihr habt in Sachen Klarnamen ein eindeutige Position ("Demokratischer Diskurs duldet kein Verstecken in der Anonymität"). Facebook räumt ja auch gerade endlich mit diesen ärgerlichen Pseudonymen von Drags und Menschen auf. Wäre denn die Klarnamenpflicht auf Twitter besser jetzt gleich oder sofort?

Auf NYT Österreich wird es keine Klarnamenpflicht geben. Viele page impressions für uns sind schließlich gut für den demokratischen Diskurs im allgemeinen. Und was Twitter angeht: Wir überlegen inzwischen, uns von dort zurückzuziehen. Das Niveau ist zu niedrig.

Wie lang war euer Team eigentlich im Silicon Valley, um die Zukunft des Journalismus zu studieren? Und welche 9 essenziellen Punkte zur Zukunft des Journalismus habt ihr von dort mitgenommen?

Wir bitten um Verständnis, dass wir keine Details zu Forschungsreisen bekanntgeben können. Diese finden Sie auf den Twitteraccounts unserer Redakteure.

Nur so viel: In den nächsten Jahren könnte das Thema Selbstreferenz sehr viel mehr an Bedeutung gewinnen. Es gibt zum Beispiel ein klares Bedürfnis von Lesern nach ausführlichen Berichten, wer am Vortag in der österreichischen Medienblase auf Twitter was wie und warum gesagt hat. Oder nach investigativen Facebook-Reportagen, die anhand von Posts aus der vierten Reihe täglich gründlich aufdecken, dass die FPÖ rechtsradikal, die katholische Kirche katholisch und den Sozialdemokraten der Arbeiter egal ist. Überhaupt wird Qualitätsjournalismus sich in Zukunft stärker am Schreibtisch orientieren und vor allem Themen bringen, über die sich der Leser ohnehin im gleichen Modus selbst informieren kann – mit dem Unterschied, dass man bei uns dafür bezahlen wird.

Twitter wird generell ein großes Thema bleiben, besonders in Österreich, wo ja nur Politiker und Medienleute auf Twitter aktiv sind – die ideale Fokusgruppe für Stimmungsbilder, die man dann im Bezahlmedium als Mehrheitsmeinungen verkaufen kann. Twitter ist auch enorm wichtig, um die professionelle Nähe zur Politik zu wahren und sich gemeinsam auf die Schulter klopfen zu können, wenn wieder einmal eine komische Feministin Absurditäten fordert, wie etwa, nicht belästigt zu werden.

Technisch ist heutzutage natürlich vieles möglich, das sich Tim Berners-Lee bei der Erfindung des Webs nicht träumen lassen konnte: Webseiten mit Texten; Bilder; eine Schriftgröße, die es ermöglicht, die Texte auch lesen zu können; die Verwendung von Hyperlinks – das sind radikale Neuheiten, über die wir gerade sehr viel lernen. Nehmen Sie unseren Werkstatt-Blog: Die Software WordPress, die wir dafür benutzen, gibt es erst seit 2003, und wir haben sie heute schon im produktiven Einsatz!

Wie eng stimmt ihr euch mit eurem Mutterschiff in New York ab? Seid ihr eher bei Content Management die HuffPo, das Vice oder das McDonalds unter den NYT’s?

Vapiano.

Diversity, Datenjournalismus und Buzzwörter haben bei euch einen äußerst hohen Stellenwert. Mit welchem Buzzwort ist man auf 2015 richtig vorbereitet?

Wir sind nicht unbedingt Freunde sogenannter "Buzzwörter", die oft den Blick auf das eigentlich Wichtige trüben: qualitativen Journalismus und nachhaltige Geschäftsmodelle. Aber ohne Smartwatch-first-approach wird man auch 2015 bei der genuine content strategy und der Entwicklung einer state of the art user experience natürlich nicht succeeden können.

Zum Werkstattblog der NYT Austria geht’s hier entlang. Über Büromöbel und demokratischen Diskurs wird hier kostenlos getwittert.

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