Alle Jahre wieder blickt unsere Redaktion auf die musikalischen Highlights der letzten zwölf Monate zurück. Mit streng subjektivem Blick. Was Dominik Oswald 2020 musikalisch bewegt hat, könnt ihr hier nachlesen.
Peinlich. Also Österreich im Jahr 2020 im Allgemeinen, wie immer halt. Noch peinlicher: Vielen wird sich das beknackt-gnädige »I Am From Austria« von den Balkonen der Nicht-Systemrelevanten als der musikalische Moment des Jahres in ihre dementen Gehirnreste geätzt haben. Und auch wenn das Jahr sicher schwierig für alle Beteiligten war, vor allem natürlich der Kultur- und Kunstbranche: Immerhin haben es ein paar KünsterInnen geschafft, aus der Scheiße, die ihnen dieses Jahr vorgesetzt hat, Gold zu machen. Oder zumindest eine goldene Schallplatte. Hier sind einige, denen eher Ersteres gelungen ist.
Alben des Jahres 2020
10. Die Arbeit »Material«
Wen das Neonlicht nicht blendet, der oder die läuft hier sehenden Auges in einen kühlen Post-Punk-Monolithen. Die obsessiven Texte und unbarmherzigen Klänge der Dresdner stehen den sehr coolen Namen – Band, Albumtitel, Songtitel wie »Haut, Knochen und Gesicht« oder »Leichen« – in nichts nach. Astrein, das Ding.
9. Dreimalumalpha »Jugend ans Geld verloren«
Quasi auf den letzten Drücker rutschen die Innsbrucker noch in die Jahrescharts. Mit ihrem wahrlich zauberhaft traumwandlerischen Debüt ist das aber auch ein Muss: Da wird zwar ordentlich von der Hamburger Schule abgeschrieben, aber wer Zeilen wie »Du bist ein Ausnahmetalent in Sachen Freizeitgestaltung« schreibt, hat einiges auf dem Kasten.
8. The Microphones »Microphones In 2020«
Wer nach diesem Albumtitel sucht, ist vermutlich der nächste Podcast-Idiot, den die Welt nicht braucht. Fans der eigentlich 2003 aufgelösten Ein-Mann-Band staunten aber nicht schlecht, als aus heiterem Himmel dieses Ein-Song-Album von ebenjenem fiel. Wunderbarer experimenteller Indie-Folk, der sich nicht nur zum konzentrierten Arbeiten im Homeoffice eignet.
7. Good Wilson »Good Wilson«
Der Supergroup rund um Günther Paulitsch ist mit ihrem Debüt ein echter Coup gelungen: Ganz unabhängig vom ordentlichen Hype, den die üblichen Stellen ausgerufen hatten, ist hier ein zeitloses Stück an der schönen Grenze von Classic Rock und Americana gelandet. Das ist wirklich Musik zum Gernhören.
6. Erregung Öffentlicher Erregung »EÖE«
Wahnwitziger Post-Punk, teils dadaistischer New Wave, subversiv und gleichzeitig eingängig. Pop und gleichzeitig weit entfernt davon: Der Hamburger und Berliner Gruppe Erregung Öffentlicher Erregung gelang mit »EÖE« ein erregendes Album, das trotz klarer Genreanleihen eigenständig und unwahrscheinlich hittig ist.
5. Jakob Dobers »Der Rest vom Licht«
Auch wenn einem die sanften und melancholischen Stücke von Ex-Zimtfisch Jakob Dobers bedingt durch den Release-Termin vor allem durch die kalte Februarluft schweben ließen, Gedanken kreisten dennoch häufig um die letzten warmen Tage in der Hauptstadt. Quasi für den innerlichen Herbst, für die Busfenster der Einsamkeit.
4. Pauls Jets »Highlights zum Einschlafen«
»Wie viel hast du getrunken? Gar nicht so viel. Magst du heut bei mir schlafen? Ich hab’ einen guten Film« (aus »Blizzard«). Das Traurige im Alltäglichen zu finden war nicht nur die Aufgabe im Homeoffice, sondern auch jene von Pauls Jets, die mit ihrem zweiten Album der Melancholie ein Denkmal voller schöner Zeilen gebaut haben.
3. The Screenshots »2 Millionen Umsatz mit einer einfachen Idee«
Kein Bock auf neoliberale Scheiße! Was für Wien (»Wer hat uns verraten?«, eh schon wissen) gilt, gilt natürlich für die selbstoptimierten Start-up-Entrepreneure noch viel mehr. The Screenshots – nach der Zeichenbegrenzung das Zweitbeste, das Twitter je hervorgebracht hat – haben auch keinen Bock auf Weichspülgewäsch und kritisieren mit ihrem zweiten Album gleich einmal alles. Zu Recht!
2. Akne Kid Joe »Die große Palmöllüge«
Das beste Punk-Album des Jahres checkt viele Boxen: fabelhafte Lyrics zwischen politischen Botschaften wie »What AfD thinks we do…« oder »Sarah (Frau, auch in ner Band)« und blanker Banalität wie in »Pizza Napoletana«, variantenreiches Spiel mit Off-Beats und simplen Haudraufs und – das Wichtigste – eine Riesenportion Humor! Kannste alles haben mit Akne Kid Joe.
1. Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys »Greatest Hits«
Es kann nur einen geben: Was der doch beste Augsburger Roy (ja, der beste, sorry Velden!) und seine Spielgefährten auf ihrem fabulösen und keinesfalls großkotzig betitelten Debütalbum abliefern ist Grandezza pur. Hits für Millionen, die alles, was es bisher im liebreizenden Nischengenre des ironischen Schlagers so gab, in den Schatten stellen. Und zwar jeder einzelne Song.
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