Dominiks Musikjahr 2020

Alle Jahre wieder blickt unsere Redaktion auf die musikalischen Highlights der letzten zwölf Monate zurück. Mit streng subjektivem Blick. Was Dominik Oswald 2020 musikalisch bewegt hat, könnt ihr hier nachlesen.

Songs des Jahres 2020

10. Das Trojanische Pferd »Kindergeburtstag in Kaltenleutgeben«
»Nackt wie nie!« ist eines der Versprechen des vierten Albums von Das Trojanische Pferd. Der Striptease tut sichtlich gut, der wunderbar offenherzige und damit vulnerable Song ist eine Erinnerung ans Älterwerden, an seltsame Happenings seiner sogenannten Freunde, wo man nicht mehr Dosenbier, sondern Spieluhren schenkt und irgendwie auch an seine Kindheit erinnert wird. Schwierig. Ich weiß nicht.

9. Kreisky »ADHS«
Gut, dass es endlich mal einer sagt, das mit diesen depperten Kindern, Gfraster die. Österreichs zackigste Band ist auch 2020 die Nadel in der Boboblase und knallt einen weirden Hit auf die Lätzchen der Helikoptereltern. Unabhängig davon: Allein der Reim von »Audi Q6« auf »ADHS« ist das Eintrittsgeld wert.

8. Stella Sommer »Northern Dancer«
In Zeiten des Aufruhrs und allgemeiner Volatilität klammert sich der Mensch an Bekanntes, an Gemochtes, an Heimeliges. Und wer ist gemochter als Stella Sommer? Die dunkle Stimmfarbe, das Umarmen mit wenigen Silben, das geht mittlerweile auch auf Englisch bestens. »Northern Dancer« hilft, Gedanken zu sammeln, zu verdichten und für immer zu begraben. Und das ist gut.

7. Crucchi Gang, Francesco Wilking »Il mio bungalow«
Vier von den fünf Personen, die bis hier gelesen haben – danke, Mama, für den Support! – schrecken auf: »Wie bitte, Bungalow?«. Was die Crucchi Gang rund um Francesco Wilking, deren leider einzig guter Song dies ist, mit dem abgeschmackten Bilderbuch-Song macht, ist Zucchero: Eine Urlaubs-Funk-Liebe, die das Original weit hinter sich lässt.

6. Bright Eyes »Mariana Trench«
Mit dieser bitterbösen Finanzsatire beweist Conor Oberst endlich wieder, was er vor allem lyrisch auf dem Kerbholz hat, schließlich zeigt die sogenannte Menschlichkeit nicht nur 2020 wenige Höhen und sehr viele Tiefen – wir sind quasi im Marianengraben des Humanen. Schlussendlich machen aber die Drums, die PuristeInnen an »Digital Ash …« erinnern, »Mariana Trench« zu einem starken Rocksong mit Hirn.

5. Sarah Bernhardt »Der Unverblümte«
Das neue Wienerlied, in den letzten Jahren ja quasi der neue neue Austropop, war im 20er-Jahr eigentlich ein bisschen unterrepräsentiert. Aber dann gibt es ja doch dieses wunderbare Dialektstück mit Harfe und Ukulele, eine heiß-kalte Geschichte von – natürlich – alter und neuer Liebe. Bester Satz: » Und so charmanat host du mi gfrogt / Ob i des letzte Stickal Fleisch mit Soft nu mog«.

4. Die Buben im Pelz »Kodachrom«
Wer stirbt, schafft Raum für Neues. So geht’s nicht nur der Menschheit, sondern auch dem technischen Zeug. Die pelzenen Buben nehmen das Analoge zum Anlass, das Vergangene aufleben zu lassen, ohne – und das ist der springende Punkt – zu sehr der Nostalgie anheim zu fallen. Besonders nett: das Video aus den Erinnerungen der Fans.

3. Zinn »Black Lake«
Die sehr, sehr gute Gruppe Zinn – wäre das Album nicht verschoben worden, es wäre in den Top 3 gelandet, 2021 dann – findet mit ihrer dritten Single zu ihrem bisherigen Höhepunkt: Eine Dark-Folk-Elegie mit mantrischen und verschwörerischen Klängen, die unter die Haut geht, einen nicht unbewegt lässt: »Der Typ ist da Teifl und wir san jetzt zamm.«

2. Charlie Keller »Ich, Sigmund Jähn«
Wahnsinnig gute Idee, adäquat und dem Sujet entsprechend umgesetzt: Tapete Records erfand einen »Sensationsfund« in den Archiven und ließ die In-Kraut über Herkunft des Stücks und Interpretation von »Charlie Keller« rätseln. Obwohl nicht ganz gelüftet, dürfte es sich dabei um einen Hoax rund um das begnadete Trio Jacques Palminger, Yvon und Erobique handeln. Wie dem auch sei: Der spacy Soul-Hawk über den ersten Deutschen im All ist auch ohne die Geschichte drumherum eine Mördernummer.

1. Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys »Alitalia«
Was dem einen würgig und schlecht, ist für mich nur würdig und recht: Es gab 2020 keine Band, die mich mehr gepackt, berührt und sonstige unanständige Dinge mit mir gemacht hat. Über all den vielen Hits von Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys thront aber »Alitalia«, der desperat-melancholische Blick über die Alpen, jede Zeile gemeißelt in weißen Marmor, eine Ballade, die einen Menschen vermissen lässt, die man nie gekannt hat.


Auch nicht schlecht:

Die Meme-Sammlung von Linus Volkmann.

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