Drehort Wien: Marijana Stoisits im Interview

Seit neun Jahren vertritt die Vienna Film Commission den Filmstandort Wien nach außen, wirkt als Vermittlungsstelle und ist Ansprechpartner für alle, die in Wien drehen wollen. Geschäftsführerin Marijana Stoisits spricht im Interview über Herausforderungen bei internationalen Produktionen, Kürzungen im Budget und die Zusammenarbeit mit der Stadt Wien.

Sie kommunizieren mit mehreren Stellen und haben eine Vermittlungsfunktion – warum braucht es eine solche Stelle und wie kann man sich den Ablauf ungefähr vorstellen?

Man braucht eine Filmkommission, um Abläufe bei Dreharbeiten zu vereinfachen. Wenn jemand bei uns um eine Drehgenehmigung ansucht, schauen wir zuerst, wer zuständig ist. Alles, was der Stadt gehört, läuft über uns. Es gibt auch ein paar ausgegliederte Organisationen, wie zum Beispiel Wiener Wohnen, den KAV (Anm.: Krankenanstaltsverbund) oder die Via Donau. All diese Anfragen laufen über uns, wir machen eine Art Vorprüfung. Wir schauen uns an, wer zuständig ist, stellen dann ein Empfehlungsschreiben aus und schicken das an die jeweiligen Behörden und auch an den/die AntragstellerIn. Der Drehvertrag wird direkt zwischen den beiden Parteien geschlossen.

Die Vienna Film Commission ist vor allem eine Ermöglicherin oder Mediatorin. Es gibt schon immer noch Stellen, wo es manchmal schwierig sei kann, zu drehen – weniger bei der Stadt Wien, eher im Bereich des Bundes. Da telefoniert man dann schon mal wochenlang hin und her, bis es endlich funktioniert. Aber ich liebe diese Art von Herausforderung. Mir macht das auch Spaß, die Leute davon zu überzeugen, dass Dreharbeiten sinnvoll und gut sind.

Für eine Verfolgunsjagd musste bei den Dreharbeiten von »Die Hölle« der Bereich zwischen dem Stadtpark und dem Schwedenplatz für mehrere Nächte gesperrt werden.

Wie ist die Vienna Film Commission organisiert?

Die MA7, der Film Fonds Wien, die Wirtschaftsagentur, die Wirtschaftskammer Wien und der Wien Tourismus haben 2008 beschlossen, eine Filmkommission zu gründen und sie gemeinsam und zu gleichen Teilen zu finanzieren. Wir sind eine gemeinnützige GmbH im Besitz der Kulturabteilung (MA7) – die Vienna Film Commission ist die Filmstandortagentur der Stadt Wien. Alle Finanzierungspartner waren sich einig, dass sie alle was davon haben, wenn Dreharbeiten in Wien besser funktionieren: Die Kulturabteilung und der Filmfonds insbesondere deshalb, weil viel Geld für Dreharbeiten zu Verfügung gestellt wird und es absurd ist, wenn man das, was man vorher fördert, vor Ort nicht wirklich umsetzen kann. Die Wirtschaftsagentur, weil es für den Standort wichtig ist, der Wien Tourismus wegen der enormen filmtouristischen Effekte und die Wirtschaftskammer wegen der hohen Wertschöpfung der in Wien realisierten nationalen und internationalen Produktionen.

Im Filmbereich wird immer wieder gekürzt, trifft Sie das ebenfalls?

Leider ja, in diesem Jahr sind wir auch davon betroffen. Die Wirtschaftskammer Wien hat ihren Beitrag um 60 Prozent gekürzt, mit der Begründung, dass die ursprüngliche Vereinbarung als Anschubfinanzierung gedacht war. Das ist aber ein nicht nachvollziehbares Argument, weil wir eine Non-Profit-Organisation sind, die jeder Filmproduktion kostenfreies Service bietet. Wenn man aber weniger Geld zur Verfügung stellt, bedeutet das auch weniger Service. Wir haben aber, und das war sehr erfreulich, beim Kampf um die Finanzierung sehr viel Unterstützung vonseiten der ProduzentInnen bekommen. Sie sind auch diejenigen, die am meisten von unserer Arbeit profitieren. Ich hoffe sehr, dass die Wirtschaftskammer Wien für 2019 wieder zur ursprünglichen Vereinbarung mit den anderen Finanzierungspartnern zurückkehrt. Es wäre einfach nicht klug, eine Institution aufs Spiel zu setzen, die im Sinne der Filmschaffenden und insbesondere der Mitglieder der Wirtschaftskammer tätig ist.

Wie attraktiv ist Wien international gesehen? Warum wird hier gedreht?

Es gibt verschiedene Gründe, warum Wien so attraktiv ist: Einer ist sicher, dass Wien einfach eine schöne Stadt mit viel Kultur ist, die viel hergibt. Nach Wien kommt man nicht, weil man zwischen Wolkenkratzern oder in futurstischem Ambiente drehen will. Die meisten kommen wegen der klassischen, imperialen Architektur, die Wien bietet. Das ist auch vollkommen in Ordnung, obwohl wir genau das andere zum Beispiel auch mit dem WU-Campus hätten, sofern es möglich wäre, dort zu drehen. Wir versuchen immer, andere Seiten der Stadt zu präsentieren.

Ein anderer Grund ist, dass wir hier hervorragende Filmschaffende haben. Man bekommt bei uns sehr gute Crews, es gibt hier sehr erfahrene Leute, und sie sprechen alle Englisch. Das ist ein ganz zentraler Punkt für internationale Produktionen. Und, was auch ein zusätzliches Asset ist: Wien hat eine gute Größe. Die Wege sind nicht zu lang, man kann in Wien sehr gut »on location«, also an Originalschauplätzen, drehen.

In München etwa gibt es eine Liste von Plätzen, wo grundsätzlich nicht gedreht werden darf, in Zürich gibt es ebenfalls einen ganzen Katalog von Orten, wo nicht gedreht werden kann. Als wir in Wien mit der Film Commission begonnen haben, habe ich ganz klar gesagt: »Wenn man A sagt, muss man auch B sagen«. Als wir dann bei Mission Impossible beim Locationscouting durch die Stadt gegangen sind, wurde immer gefragt: »Kann man da drehen?« und »Kann man dort drehen?«, und ich habe gesagt: »Man kann überall drehen«, um sie nach Wien zu locken. Damit das dann auch wirklich funktioniert, muss man natürlich mit dem Magistrat im ständigen Austausch sein.

Dreharbeiten zu Mission Impossible: Rogue Nation

Welche Nachteile bestehen? Ist Wien auch die Kosten betreffend konkurrenzfähig? 

Im Vergleich zu Städten im Osten, etwa Budapest oder Prag, sind wir fast gleich auf. In Rumänien oder in den baltischen Staaten ist es natürlich nach wie vor günstiger. Das Ganze steht und fällt allerdings mit Incentives, die für Film- Und TV-Produktionen zur Verfügung gestellt werden. Solche Anreize bieten mittlerweile auch Länder wie Deutschland, Tschechien, die Slowakei, Ungarn, Slowenien, Kroatien etc. Unsere Incentives sind dürftig. Es gibt genau 1,5 Millionen Euro für internationale Produktionen – das ist grotesk wenig und die Anforderungen, die man erfüllen muss, um antragsberechtigt zu sein, sind schlicht nicht zeitgemäß. Antragsberechtigt sind ausschließlich Kinospielfilme. Das bedeutet, alle Fernsehserien und alles, was fürs Internet produziert wird – zum Beispiel Netflix, Amazon, Apple etc. – fallen hier raus. Ich habe regelmäßig Anfragen für Serien, zum Beispiel im Dezember eine von Amazon, oder kürzlich für eine vierteilige UK-Fernsehproduktion. Für solche Produktionen gibt es kein Geld bei uns und deshalb machen die einen großen Bogen um Österreich. Jay Roewe, Head of Physical Production von HBO, hat mir gesagt, dass sie Länder, in denen es keine Incentives gibt, grundsätzlich als Drehorte ausschließen. It’s all about the money! Und Österreich ist da schlicht nicht auf der Höhe der Zeit!

Das heißt, Produzenten entscheiden sich dann eher für andere Schauplätze …

In Niederösterreich oder in der Steiermark ist es natürlich wunderschön, aber in Slowenien schaut es auch nicht viel anders aus. Der Unterschied ist: In Slowenien bekommt man 25 Prozent Cash Rebate. Es ist total grotesk, dass die Politik nicht versteht, wie viel Geld und wie viel an Wertschöpfung für das Land uns da durch die Lappen geht. Aber es geht auch darum, dass österreichische Filmschaffende Arbeit vor Ort finden und Erfahrungen bei internationalen Produktionen sammeln können. Obendrauf kommen die filmtouristischen Effekte hinzu. Es ist mir unverständlich, dass die Politik da nicht reagiert. Wenn jemand kommt und sagt: Wir geben bei euch zwei Millionen Euro aus, wenn ihr 25 Prozent beisteuert, dann hat man 1,5 Millionen gewonnen, die hier nicht ausgegeben worden wären. Eine wirklich sehr einfache Milchmädchenrechnung! Es besteht definitiv sehr dringender Handlungsbedarf!

FACTS

Wann braucht man eine Drehgenehmigung?

In Wien braucht man grundsätzlich für alle Dreharbeiten eine Genehmigung. Für Drehs mit maximal fünf Personen werden eingeschränkte Bewilligungen innerhalb weniger Stunden erteilt.

Wie lange dauert es, bis man eine Drehgenehmigung bekommt?

Die Dauer ist abhängig von Location und Aufwand, für Straßen und Plätze ohne größere Absperrungen wird üblicherweise innerhalb von ein bis zwei Wochen eine Genehmigung erteilt.

Wo wird am häufigsten gedreht?

Am beliebtesten sind Wiens Parks und Gärten, international gesehen ist vor allem der erste Bezirk besonders frequentiert.

An wen kann man sich wenden?

Die Vienna Film Commission ist die erste Anlaufstelle und berät Filmschaffende bei Drehgenehmigungen aller Art und vermittelt zwischen verschiedenen Stellen.

Film Commissions

Eine Filmkommission gibt es nicht nur in Wien, auch andere österreichische Bundesländer bieten ähnliche Servicestellen. In Niederösterreich kümmert sich die Lower Austrian Film Commission um die Beratung und Begleitung inter-/nationaler Filmproduktionen und bietet eine Motiv-, Branchen- und Projektdatenbank an. In der Steiermark ist die Cinestyria Filmcommission and Fonds eine nationale und internationale Schnittstelle für Filmförderung, Information und Service und zudem zentrale Anlaufstelle für alle Film- und TV-Angelegenheiten der Steiermark mit Augenmerk auf die internationale Verwertung und die touristische Wertigkeit. In Tirol kümmert sich die Cine Tirol Film Commission um Angelegenheiten, die mit der Realisierung von Spiel-, Dokumentar- und Werbefilmen zusammenhängen. In Salzburg ist die Standortagentur Salzburg als Service- und Beratungsstelle in Sachen Film tätig und kümmert sich zudem um die Bewerbung des Filmstandorts Salzburg.

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...