Wiener kennen keine Clubs in Bratislava. Dabei wäre die Stadt näher als Graz, Linz oder St. Pölten. Was kann die Clubkultur dort und wo sollte man unbedingt hin?
Es bräuchte ja nicht einmal den Easyjet-Set. Während Feieranten aus ganz Europa für ein Wochenende schnell einmal in die Technotempel Berlins fliegen, würde von Wien nach Bratislava eigentlich schon ein Taxi reichen. Grund für den Ausflug könnte derselbe sein: billige Getränke, wenig Regeln, ungewöhnliche Locations, noch dazu großteils mitten im Zentrum in Gehweite voneinander entfernt. Die Clubs in Bratislava sind definitiv eine Reise wert. Nur mit den internationalen Bookings hapert es hinter der slowakischen Grenze noch.
Billiges Bier
Das Nachtleben in der slowakischen Hauptstadt ist vor allem eines: günstig. Ein Bier kostet abseits kommerzieller Clubs durchschnittlich zwei Euro. In den letzten Jahren sind die Eintrittspreise sogar nach unten gegangen, selbst internationale Acts kosten fast nie mehr als sechs Euro. Barbara Farkaš, DJ bei Assquakess, ist in Bratislava geboren, in Wien aufgewachsen und legt in beiden Städten auf. Ihres Wissens sind Free Partys mittlerweile ziemlich ausgestorben. Lokale DJs bekommen meistens gerade einmal dreistellige Gagen, weiß sie.
Clubs haben ein kleineres Budget, die gebuchten Namen sind entsprechend nicht so bekannt, sagt Radoslav Tomek. Er ist Mitbesitzer des Nu Spirit Clubs, legt selbst auf und hat eine eigene landesweite Show beim beliebten slowakischen Radiosender Radio FM. Dafür bleibt Clubs in Bratislava die Vergnügungssteuer erspart. In Österreich hat man letztes Jahr versucht, eine Kampagne gegen diese Abgabe auf Eintritte und Getränke zu initiieren, die aber kolossal versandet ist.
In der Slowakei kann man dagegen mit deutlich weniger Staat rechnen. Lange hatte man überhaupt eine sehr liberale Flat Tax, viele Unternehmen siedelten sich an. Bratislava ist heute laut Eurostat die fünftreichste Region in Europa, noch vor Wien. Das Pro-Kopf-Einkommen ist fast doppelt so hoch wie im EU-Schnitt.
Lautstärke nach Belieben
Die Musik wird so laut aufgedreht, wie es gefällt – kein Club in Bratislava musste jemals wegen Lärmbelästigung zusperren. Gleichzeitig sind Polizeikontrollen oder Anrainerbeschwerden sehr selten. Die meisten Clubs sind unter der Erde, in Kellern oder in einem ehemaligen Luftschutzbunker untergebracht – wie der einstige U Club, heute als Subclub bekannt.
Bratislava verbindet eine lange Drum’n’Bass-Tradition mit Wien. Wie bei uns spezialisiert sich jeder Club auf eine bestimmte musikalische Richtung. Aber so wie in der Pratersauna auch mal Med & Law-Feste stattfinden, kann man im Subclub an einem Samstag auch auf einer Indie-Party landen. Katarina Sido, tschechisches Model und Künstlerin, die auch den Eingang des Nu Spirit Clubs designte, hat in ihrer Jugend viel Zeit im Subclub verbracht. Er hat eine düstere Atmosphäre, aber abwechslungsreichen Sound und ist auch abseits des Mainstreams ein sehr beliebter Club.
Im Nu Spirit Club ist das Booking hingegen internationaler. Es gibt auch Jazz-Konzerte oder bekannte Bands bei entsprechend höherem Eintritt. Warm-up-Partys von internationalen Festivals, Red Bull Music Academy, Nôze oder Theophilus London, man bezeichnet sich als Anti-Mainstream, Underground und Punk-Club, obwohl es auch Partys mit Funk und R’n’B gibt. Die slowakische Jugend steht aber scheinbar auch auf harte Bässe, auf UK Garage, Grime und Juke, die hier besonders gerne laufen. Nu Spirit ist der einzige Club, der eigene Securitys hat, die noch dazu gut Englisch sprechen. In der Slowakei ist es sonst nicht üblich, Rausschmeißer für die Nachtclubs zu engagieren.
Fashionistas und Festivals
Daneben gibt es auch kleinere Locations wie das Fuga bzw. das Batelier. Im Klub Radost – slowakisch für Freude – kann man außer sonntags immer elektronische Sounds erwarten. Sieht aus wie ein Kanalrohr und ist recht klein, aber mit gutem Soundsystem ausgestattet. Vor allem junges Publikum gibt es im neuen Refresh Club mit allen Musikrichtungen quer durch die Stile.
Ein richtig hipper Club wäre das KC Dunaj, sagt Katka Sido. Er befindet sich in einem alten, kommunistischen Gebäude im vierten Stock mit Aussicht auf die Stadt und hat eine einzigartige Atmosphäre. Auch hier ist Lärm kein Problem. Das KC Dunaj ist mehr Kulturzentrum als Club. Im Keller desselben Gebäudes ist der Klub Dole (Club »Unten«). Er hat eine hervorragende Soundanlage sowie eine LED-Decke und bringt frischen Wind nach Bratislava. Soll heißen, dort tummeln sich – wie Tibor Holoda sie nennt – »Fashionistas«.
Als Mitbegründer des schon erwähnten Subclubs, ist er in der elektronischen Szene von Bratislava fest verankert. Er wickelt große Festivals wie das Electronic Beats oder Wilsonic ab und ist darüber hinaus in anderen osteuropäischen Städten aktiv. Natürlich bedeutet das hier, ganz besonders am Limit zu arbeiten. Als Tibor Holoda letztes Jahr zwei Wochen ins Krankenhaus musste, stockten viele wichtige Arbeiten, ein Line-up mit Underworld, Trentemøller und My Bloody Valentine für schlappe 39 Euro musste abgesagt werden.
Ob es sich lohnt …?
Außergewöhnliche Bookings scheinen trotz allem im Cluballtag Bratislavas Mangelware zu sein. Eine richtige Clubkultur hat sich in Bratislava noch nicht entwickelt. Tomáš Ferko aka Teapot spielt regelmäßig in den Clubs und spricht einen wichtigen Punkt an: »Bratislava ist weder Berlin noch London und ist nicht Teil der großen Music-Biz-Hype-Maschinerie, vor allem, weil es an einer funktionierenden und vielfältigen Musikpresse fehlt. Alle interessanten Dinge passieren außerhalb institutioneller Strukturen. Es liegt an Facebook, Twitter & Co, dass Veranstaltungen überhaupt wahrgenommen werden.«
Auch Sponsorings von den großen Marken sind rar. Player wie Red Bull, Heineken oder Eristoff sind viel weniger involviert. Das schafft zwar Freiheit im Kopf, aber auch knappere Budgets. Und Clubkultur hat natürlich Konkurrenz. Radoslav Tomek meint, dass die Leute heute weniger bereit sind auszugehen und ihr Geld lieber für wichtigere Dinge wie iPads ausgeben. Im nächtlichen Bratislava gibt es mittlerweile zahlreiche Cafés, Bistros und gepflegte Bierlokale, die bis weit in die Morgenstunden geöffnet haben. Wenn man also nach Mitternacht trinken möchte, muss man dafür nicht mehr in einen Club gehen.
Die Öffis fahren ab Mitternacht stündlich zum Hauptbahnhof und zurück – von dort sind es wenige Gehminuten zu den Clubs, die im Zentrum liegen. Aber wenn man um 3.30 Uhr morgens den Bus verpasst, war’s das. Von den Intervallen der Nacht-U-Bahn in Wien ist man noch Längen entfernt. Dabei dürfen die meisten Clubs bis 6 Uhr früh offen halten. Für Sperrstunden gibt es keine einheitlichen Regeln, jeder Betreiber muss sich das mit den zuständigen Ämtern aushandeln.
Dass neue Locations wie der Klub Dole oder der Refresh Club vor Kurzem eröffnet haben, zeugt aber davon, dass die Clubszene sehr wohl aktiv ist und voranschreitet. Bis die Twin Citys auch in Sachen Clubkultur zusammenwachsen, braucht es wohl noch einiges an Aufklärungsarbeit, bis die Scheuklappen aus den Köpfen verschwinden. Ein billiges Eldorado in Bunkern und Kellern wartet.
Wer mehr über die Bratislava Untergrund-Musik-Szene erfahren möchte, der kann diese auf Twitter verfolgen: twitter.com/_BA_Underground
PERSONEN:
Teapot: www.mixcloud.com/_teapot_/white-collars-black-hearts
Tibor Holoda: soundcloud.com/tiborholoda
Rado Tomek aka DJ Kinet: soundcloud.com/dj-kinet
Barbara Farkas aka Assquakess: www.facebook.com/assquakess
ADRESSEN:
Klub Dole, Námestie Slovenského národného povstania 30, 811 01 Bratislava
Nu Spirit Club, Štúrova 19/3, 811 02 Bratislava
Subclub, Nábrežie arm. gen. Ludvíka Svobodu, 811 02 Bratislava
Radost Music Club, Obchodná 528/48, 811 01 Bratislava
SONST NOCH:
Batelier & Fuga, Továrenská 2586/14, 821 01 Bratislava
Refresh Music Club, Ventúrska 5, 811 01 Bratislav
KC Dunaj, Nedbalova 3, 811 01 Bratislava
A4, Námestie Slovenského národného povstania 811, 811 06 Bratislava