Echter Wiener Schnitzler im Tanker

Der Urlaub ist vorbei. Die Studierenden müssen zurück an die Uni und auch die Intendanten zurück ans Theater. Für die freie Szene scheint es eine spannende Spielzeit zu werden. Thomas Frank (Brut) und Wolfgang Schlag (Hundsturm) sprachen mit uns über Arbeitsbedingungen, Geld und diese Sache mit dem "postmigrantischen" Theater.

Ich find es ja schon schlüssig, dass der Begriff des postmigrantischen Theaters vor allem in der Politik offene Türen einläuft. Es lässt sich halt gut mit Diversity Management zusammendenken. Beiden ist vielleicht gemein, dass sie eher symbolische als faktische Relevanz haben?

TF: Vielleicht solltest du im Hundsturm einfach das Aktionslabor für postheimisches Theater machen, oder?

WS: Im Hundsturm ist das eigentlich schon Programm – wir machen postanimalisches Theater. Ich hab schon eine Meinung dazu, wie man als Institution mit dieser veränderten demografischen Situation in der Stadt umgehen kann. Ich glaube, das habe ich auch bei den Festwochen, bei „Into the City“ gezeigt, indem man solche Begriffe einfach gar nicht verwendet und die Leute ernst nimmt, mit ihnen gemeinsam Projekte entwickelt. An die Ränder der Stadt geht und ganz einfach ganz normal Kulturarbeit macht und nicht sagt: Ich bin ein … das nächste Fettnäpfchen. Liegt The Gap eigentlich auch in der MA7 gratis auf? Da liegen ja immer so Zeitschriften. Sicher? Oder?

Könnt ich mir schon vorstellen.

WS: Man sollte die Menschen einfach ernst nehmen, dann muss man keine Begriffe drüber schreiben. Ich glaube, dass sich dieser Thematik eher die großen Institutionen stellen sollten, die so tun, als würde die Stadt noch immer so ausschauen, wie vor hundert Jahren. Die haben ihre teuren Karten, ihre Abos, ihre ewiggleichen Künstlerprojekte. Dann gibt es noch diesen deutschen Theaterkanon. Den ständig rauf und runter zu spielen find ich auch furchtbar. Na klar, warum soll eine türkische Familie, die mittlerweile alle oder viele in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind, ins Burgtheater gehen. Der Bildungskanon, mit dem die aufgewachsen sind, bildet sich dort ja wahrscheinlich überhaupt nicht ab.

TF: Ich glaube nicht, dass das nur ein Thema für Menschen ist, die mit „postmigrantisch“ gemeint sind, sondern, dass das ein generelles gesellschaftliches Problem ist. Öffentlichkeit ist heute ausdifferenziert, eine bürgerliche Mitte, für die diese Häuser gebaut wurden, gibt es in der zeitgenössischen Stadt so nicht mehr.

WS: Es ist ja ziemlich langweilig über diese großen Tanker nachzudenken. Eine radikalere Zukunft könnte sein, kleinere Häuser zu haben. Das Spannende im Kulturbetrieb sind längst diese kleineren Häuser – wie Brut. Die Stadt sollte dezentraler gedacht werden. Mich stört dieser Kulturcluster mitten in der Stadt. Warum nicht ein zeitgenössisches Museum nach Floridsdorf bauen? Das wäre eine irrsinnige Belebung. Es ist eh genug los dort, aber das würde noch mal einen anderen Impuls setzen.

Die Wiener MA7 regt ja in letzter Zeit vermehrt zu Kooperation zwischen den kleinen Bühnen an. Ich versteh nicht ganz warum es diesen Trend gibt, möglichst viele Häuser zusammenzuführen, die vielleicht gar nicht so viel miteinander zu tun und vielleicht gar nicht das Einsparungspotential haben?

TF: Du hast ja in deiner Frage, die Antwort schon fast mitformuliert. Es gibt eine gewisse Unentschiedenheit in der Kulturpolitik. Das Problem ist natürlich, dass in den letzten Jahren einige neue Spielstätten dazugekommen sind. Auf der anderen Seite kann man sich nicht von Projekten und Häusern verabschieden – mit dem Ergebnis, dass diese Häuser, deren Aufgaben oder Arbeitsweisen in manchen Fällen nicht so klar definiert oder durchdacht sind. Damit meine ich vor allem das Verhältnis des Auftrags der Häuser zum Budget, das ihnen zur Verfügung steht. Das führt natürlich dazu, dass die alle auf die Projektfördertöpfe zugreifen wollen, die auch nicht größer werden.

WS: Vor allem, wenn neue Räume geschaffen werden – normalerweise müsste zuerst ein Konzept da sein und dann der Raum geschaffen werden.

TF: In der Regel läuft das leider anders rum.

WS: Ja, es wird das Haus gebaut und es gibt kein Konzept dazu. Auch nicht später.

Ich frag jetzt nicht an welches Haus du dabei denkst.

WS: Ja, ohne das Kabelwerk damit in Verbindung bringen zu wollen, denke ich dass es am falschen Ort ist. Das Publikum am Kabelwerk interessiert sich null für das Kabelwerk. Angeblich gibt es im Kabelwerk den höchsten Anteil von FPÖ-Wählern im geförderten Wohnbau. Die interessiert das dort nicht. Eine U-Bahn Station weiter ist das Schöpfwerk. Das ist ein super Ort. Dort gibt es wirklich ein spannendes, interessiertes, offenes Publikum. Ich habe nie verstanden, warum man nicht dort einen solchen Raum hinbaut.

Ihr scheint euch ja recht gut zu verstehen, wann gibt es die erste Kooperation zwischen Hundsturm und Brut?

WS: Steht an, eigentlich. Können wir wirklich mal machen.

TF: Ja, da können wir mal konkret werden. Mach mal den Rekorder aus.

www.brut-wien.at

www.hundsturm.org

Bild(er) © Thomas Frank: Florian Rainer, Wolfgang Schlag: Miguel Dietrich, Essen: Matthias Hombauer
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