Ein Käfig voller Narren

In Wien am Naschmarkt steht ein neues Gerüst. Damit soll nicht nur gemahnt werden, sondern es setzt auch Symbole für das Jetzt.

Angeblich wurden in der NS-Zeit nur Männer verfolgt, weil weibliche Homosexualität nicht strafbar war?

Anders als der berüchtigte Paragraph § 175 in Deutschland stellte bereits die erste Republik Österreichs den Strafrechtsparagraph 129lb "Unzucht mit Personen desselben Geschlechts" unter Strafe, das Gesetz galt also sowohl für Männer als auch gleichermaßen für Frauen. Während der Zeit des Nazi-Regimes wurde diese Verordnung aufrechterhalten und an die Spruchpraxis des "reichsdeutschen" Paragraphen 175 RStGB angeglichen. Konkret bedeutet das, in Österreich waren sowohl vor dem NS-Regime, währenddessen und auch danach, gleichgeschlechtliche Sexualkontakte für Männer und Frauen gleichermaßen verboten.

Die vielen verschiedenen Opfer des NS-Regimes werden häufig vom grauenvollen Holocaust überdeckt. Ist das auch bei verfolgten Homosexuellen so oder ist dieser Bereich einfach nicht genügend aufgearbeitet?

Wie gerade gesagt, wurden gleichgeschlechtlich liebende Frauen und Männer, im Gegensatz zu anderen Opfergruppen, nicht nur während des NS-Regimes, sondern auch davor und danach in Österreich strafrechtlich verfolgt. Diese Kontinuität der Verfolgung hat die Aufarbeitung der NS-Verbrechen an dieser Opfergruppe in den Hintergrund gedrängt. Vor dem NS-Regime und nach 1945 galt in Österreich derselbe Paragraph im Strafrecht zum Verbot der Homosexualität.

Der nächste Schritt wäre, ein fixes Mahnmal zu errichten?

Wir haben die Verpflichtung, uns mit der über Jahrzehnte andauernden und viel zu lange unsichtbar gebliebenen Opfergruppe und der Verfolgungsgeschichte der Lesben, Schwulen und Transgender-Personen sinnvoll auseinanderzusetzen.

Wir stehen heute vor der Aufgabe und dem Willen der Stadt Wien, dem Gedenken an homosexuelle und transgender NS-Opfer einen würdigen Platz zu geben. Die Stadtregierung bekennt sich klar dazu, ein permanentes Mahnmal umzusetzen. Gerade befinden wir uns in Gesprächen mit dem Bund, denn es geht nicht nur um Opfer rund um Wien, sondern um ein Zeichen der gesamten Republik Österreich.

In Wien findet seit Jahren der Life Ball im Rathaus statt, Conchita Wurst hat den Song Contest gewonnen, das Stadtmarketing setzt auf ein für queere Menschen offenes Wien. Da kann man sich auch einmal zurücklehnen, oder?

Regenbogenhauptstadt zu sein heißt, sich auch abseits des Song Contests für mehr Akzeptanz und gegen Homo- und Transphobie zu engagieren. Denn: Es gibt kaum einen homosexuellen Teenager, der es heute wagt, sich öffentlich an seiner Schule zu outen. Lesben, Schwule und Transgender-Personen erleben im Alltag noch immer vielfältige Diskriminierungen.

Die gesetzliche Grundlage und der Diskriminierungsschutz müssen dringend auf alle Lebensbereiche erweitert werden. Ergebnisse einer EU-weiten Studie zeigen, dass in Österreich 48 Prozent der Befragten Lesben, Schwulen und Transgender-Personen im letzten Jahr diskriminiert wurden. Für uns bedeutet das, sich nicht zurückzulehnen, sondern aktiv für mehr Akzeptanz an Schulen, Arbeitsplätzen bis hin zur Altenpflege zu arbeiten und dies öffentlich zu verankern.

Die Ausstellung "Raising The Bar" läuft vom 28. April 2015 bis Frühjahr 2016.

Bild(er) © KÖR GmbH Wien
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