… über die ein oder andere Visualisierung von Ruinen und Verfall in der Popkultur.
Michigan Building: Industrieromantik à la Detroit
Selbstmordgedanken und Schach, Tangier und die Motor City. In »Only Lovers Left Alive« (2013), dem jüngsten Film des Kultregisseurs Jim Jarmusch, cruist das wiedervereinte Vampir-Ehepaar Adam (Tom Hiddleston) und Eve (Tilda Swinton) im edlen, alten weißen Jaguar XJS – wohl ein Wink in Richtung US-Autoindustrie, die Detroit so dominierte – durch Detroit, das – so wie sie selbst – weder lebt noch tot ist. Musiker Adam zeigt Eve das Michigan Building, einst prunkvolles Theater, jetzt Parkgarage, und erzählt ihr wie ein Reiseführer Details zur Vergangenheit des Gebäudes. Das Interesse von Künstlerpersönlichkeiten am heruntergekommenen Detroit wird hier reflektiert, teilweise ironisch, ohne dabei aber die Faszination der Stadt ins Lächerliche zu ziehen. Beispiele: »Prisoners«, »The Wire«, »Gran Torino«, »Searching For Sugarman«, »True Detective«, »Wild Style«, »8 Mile«, »James Bond: Skyfall«, »M83 – Midnight City«, »Olympique – The Reason I Came«, »Billy Elliot«
Pressefoto Fanta 4: Pop & Leerstand © Andreas Läsker Bär
Gerade Musikvideos und Pressefotos lieben den Leerstand: die atmosphärische Lagerhalle, das heruntergekommene Haus im Wald, die Symbolik einer Wand voller Graffiti – so ein Hintergrund versorgt den Künstler mit der nötigen Coolness und Glaubwürdigkeit. Friedrich »Supergeil« Liechtenstein, bekannt durch den Edeka-Werbespot, ließ sich gleich vom heruntergekommenen Kurort Bad Gastein zu seinem gleichnamigen Konzeptalbum inspirieren. In einem Interview mit The Gap sagte er: »Ich war sofort begeistert vom morbiden Charme der Stadt, von der Esoterik, vom Leerstand, von der gescheiterten Moderne mit diesem Kongresszentrum. Bad Gastein ist wie ein riesiger Spielplatz, der bespielt werden will. [...] Am liebsten würde ich mit all meinen Freunden hinziehen und ganz viele, kleine Cafés aufmachen und schöne Partys organisieren.« Shabby Chic wie aus dem Bilderbuch. Beispiele: »Grand Budapest Hotel«, »Good Bye, Lenin!«; Miley Cyrus – »Wrecking Ball«, The Others, FKA Twigs – »tw-ache«, James Blake – »Limit To Your Love«
Inception: Psychospiegel
Um das Konzept von Limbo in »Inception« zu verstehen, muss man sich auf seltsamen Internetseiten zu luziden Träumen herumtreiben und scheitert dann doch. Die Psychologie dahinter ist aber relativ einfach: Die Welt, die Dom (Leonardo DiCapiro) und Mal (Marion Cotillard) als Mischung zwischen modernen Hochhäusern und Orten ihrer Erinnerung erbaut haben, bröckelt im Unbewussten Doms, der nach dem Tod seiner Frau wiederkehrt. Die Ruine ist hier vor allem Spiegel eines seelischen Zustands. Die Special Effects der Limbo-Welt orientieren sich an Gletschern, die ins Meer kalben; weniger an Sprengungen oder anderen Einsturzarten von Häusern. Für den Look der zerstörten Stadt nahm man Anleihen an Kriegsschauplätzen, vor allem dem Irak. Beispiele: »Shutter Island«, »Stalker«, »The Return (Vozvrashchenie)«, »Shining«, »Der Siebte Kontinent«, »Homeland« 3. Staffel
SciFi: Post-Apokalypse und Zukunft
Besonders Science-Fiction-Kino kann aus der Zukunft heraus in die Gegenwart zurückschauen und damit Konsequenzen sichtbar machen. Die dystopischen und postapokalyptischen Szenerien – seien sie vom Menschen verursacht, von Naturkatastrophen oder durch Experimente mit weitreichenden Folgen – haben dabei auch oft einen moralisierenden und kathartischen Kern. Sehr viele dieser Filme drehen sich um eine Katastrophe, die in der unmittelbaren Gegenwart des Betrachters wurzelt und dann ihre Auswirkungen hat, die den eigentlichen Plot des Films bilden. Dass Sci-Fi seine Effekte liebt, die Zerstörung und Ruinen visuell feiern, schließt sich dabei nicht aus. Beispiele: »Wall E«, »After Earth«, »28 Days Later«, »Planet der Affen«, »Children Of Men«, »The Road«, »Terminator«, »Matrix«, »Elysium«, »Blade Runner«, »The Walking Dead«, »Silent Hill«, »Mad Max«
78er: Mehr als Dokumentation © Die 78er – Institut für Stadterkundung Wien
Die bekanntesten Urban Explorer Wiens, das Kollektiv Die 78er – Institut für Stadterkundung Wien, dokumentiert mit der Kamera verlassene und schwer zugängliche Orte und das – bei großem medialem Echo und 5.000 Facebook-Likes – sehr erfolgreich. Die Bilder zeigen spektakuläre Aus- und Einblicke, die oft unter nicht ganz ungefährlichen Bedingungen zustande kamen. Dass die 78er sich auf ihren Fotos manchmal als Rückenfiguren, die in die Weite schauen, finden, ist wohl ein (romantischer) Zufall. Ein großes Interesse für Leerstand mit Fokus auf den Abriss kann man auch dem österreichischen Fotografen Kurt Prinz attestieren. Er dokumentierte unter anderem die verlassenen Hotels in Bad Gastein und den Abbruch des Südbahnhofs in beeindruckenden Bildern und arbeitet im Moment an einem Buch zum Abriss des Hanappi-Stadiums. Beispiele: www.marchandmeffre.com, www.olympiccityproject.com, www.weburbanist.com
Zu unserer Coverstory über Ruin Porn – die Ästhetik des Verfalls zwischen Porno und Romantik geht es hier.