Electric-Spring-Kuratorin Therese Kaiser im Interview

Gestern veröffentlichte das Electric Spring die ersten Acts, wir durften Therese Kaiser vorab Fragen zu ihrer Kuratorenrolle, der aktuellen Doppel-Festivalbelastung und langweiligen Line-Ups stellen.

© Wurlidaps

Du bist ja gerade mit dem Business Riot und dem Rrriot Festival vermutlich ziemlich ausgelastet. Wieso hast du dich (dennoch) dazu entschieden, die Kuratorinnenrolle zu übernehmen? Kam das Angebot für dich überraschend?

Das Angebot kam tatsächlich sehr überraschend – nein sagen war für mich aber keine Option. Das Electric Spring kuratieren zu dürfen ist natürlich eine große Ehre und hätte ich nein gesagt, hätte ich mich wohl im Nachhinein sehr geärgert. Die Doppel- und Dreifachbelastung mit meinem eigenen Festival ist natürlich ein Thema, aber das Electric Spring Team übernimmt einen großen Teil der Arbeit, und ist vor allem sehr flexibel und geduldig mit mir.

Wie unterscheidet sich die Arbeit an deinen eigenen Festivals von der für’s Electric Spring? Wie viel nimmst du selbst in die Hand, was wird von anderen übernommen?  

Es ist quasi von den Verantwortlichkeiten genau umgekehrt: bei unserem Festival bin ich für’s Projektmanagement zuständig, für Finanzen und Kommunikation. Das Programm des Rrriot und Business Riot wird in erster Linie von unserem Team und den Programmpartnern erdacht und umgesetzt. Beim Electric Spring ist es umgekehrt, in Absprache mit dem Organisationsteam kümmere ich mich um’s LineUp, aber muss nicht Projektkoordination oder Finanzen im Auge behalten.

Beim Popfest gibt es seit jeher ein KuratorInnenduo, beim Electric Spring übernahm im letzten Jahr ein Trio – würdest du dir Input von einer zweiten Person wünschen? Mit wem stimmst du dich (intern) ab?  

Ich spreche mich tatsächlich viel mit anderen ab – es ist ein umfassendes Line Up und eine große Verantwortung, da macht es Sinn, sich immer wieder Feedback zu holen. Ein Duo wäre für das Electric Spring sicherlich auch spannend! Ich habe mich vor allem mit Marlene Engel (Festwochen, Hyperreality) und Katharina Seiler (Teil des Popfest-Duos) abgesprochen, erstens, um grobe Überschneidungen zu vermeiden, und zweitens, weil ich beide sehr schätze wenn es darum geht, Festival-Line-Ups zu konzipieren. Außerdem bin ich ja durch femdex sowieso eng verbunden mit einigen erfahrenen Veranstalter_innen, die ich ebenfalls immer wieder um Feedback gebeten habe.

Wie ist deine Beziehung zum Electric Spring? Du warst bereits letztes Jahr mit dem DJ-Duo Terror&Martina im Line-Up vertreten. Welchen Eindruck hattest du bisher vom Festival und seinem Publikum?

2017 durfte ich dank den Vorjahres-Kuratorinnen Etepetete selbst beim Electric Spring spielen, und es war ein ziemlich nervenaufreibeneder Gig für mich. Bis dato hatte ich noch nie vor so vielen Menschen gespielt, noch dazu war das DJ Pult sehr hoch und exponiert. Ich bin so fokussierte Aufmerksamkeit nicht gewöhnt, und war deswegen nochmal extra nervös. Das Electric Spring ist als Festival eine großartige Möglichkeit, vielleicht auch unbekanntere Acts einer großen Öffentlichkeit zu präsentieren. Das will ich auf jeden Fall nutzen, um einige meiner Lieblingsacts auf die Bühne zu bringen. Damit kein DJ so schwitzen muss wie ich, versuche ich aber, in Absprache mit der Produktion das Set-Up etwas zu ändern, um die DJs mehr ins Publikum zu integrieren. Live Acts sind großartig auf einer großen, eindrucksvollen Bühne – sobald aber ein gewisses Clubfeeling aufkommen soll, wünsche ich mir Strobo, großflächige Visuals und Tanzschweiß beim Publikum statt beim DJ.

Stichwort Gratis-Festival: Wie auch unlängst beim Popfest wird bei Gratis-Festivals häufig kritisiert, es ginge um eine Massenbespaßung, bei der die Musik ohnehin zunehmend in den Hintergrund rücke. Außerdem würden derlei Festivals – angesichts ihrer vergleichsweise hohen Subventionierung – den Clubs das eigene Booking erschweren. Wie siehst du das?

Ich bezweifle, dass das Electric Spring Clubs das Booking erschwert, aber ganz generell verstehe ich die Kritik natürlich. Die Frage ist aber jedenfalls um einiges komplexer, als die Schlagwörter „Massenbespaßung“ oder „Gratis vs. Kostenpflichtig“ vermuten lassen. Ob etwas subventioniert ist oder nicht, lässt sich nicht an den Eintrittspreisen ablesen und die größere Frage ist wohl die, wer auf Basis welcher Kriterien entscheidet, was gefördert oder subventioniert wird, und was nicht. Das Rrriot Festival ist zum Beispiel als gratis Festival angelegt, wird aber nicht gefördert – andere Festivals sind trotz Förderung kostenpflichtig – was auch vollkommen legitim ist, wenn man sich Gesamtbudgets genauer ansieht. Ich denke es wäre grundsätzlich sinnvoll, sich genau anzusehen, wie öffentliche Gelder fließen, wohin und weswegen. Da könnte man auch die große Kiste der Kulturförderung aufmachen, was ich aber in jetzt nicht machen werde. Fakt ist, dass Wien weit mehr zu bieten hat als Sängerknaben und Philharmoniker – ohne jetzt bitte zu viel Wertung hier reinzuinterpretieren – und es gibt unzählige Menschen in der Wiener Szene, die mit unglaublichem Einsatz extrem spannende, sehens-, hörens- und erlebenswerte Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Da geht es mir nicht einmal darum, ob ich spezifische LineUps super oder weniger super finde, sondern dass die Wiener Szene vor allem von Leuten getragen wird, die meist knapp an der Selbstausbeutung Festivals, Veranstaltungsreihen und Konzerte umsetzen. Es wäre mir ein riesigess Anliegen, dass hier seitens der Stadt Wien genauer hingeschaut wird – was zum Teil aber sowieso schon passiert, untätig ist man hier jedenfalls nicht. Was ich nicht mehr sehen kann, sind irgendwelche LineUps, egal ob subventioniert oder nicht, die sich vor allem aus weißen Männern bestehen. Das ist nicht deswegen ein Problem, weil es nicht auch tolle männliche Künstler gibt, sondern weil es einfach nicht repräsentativ ist. Wenn man sich ein bisschen mit der Wiener Szene auseinandersetzt, hat man sehr schnell herausgefunden, dass Diversität in vielerlei Hinsicht gegeben ist – sie muss nur besser hergezeigt werden. Und das Electric Spring trägt hier seine Rolle tatsächlich mit großer Verantwortung. 

Worauf kommt es deiner Meinung nach beim Electric Spring an? Welche Akzente willst du setzen?

 Ich denke, es ist am wichtigsten, einen guten Kompromiss zwischen bekannteren und unbekannteren Acts zu finden. Wenn es das „Therese Terror“ Festival wäre, dann würde das LineUp vielleicht etwas anders aussehen…  Ich will vor allem, dass sich möglichst viele angesprochen fühlen, oder von einem spezifischen Act angelockt werden, um dann vielleicht sogar ein paar andere, neue Lieblingsacts zu entdecken. Und dann ist es für mich natürlich wichtig, denen eine Bühne zu geben, die in ihrer Arbeit darauf achten, Vielfalt herzuzeigen. Das LineUp ist auch musikalisch relativ divers, wenn nicht vielleicht sogar eklektisch. Ich bin massiv gelangweilt von Veranstaltungen und Festivals, die so streng auf eine Schiene fokussieren, dass mir es extrem wichtig ist, ja nicht den selben Fehler zu machen. Musikalische Festgefahrenheit ist für mich ähnlich unerträglich wie jede andere Form der Verweigerung komplexer Realitäten.

Beim Gestalten eines Line-Ups hat man häufig den Anspruch, durch etwas Besonderes zu überzeugen, vielleicht mit dem ein oder anderen Act aufwarten zu können, der bisher noch ein Geheimtipp war. Trotzdem ist es bei Festivals wie dem Electric Spring wichtig, eine gewisse Niederschwelligkeit und somit eine Zugänglichkeit für die breitere Masse zu bewahren. Wie versuchst du hier eine Brücke zu schlagen?

Ich denke, es ist eigentlich gar nicht so schwierig, hier einen Kompromiss zu finden. Wenn man ein halbwegs gutes Gespür hat, mit welchen Acts man welche Personen locken kann, wie man das Line Up dramaturgisch aufzieht, dann lässt sich das eigentlich ganz gut koordinieren.

In Kooperation mit Hannah Christ, Initiatorin der Plattform femdex, hast du 2016 eine Grafik angefertigt, die bildhaft darstellt, wie unterrepräsentiert weibliche DJs in der Wiener Clubszene sind. Wenn du eine Grafik vom geplanten Electric Spring-Line-Ups erstellen müsstest, wie sähe diese aus? Wie hoch wird die Frauenquote bei deinen gebuchten Acts sein?

Mir ist es tatsächlich relativ schwer gefallen, ein ausgeglichenes LineUp auf die Beine zu stellen. Schlussendlich habe ich aber trotzdem einige männliche Acts gefunden, die ich großartig finde, und somit nähern wir uns fast einer 40-Prozent-Männerquote 😉

Irgendwelche Dinge, die du schon zum Festival verraten darfst?

Ja! Bestätigt sind zu diesem Zeitpunkt Ebow, Hunney Pimp, Ankathie Koi, Gudrun von Laxenburg, Jugo Ürdens & Einfachso Official, Ebow, Dacid Go8lin, Tony Renaissance, Hunney Pimp, The Devil & The Universe und Sofie! Mitte März gibt es dann das vollständige LineUp. Was ich vielleicht außerdem noch verraten darf: an beiden Tagen wandelt sich das Festival in der Tendenz von Konzertfestival zu Clubfestival, und vor allem die bald verkündeten DJs werden dem Ganzen noch ein bisschen Rave-Attitüde verleihen.

Das Electric Spring findet von 13. bis 14. April statt, mehr Infos hier

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