Akkordeon am Elevate: Mario Batkovic im Interview

Ein Typ, ein Akkordeon und ein fast hypnotisiertes Publikum. Die Shows von Mario Batkovic sind einzigartig. Vor seinem Auftritt am Elevate haben wir mit ihm über jugendliche Coolness, Schnapseskapaden und seinen Bezug zum Balkan gesprochen.

© Elevate

Eindringlich, wehmütig, duster. Keine Effekte, kein Gesang, Akkordeon pur – Mario Batkovic ist ein Schweizer Akkordeon-Virtuose mit bosnischen Wurzeln, der bereits als Vierjähriger eine eher ungewöhnliche Liebe zu einem eher unpopulären Instrument entwickelt hat. Nach etlichen Jahren des vielseitigen musikalischen Schaffens, zahlreichen Kompositionen für Musik und Film, veröffentlicht er im März 2017 sein erstes Solo-Album. »Mario Batkovic« ist, man könnte sagen, fast sakrale, sehr reduzierte und doch intensive »Musik light«, mit der sich der Musiker internationale Aufmerksamkeit sichert.

Aufmerksamkeit wird er wohl auch am Elevate-Festival in Graz bekommen – am Donnerstag spielt Batkovic vor Peter Broderick, der nicht nur solo, sondern auch als Teil von Efterklang dem ein oder anderen ein Begriff sein könnte. Wir durften dem Schweizer vorab ein paar Fragen stellen ….

Angeblich hast du dir mit nur 4 Jahren das Akkordeonspielen selbst beigebracht. Das Akkordeon ist für viele ein sehr traditionelles, bei Kindern für gewöhnlich kein besonders beliebtes Instrument. Zumindest in meinem Umfeld nicht, weder heute noch damals. Woher rührte die frühe Begeisterung für dieses Instrument? Wie kamst du so früh damit in Berührung?

Ich habe das so schon mal einem Journalisten gesagt (rausnehmen?): Es war eine glückliche Zwangsheirat. Es gab nichts anderes, es ist mir sozusagen in den Schoß gefallen, ich wollte Musik machen und mit 4 habe ich von meinem Onkel dieses Instrument geschenkt bekommen. Mein Onkel war ein…naja…sagen wir »gesellschaftlich lustiger« Mann, ein Lebemann, der sich regelmäßig zu diversen Eskapaden mit seinen Freunden hat verleiten lassen. Sein Akkordeon hatte er immer mit dabei. Man muss bedenken, es gab ja früher nichts, keinen Radio oder sowas in dem Stil. Die Männer sind einfach regelmäßig zusammengesessen und haben Musik gemacht und Schnaps getrunken. Viel Schnaps. Und irgendwann hat er mir sein Akkordeon geschenkt. Das hat dermaßen nach Alkohol gestunken, ich erinnere mich noch so genau an den Geruch – ich glaube das war auch der Grund, warum ich Rock´n´Roll machen wollte (lacht). Und die Liebe zu diesem Instrument war irgendwie immer so stark, dass nicht mal die Pubertät, in der man so ein uncooles Instrument verschmäht, weil man merkt, dass man zum Beispiel nicht cool Nirvana nachspielen kann, daran etwas hätte ändern können. Meine Liebe zum Akkordeon war irgendwie immer größer als der Wunsch nach Coolness.

Kannst du dich noch an den ersten Song erinnern, den du spielen konntest?

Ich erinnere mich noch haargenau an den, ja. Ich könnte ihn sogar noch summen. Aber den Titel weiß ich nicht mehr, mit Titeln bin ich ja eher schlecht. Ich kann mich eigentlich an alles erinnern, was ich jemals gespielt habe.

Wow, das ist sicher nicht so wenig…

Nein, aber Ich habe wie gesagt einen viel größeren Bezug zu den Tönen, als zur Sprache. Für mich hat sich die Naivität und Ehrlichkeit in der Musik immer viel richtiger, viel natürlicher angefühlt. Wenn ich Musik höre, erzählt mir die Musik sehr viel. Deshalb erinnere ich mich an jeden Ton so, wie du dich vielleicht an jedes Gespräch erinnerst.

Dein Debüt-Soloalbum »Mario Batkovic« umfasst insgesamt neun Tracks, die allesamt lateinische Namen haben. Was hat es mit diesen Betitelungen auf sich?

Ich habe einmal einen Soundtrack geschrieben für einen Film. Genau zu dieser Zeit lag ich in meinem Garten häufig in einer Hängematte unter einem wunderschönen Baum, den ich sehr mochte. Eines Tages hat man diesen Baum einfach abgeholzt – wie in einem schlechten Horrorfilm habe ich vom Fenster aus gesehen, wie sie die Motorsäge geschwungen haben. Das war ziemlich schlimm für mich, ich musste danach auch umziehen. Als ich dann auf der Suche nach einem Titel für den Soundtrack war, dachte ich, ich widme ihn meinem Baum. Das war eine Buche. Da »Buche« als Titel aber scheiße klingt, musste eine andere Sprache her. Laut Google Translate heißt »Buche« auf Latein »Fagus«. Ich dachte: Wow das klingt cool. Seitdem übersetze ich alle meine Titel auf Latein. Bedeutung hat das für mich weiters keine, denn für mich sind Songtitel nicht weiter wichtig. Meine Sprache ist die der Töne und die verstehe ich teilweise sogar besser als Menschen. Titeln gebe ich ihnen nur, damit die Leute das besser fassen können. Im Grunde ist´s also einfach nur das erstbeste wohlklingende Ergebnis von Google Translate und ich weiß nicht mal, ob die Titel eigentlich stimmen (lacht).

Alle Songtitel bestehen aus nur einem Wort, der einzige, der aus zwei Wörtern besteht, nämlich »Desiderii Patriae« tanzt nur auf den ersten Blick aus der Reihe – übersetzt bedeutet dies nämlich »Heimweh«. Mit 11 Jahren bist du mit deiner Familie von Bosnien in die Schweiz gekommen. Welche Rolle spielt deine Herkunft auf diesem Album oder in deiner Musik?

Heimweh, ja. Dieses Stück ist das einzige Stück auf meinem Album, das meine Herkunft andeutet. Im deutschsprachigen Raum versuche ich nämlich eigentlich, dieses Klischee »Balkan« rauszunehmen. Mehr als eine stilmäßige Andeutung auf meine Herkunft sollte es daher eben nicht sein. Das heißt, man kann diese Einflüsse raushören, wenn man will, muss es aber nicht. Das Problem, wenn du Batkovic heißt und Akkordeon spielst ist, dass wirklich alle glauben, dass du Balkanmusik machst. Und das ist das einzige Stück auf dem Album, in dem ich diesen Rückschluss zulasse.

Generell ist meine Musik natürlich von allem inspiriert, was mir in meinem Leben bisher begegnet ist. Ich kann meine Herkunft nicht verleugnen als Inspirationsquelle. Aber ich kann auch nicht Bach verleugnen, oder die Rolling Stones, Heavy Metal oder auch technoide Sachen. Also auch abstrakte Musik. So ziemlich alles, was mir in meinem Leben bisher begegnet ist, hat mich musikalisch geformt. Natürlich auch die Erfahrungen in meiner Heimat.

Würdest du sagen, dass Bosnien deine Heimat ist? Wie stark fühlst du dich mit deiner Heimat verwurzelt? Würdest du Bosnien überhaupt noch als deine Heimat bezeichnen?

Meine Heimat ist immer die Musik gewesen. Das klingt jetzt pathetisch oder kitschig, aber ich bin so oft umgezogen, dass das die einzige Konstante in meinem Leben war. Das war meine Zuflucht. Dort in der Musik auf der Bühne fühle ich mich zuhause, egal in welchem Land.

Auf deinem Album liegt der Fokus auf einem sehr direkten, purifizierten Akkordeonsound. Du verwendest keine Effekte und keinen Gesang. Wie wichtig ist dir eine gewisse Rohheit in und eine gewisse Nähe zu deinem Sound?

Also sagen wir so: Es war kein rationaler, logischer Gedanke, so ein Album zu machen. Das ist einfach die Art von Musik, die ich gerne selber machen und hören möchte. Für mich war es wichtig, das Ganze nicht so zu beladen. Es ist viel einfacher Musik mit diversen Effekten vollzupacken, damit sie schnell mal funktioniert und der Sound eine gewisse Mächtigkeit erreicht. Aber das ist der einfachste Weg, der Weg ohne Widerstand. Ich gehe lieber den Weg des größten Widerstandes. Ein Album nur mit einem Akkordeon aufzunehmen, das ist nicht ganz Ohne. Das birgt sehr viele Risiken. Ich hatte das Glück, dass es funktioniert hat. Die Leute hätten aber auch eine Stunde Akkordeonmusik total langweilig finden können.

Soundästhetisch wollte ich übrigens auch kein Akkordeonalbum machen, ich wollte einfach Musik machen. Ich sehe mich in erster Linie auch nicht als Akkordeonist, ich sehe mich einfach als Musiker. Und durch Zufall spiele ich Akkordeon. Man hätte mir damals auch eine Geige schenken können. Dann hätte ich die Leute vielleicht stattdessen mit einer Stunde Geigenmusik gequält (lacht).

Die Liste der internationalen Venues, die du in den letzten Jahren bespielt hast ist sehr lang: Was war dein prägendstes Konzerterlebnis im letzten Jahr? Was war deine Lieblingslocation?

Im Nachhinein ja, aber ich erlebe ein Konzert nie als etwas sehr Schönes (lacht). Es ist immer zu unperfekt für mich. Oft fand ich die Atmosphäre an einem Ort schön, habe dafür dann aber nicht gut gespielt. Oder umgekehrt. Das hängt von vielen Faktoren ab. Aber ein Highlight war sicher das »Dour-Festival« in Belgien. Das ist ein riesengroßes, sehr bekanntes Rockfestival. Niemand hat erwartet, dass sich da jemand nur mit einem Akkordeon auf die Bühne stellt. Das war ein größtenteils neues Publikum für mich – Typen mit langen Haaren, überall Rock´n Roll. Dort den Spannungsbogen mit meiner Solo-Akkordeonshow aufrecht zu erhalten, war eine richtige Challenge. Solche Auftritte sind mir am liebsten. Aber natürlich ist es auch schön zu sagen, dass man in der Elbphilharmonie gespielt hat. Eigentlich hat jedes Konzert etwas Reizvolles gehab. Zu sagen, das war mein Highlight wäre total unfair gegenüber den Veranstaltern, die das Risiko eingehen, einen scheiß Akkordeonist zu buchen. Also ich bin dankbar für alles eigentlich (lacht).

Stichwort Lieblingslocation: Du spielst heuer zum ersten Mal in Graz, noch dazu in der wohl interessantesten Venue des Elevate-Festivals, nämlich im Mausoleum im »Dom im Berg« direkt im Grazer Schlossberg. Was erwartest du dir von diesem Konzert?

Ich spiele wie gesagt eigentlich am Liebsten in verrauchten Rockclubs, dort wo das Akkordeon nicht hingehört. Aber solche Orte, wie du das jetzt beschrieben hast, sind für mich natürlich akustisch auch die absolut perfekten Voraussetzungen. Aber eigentlich ist mir nur wichtig, dass ich einen Raum und ein Publikum habe – ein Publikum, das nicht zirkuliert, dann kann man mit diesem nämlich wirklich tief eintauchen. Das ist mein einziger Wunsch. Außerdem habe ich ohnehin meistens die Augen geschlossen beim Spielen, also sehe ich gar nicht so viel vom Raum. Aber wenn der Raum schön klingt, dann ist es umso wunderbarer. So wie du das beschrieben hast, habe ich das Gefühl, dass das dort sehr schön werden wird.

In deiner Act-Description auf der Website des Elevate-Festivals ist folgendes zu lesen: »Through the accordion he’s been able to channel an unbound desire to explore and express, a freedom that he has been denied through the various physical, social, cultural, and political borders that have existed in his life.« Auf welche physischen, sozialen, kulturellen und politischen Grenzen bist du bisher in deinem Leben gestoßen?

Es geht nicht nur um meine Grenzen, sondern um allgemein existierende Grenzen. Es gibt hier sehr viele Ebenen und Aspekte. Zum Beispiel beim Thema Ländergrenzen, Flüchtlinge, Reisefreiheit – ich finde es so absurd, dass man irgendwo nicht hingehen darf, aufgrund von Faktoren, die man nicht beeinflussen kann. Dann geht’s natürlich auch um Grenzen, die in unseren Köpfen existieren:  Menschen, die man aufgrund ihrer Kultur, ihrer Hautfarbe, etc. nicht so akzeptiert wie sie sind. Und auch in der Musik gibt es natürlich Grenzen. Gruppen, die Techno geil finden, Metal aber scheiße. Metaler, die wiederum Techno scheiße finden oder Hip Hopper, die überhaupt beides scheiße finden. Ich habe nie verstanden, warum Leute gerade in der Musik so viele Grenzen sehen oder selbst schaffen. Ich finde, an der Musik darf es nichts Verbotenes geben. Ich will diese Grenzen einfach nicht akzeptieren. Man versucht natürlich auch meine Musik häufig zu Schubladisieren. Minimal, Klassik, Neoklassik, Volksmusik oder Elekronik – das sind furchtbar einseitige und häufig elitäre Begriffe. Meine Musik ist einfach, was es ist. Warum muss man es schubladisieren? Wir Menschen neigen einfach dazu, alles in Worte fassen und Kategorisieren zu wollen. Das geht mir gegen den Strich. Zum Beispiel das Wort Liebe: Niemand weiß was es ist, bevor man es selbst erfahren hat. Millionen Dichter und Schriftsteller versuchen sie zu beschreiben aber es ist einfach nicht in Worte fassbar, es ist ein Gefühl. Und Musik ist für mich auch einfach nur ein Gefühl. Ein Gefühl, das man erleben muss.

Erleben könnt ihr Mario Batkovic beim Elevate Festival am 1. März 2018  im Mausoleum. Nähere Infos gibt´s hier.

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