Erwin Wurm wird am Wochenende in der Salzburg Halle „Eine Wortskulptur“ inszenieren, mit der er gewissen Kunstsammlern gehörig in ihr „Arschgesicht“ tritt.
Die Performance wird am Samstag und Sonntag Abend um 19 Uhr zum Anlass des 30-jährigen Jubiläums der Galerie Thaddaeus Ropac von Erwin Wurm unter dramaturgischer Leitung des Burg-Chefs Matthias Hartmann aufgeführt. Weiters spielen Nicholas Ofczarek und Oliver Masucci sowie ein „Messer, Schneidbrett, Einkaufstasche, High Heels und andere“– laut Programmankündigung. Wie bereits in der letzten Ausgabe des Spiegel veröffentlichte Auszüge Wurms „Wortskulptur“ erahnen lassen, dürfte es sich dabei um einen derb-kritischen Rundumschlag gegen den Kunstmarkt, Kunstsammler, als auch Künstler handeln.
Abramowitschs Schwanz
Explizit trifft es in Wurms "Wortskulptur“ den russischen Ölunternehmer Roman Abramowitsch, einer der reichsten Männer der Welt und … natürlich Kunstsammler. Obwohl „Großeinkäufer“ seine Gewohnheiten wohl eher trifft: Bei der letzten Biennale parkte er seine Yacht direkt vor der Giardini, ist durch eine eigens erhobene Absperrung in den Kunsttempel marschiert und kaufte zwei Drittel der Biennale-Kunstwerke auf. Und genau deshalb muss sich jemand trauen, einmal dies zu sagen: „Abramowitsch hat sicher den größten, längsten Schwanz, weil er das größte, längste Boot hat. Eigentlich Schiff. Dieser längste Schwanz bedroht alle zwei Jahre die tollste Biennale der Welt, die Venedig Biennale. Sein Schwanz legt sich darüber und lässt sich bewundern. Er liegt wie eine riesige Frankfurter Wurst oder wie die Frankfurter sagen würden, wie ein ,Wienerle‘, über der Stadt.“
Oha – Erwin Wurms Schwanz kommt nun wohl auch nicht zu kurz, aber tatsächlich reiht sich Wurm dabei nur in die jüngste Tradition der Kunst ein, mit drastischen Mitteln gegen solchen Kunstraubbau und die ganze Monetarisierung der Kunstszene vor zu gehen. Bei der diesjährigen Biennale im Britischen Pavillon zeigt eine prominente Installation von Jeremy Deller den verstorbenen britischen Sozialisten und Begründer der Arts-and-Crafts-Bewegung William Morris: auf einem Wandbild taucht er als Gigant aus dem Meer auf und wirft Abramowitschs Yacht wütend ins Wasser. Jonathan Meese schmeißt angeblich schon lange hin und wieder „Werke“ von sich selbst weg – eine provokante Geste auf die „hohe Kunst“ und Abschreckung ihrer obersten Minister.
Viele Leute schreckt auch ab, wie hier zu Lande – spricht bei der Vienna Fair – Kunst von ausländischen Immobilienunternehmern als Aktie benutzt wird, die eine sehr passable Rendite abwirft. Plötzlich geht es in Schlagzeilen um „Machtwechsel“ statt Diskurs. Der Kunstdiskurs, die Natur und DIY neu zu denken, wie auf der Dokumenta 13 und anderen Ausstellungen, zeigen höchstens eine stille Abkehr von einer Kulturindustrie, die sich innerhalb der Kunst noch pervertiert hat.
"Nummer 721"
Längst vorbei sind die Zeiten, in denen man Kunstsammler mehr an einem Hauch von Kennerschaft, als einem Haufen von Geld identifizierte. „Die Dollarzeichen“, „die sich vor die Wahrnehmung schieben“ – so Diethard Leopold einmal, seien das Wirken einer „ungeschriebenen, ungesagten Übereinkunft“ unter Sammlern, „dass ein bestimmter Maler etwas wert ist. Daher werden wir unser Geld nicht verlieren.“ Es sind „astronomische“ Beträge, die Sammler für bestimmte Werke hinblättern, und da ist es doch verständlich, dass die ihr Geld auch gut angelegt wissen möchten. Das ist im Prinzip nichts anderes als Spekulation.
Jonathan Meese nennt diese Image-over-Substance-Haltung einfach „Poposchnüffeln“. Erwin Wurm beschreibt es am Bild der „Nummer 721“: „Kommt eine Künstlerin in eine Stadt oder zu einer Dinnereinladung, wird vorher gegoogelt, und man weiß sofort, sie ist die Nummer 721. Wer möchte schon mit der Nummer 721 reden, das ist doch vergeudete Zeit – wenn schon mit Nummer 21 oder 99, das geht auch noch, aber über 100 wird es mühsam.“ Und die Künstler kriechen – zumindest die, die es sich (noch) nicht leisten können, die Verhältnisse anzuprangern, weil sie ja von eben diesen Kunstsammlern abhängig sind. Und die, die einmal unter die 100 kommen, die „fühlen sich besser als der Rest“ – so Erwin Wurm.
Wurm sei seine Kritik vergönnt, weil seine Arbeiten eh schon immer einen großen Schwanz bewiesen – aber eben keinen hart-goldenen; sondern weil sie vielmehr das Dilettantische und das Poppige veredeln. Und gerade die haben doch die Legitimation dazu, gegen elitäre Verhältnisse zu protestieren.
Erwin Wurm: "A Word Sculpture" in der Salzburg Halle am 27. und 28. Juli um 19 Uhr
Reservierungen an: office@ropac.at