Kuratoren von Gegenwartskunst, Musikkritiker und irgendwer im Internet haben sich sicherlich auf "Future Brown" gefreut. Doch wer zuletzt releast, releast am schlechtesten.
2014 war das Jahr der Zukunft. FKA Twigs landete auf der Erde und brachte in Form von "LP1" ein außerirdisches Kamasutra als Hörbuch mit. Arca experimentierte im Soundchemiekammerl und gewann dabei das flüchtige "Xen", PC Music explodierte wie eine zu heftig geschüttelte Cola-Flasche und auch Fatima Al Qadiri schuf wundersamen Midi-Terror für einen Astralclub. Entrisch, experimentell, eigen.
Doch im Gegensatz zu anderen Avantgarden wurde diese von soundaffinen Erdenmenschen, Kritikern und auch Robert Pattinson wohlwollend aufgenommen, eben weil sie anders war und besonders weil sie das genau wusste, damit kokettierte und daraus einen Gutteil ihres Charmes spann. Dass alle genannten Künstler ihrer eigenen Vision nachgingen und damit sehr unterschiedliche Varianten von Zukunftsmusik schufen, spricht dann doch dafür, dass 2014 nicht ganz so scheiße war, wie es die Spex letztens auf ihrem Cover behauptet hat.
Glockenspiele ohne Salz
Das sei hier alles gesagt, weil wir der Future Brown-Release sicherlich geneigter gewesen wären, hätte sie uns schon Anfang 2014 ereilt, wo unsere Gehörgänge noch über Regaetton-Beats an ätherischen Midi-Chören erstaunt gewesen wären. Jetzt, Anfang 2015 kennen wir das halt schon.
Will man das Label der Zukunft zu Recht tragen, so wie Future Brown das schon im Namen tun, muss man eben auch immer ein paar Schritte voraus sein. Das gleichnamige Debüt des Quartetts – bestehend aus der genannten Al Qadiri, den beiden Nguzunguzus und J-Cush, dem Chef von Lit City Trax – ist zwar noch immer ein überdurchschnittlich gutes Album – hierfür sorgen nicht zuletzt großartige Vokalisten wie Kelela oder das Timberland-Ziehkind Tink – aber eine richtige Überaschung sieht anders aus.
Soll nicht heißen, dass man zu "Talkin Bandz" nicht trotzdem im Club austicken könnte, soll nicht heißen, dass "Vernáculo" nicht das "Gasolina" von MoMA-Kuratoren werden kann. Was man den vier Musikern sicherlich nicht vorhalten kann ist, dass viele Köche den Brei verdorben hätten. Nein, auf "Future Brown" hört man zwar sehr wohl die Verantwortlichkeiten der einzelnen Musiker heraus, aber alles stimmt bestens und ausgewogen zusammen. Irgendwer von ihnen hätte halt ein bisschen salzen können.
Future Browns gleichnamiges Debüt erscheint am 23.02 auf Warp. Das ganze Album gibt es hier auf NP im Stream.
Die Autorin auf Twitter: @oidaamira