Extravagant im Krautland

Wieso wirkt die Band Toy schräg in der heutigen Popmusik-Landschaft? Braucht es ein Interview um das zu hinterfragen – oder braucht man dazu Acid und repetitiv machende Drogen und repetitiv machende Drogen und repetitiv machende Drogen?

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Toy probiert einen Mix aus Mode des Jahres 1973 und Geisterbeschwörung alter Musik-Legenden. Wir trafen Alejandra Diez, die die Synths spielt und Gitarristen Dominic O’Dair vor ihrem Auftritt am Waves Vienna vor dem Flex zum Interview. Die zwei und auch die drei anderen Mitglieder des Quintetts entspringen der lebendigen 60s-/ 70s-/ Krautrock- und Proto-Elektronik-verliebten Londoner Szene. Dominic trägt ein gestreiftes T-shirt und hat genauso wie alle anderen Bandmitglieder langes Haar mit Roger Waters-Gedenkfrisur. Alejandra ist mit einem schwarzen Kleid und einem schwarzen Kunstpelz-Kurzmantel bekleidet, sehr schick jedenfalls. Sie sind momentan kaum zuhause in London, weswegen nicht nur die DJ-Ambitionen von Charlie Salvidge, dem Drummer, ein wenig leiden.

Eine dreiviertel Stunde, mehr brauchte es nicht. Nach dem zweiten Song hüllten psychedelische Noise-Schwaden die ersten fünfzehn Reihen des Flex ein: Mathematisch aneinander gereihte Soundsektionen, wie sie mir später erklären werden. Zu Beginn des Interviews überreiche ich ihnen noch Sticker von The Gap, die sie amüsiert ihrem Bassisten Maxim "Panda" Baron überreichen wollen.

Wenn ich mir Toy anhöre, dann höre ich einen einzigartigen Mix aus Krautrock, Synthesizern, Shoegaze und Psychedelia. Und hinzu kommt noch Leidenschaft. Ihr sammelt LPs und alte Synthesizer. Habt ihr ein generelles Bedürfnis, eure Begeisterung für alten Kram an die Menschen weiterzugeben?

Alejandra: Wir gaben vor nicht allzu langer Zeit ein Interview in Paris für ein französisches Magazin und da fragten sie uns: "Wenn ihr wählen könntet, was wäre euer Ziel?" Ich würde genau das erwähnen, dass kleine Bands, die andersartige Musik machen, auftauchen und eben nicht Hip Hop und R’n’B hören, so wie im Radio. Eigentlich sind wir eine Minderheit.

Also wäre es eine bessere Welt, wenn jeder Neu! oder sowas ähnliches hören würde?

A: Es wäre einfach eine größere Bandbreite vorhanden. Du hättest viel mehr zur Auswahl, was du dir anhören könntest. Wenn man das Radio einschaltet, kommt es einem vor, dass das das Einzige ist, was du hören kannst…

Wie in einem Potpourri, eine besserer Mix. Ihr wärt dann eine der Zutaten, die das ganze ein bisschen pikanter machen würde.

Dominic: Oh ja, ich mag diese Metapher.

Der Remix eurer ersten Single "Left Myself Behind" wurde von Richard Fearless von Death In Vegas gemacht. Ihr habt Death In Vegas supportet. Was ist eure persönliche und musikalische Verbindung zu ihnen, zu ihm?

D: Ich glaube, dass Death In Vegas sehr gut sind. Sie sind eine derjenigen Bands, die einen Crossover zwischen Dance Music und einer Krautrock beeinflussten Gitarrenmusik schaffen. Eine der wenigen Dance und Crossover Acts, die ich wirklich liebe. Sie sind wirklich cool und Richard ist ein großartiger Typ. Wir haben sie als Vorband in Liverpool auf einem Festival unterstützt. Er wird noch einen Remix machen und zwar von "Drifting Deeper", einem Instrumental-Song vom Album.


Ich habe euch bereits letztes Jahr in Bristol live in einer aufgelassenen Kirche gesehen. Ihr habt damals die Horrors supportet. Ihr seid eng mit ihnen befreundet. Dumme Frage, aber sitzt ihr alle zusammen und hört Platten?

A: Ja, das ist das, was wir hauptsächlich tun.

D: Das ist exakt das, was wir tun!

A: Wir gehen gemeinsam aus und dann sitzen wir in einer Wohnung und hören uns haufenweise Platten an…

D: Und feiern eine Party.

Ich habe gerade erst die Internet-Site Psychedelic Psyblings gefunden, Panda hat dafür eine Playlist zusammen gestellt. Ihr habt alle ein großes Faible für Krautrock und Proto-Electronic-Zeug. Hört ihr alle die selbe Musik?

D: Ja, Alejandra und ich hören viel frühe Elektronische Musik. Panda hört viel Zeug von Buffalo Springfield, was ich auch mag, aber jetzt nicht die ganze Zeit hören würde.

A: Wir schätzen alle ähnliche Musik.

D: Wir lieben alle ähnliches Zeug, alles was wir in unsere Hände kriegen, wir hören es, absorbieren es und wir sind immer auf der Suche nach neuen Sachen.

Ihr kennt euch nicht alle für so lange Zeit. Panda, du, Dominic und Tom schon. Alejandra, du bist in Spanien geboren.

D: Ja, wir drei kennen uns schon seit wir zwölf Jahre alt sind. Wir sind zusammen zur Schule gegangen, wir wurden schnell Freunde. Und wir begannen gemeinsam Musik zu hören und Gitarre zu spielen in unseren Kinderzimmern. Und Alejandra trafen wir dann vor sechs Jahren das erste Mal.

A: Ich traf sie einige Monate nachdem ich von Spanien nach England gezogen bin. Ja, wir sind zusammen herum gehangen. Wir sind alle gemeinsam nach London gezogen, kennengelernt haben wir uns in Brighton.

D: Alejandra und ich leben seither zusammen.

Eine andere junge Londoner Band "Charlie Boyer & The Voyeurs" supportet euch. Man kann sagen es funktioniert bei euch wie in einem großen Familienbusiness.

D: Ja, ich glaube genauso ist es. Wir sind alle gute Freunde, da gibt es noch ein paar andere Bands. Die meisten unserer Freunde machen Musik oder sind Musik-Besessene.

Erzählt mir etwas über das Label Heavenly, auf dem ihr veröffentlicht. Es ist ein kleines Independent-Label.

A: Ja, es ist großartig. Wir wollten immer nur bei einem kleinen Label unterschreiben, einem unabhängigen. Einfach um die Kontrolle zu behalten, unsere eigenen Entscheidungen treffen, wo wir hin wollen und wann wir unsere Sachen veröffentlichen wollen. Sie sind sehr unterstützend und enthusiastisch in allem was wir tun.

D: Ich war schon mal bei einem Major Label und ich habe es nicht wirklich gemocht.

A: Am Major geht auch alles viel langsamer. Wir hingegen haben im Mai angefangen aufzunehmen und im September veröffentlicht.

Euer Artwork und eure Videos funktionieren mit ähnlichen visuellen Mitteln, es ist sehr homogen. Sight and Sound sind eng verbunden, so wie in den 60er Jahren beim UFO Club und den frühen Pink Floyd.

D: Oh ja, ich habe alles über den UFO Club gelesen. Für uns ist es wichtig, dass man mehr als einen seiner Sinne benutzen kann. Wir wären überglücklich über eine Lightshow, aber momentan können wir uns das nicht leisten. Also sind die Musikvideos unser einziger Weg uns visuell auszudrücken. Für das erste Video "Left Myself Behind" haben Panda und ich Found Footage von Mikroskopen verwendet, mikroskopische Kristallisation. Es sah absolut unglaublich aus, wir haben das alles zusammengefügt und auf uns projizieren lassen. Für das zweite Video "Motoring" hat Panda wieder Found Footage angeschleppt, es war eine tanzende Ballerina, die eine Lichtspur ihrer Bewegungen nachzog, das inspirierte uns und den Regisseur. Ja, Videos sind sehr wichtig für uns.

A: Es ist doch so, es geht um die ganze Erfahrung, Augen und Ohren gehören da zusammen, du kannst nicht eines weglassen.


Für Zuhörer ist eure Musik sehr repetitiv, kontemplativ. Was ist eure Wahrnehmung, wenn ihr auf der Bühne steht?

A: Ich kippe definitiv rein, ich kann dem nicht entgehen. Gut, dass jemand anderer das auch so empfindet wie ich!

Also empfindet ihr ähnlich wie eure Zuseher?

D: Ja! Ich nehme an, so wie wir uns auf der Bühne fühlen, sollte sich auch das Publikum fühlen.

Wie siehts mit dem Songwriting aus? Wie geht ihr da vor? Habt ihr einen Prozess?

D: Wir machen alle unsere Songs zu Hause, ich produziere auch gerne. Wir haben ein Mikrophon, das ich für 17 Pfund gekauft habe.

A: Einer schlägt einen Riff vor oder eine Idee…

D: Die Songs auf dem Album hören sich sehr anders an als das, was wir jetzt live spielen. Die Songs sind immer im Wandel und in einer Entwicklung. Das macht die ganze Sache interessant und es gibt keinen Punkt, wo alles stehenbleibt. Ebenso machen wir das alles unter einer bestimmten Logik. Wir haben verschiedene Sektionen und wir trennen diese willkürlich ab und wir verschieben sie, wir verlängern diese und wir kürzen dann das. Songwriting ist wirklich eines meiner liebsten Dinge, ich liebe es. Ich verbringe viel Zeit damit.

Kommen wir nun zu eurer früheren Band, Joe Lean and the Jing Jang Jong, das war eher Indie Pop. Seid ihr jetzt erwachsen geworden?

D: Vielleicht nicht. Das Bizarre daran ist, dass ich damals mit 14 oder 15 die selben Sachen gehört habe, die ich heute höre, so Sachen wie Television, MC5 oder die Stooges. Es war also ein bisschen eigenartig, dass wir in so einer Band waren. Eigentlich hatten wir keine gute Zeit. Dieser Typ mit dem wir die Band hatten ging mit Toms Schwester aus, so gründeten wir damals die Band als wir nach London gingen. Nach unserem siebenten Auftritt kamen einige Major-Labels auf uns zu und meinten wir wären das nächste große Ding. Es war lächerlich, wir hatten ein paar schicke Abendessen mit all diesen Major-Label-Leuten und wir unterschrieben diesen lächerlichen Vertrag und dann realisierten wir, dass es eigentlich schrecklich war … (lacht). Wir blieben einige Zeit dabei und dann schmissen wir es hin und gründeten Toy.

Danke für das Gespräch! Es war sehr schön, ich freue mich auf euren Auftritt!

D: Nein, danke, wir freuen uns, dass wir da sein durften.

Das selbstbetitelte Debüt-Album von Toy ist am 10. September über Heavenly/ Cooperative Music (Universal) erschienen.

http://toy-band.com

Bild(er) © Toy, Valerie Brown, Patrick Münnich
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