Fahren, ganz nüchtern

Allerorts werden Alltagsprozesse gamifiziert. Nur die Renn-Simulationen wollen keine Spiele mehr sein.

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Slightly Mad Studios haben keinen Anlass zur Schmalbrüstigkeit. Sie haben mittels Schwarmfinanzierung ein Renn-Spiel geschaffen, dass die großen Konkurrenten erzittern lässt. Nur dass „Project Cars“ eben kein Spiel ist. Dafür wird hier zu konsequent auf jede Auflockerung und jedes motivierende Extra verzichtet. Denn während sogar der Supermarkt in meiner Straße mit Treuepunkten und Pickerlheften dafür sorgt, dass einkaufen mehr ist als eben nur einkaufen, geht es in „Project Cars“ ums Fahren. Und aus.

Da muss nichts freigespielt, da darf nichts aufgelevelt werden. Die Jagd nach Rundenzeiten, Platzierungen und Meisterschaftspunkten muss genügen. Und wenn viel Fingerspitzengefühl und Konzentrationsleistung dann endlich zum Titel geführt haben, dann gibt’s eine Mail vom Manager. Dankeschön. Mit fünf Jahren habe ich einmal den vierten Platz in einem Skirennen gemacht und viel mehr als vier Kinder sind damals auch nicht gestartet. Aber ich weiß noch, dass ich dort gefeiert und mit Applaus und einer Urkunde geehrt wurde. „Project Cars“ kommuniziert den Triumph mittels Textnachricht.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Was die Entwickler hier auf PCs und Konsolen abgeliefert haben ist eine Freude für Möchtegern-Racer, sowohl grafisch als auch fahrphysikalisch. Und ich habe Abende damit zugebracht, an Reifendruck und Tankfülle herumzudoktern, um mir die Bestzeit im Qualifying zu sichern, während das letzte „Need for Speed“ ungeöffnet im Schrank steht. Für Freunde des realistischen Fahrgefühls ist „Project Cars“ ganz klar ein Pflichttitel. Und dank beinahe stufenlos verstellbarer Schwierigkeit genügt ein schneller Besuch im Menü, um die Herausforderung dauerhaft aufrecht zu erhalten.

Aber ein bisschen gewundert habe ich mich dann eben doch; schon die letzten „Gran Turismo“-Teile haben weitgehend auf spielerische Elemente verzichtet und „Project Cars“ kann das an Nüchternheit noch übertreffen. Vielleicht sind Renn-Simulationen die Speerspitze einer sich gerade formierenden Rebellion gegen die Omnipräsenz der Gamifizierung. Der einen oder anderen Motivationshilfe wäre ich aber manchmal nicht abgeneigt, wenn sich mein Wagen in der zwölften Runde als Führender ins Kiesbett dreht.

"Project Cars" ist bereits für Playstation, PC und Xbox erschienen.

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